Das EU-Parlament hat eine Stärkung der Fluggastrechte beschlossen. Ob auch der Rat mitspielt, ist aber offen. Außerdem in der Presseschau: Debatte um Steuer-Selbstanzeige, LG Hannover zu Flugtickets, EU-Kommission lässt Google vom Haken, Italiens Rechnungshof prüft Klage gegen Ratingagenturen, Digitalisierung als Bedrohung und Alkomatenpflicht in polnischen Autos.
Thema des Tages
Fluggastrechte: Das EU-Parlament hat einer Reform der Fluggastrechte-Verordnung zugestimmt und will damit auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs hin Fluggastrechte stärken. Sie sieht Regelungen zum Handgepäck und zu Verspätungsentschädigungen vor. Laut FAZ (Michael Stabenow) ist allerdings mit einer Abschwächung des Parlaments-Entwurfs durch die Verkehrsminister im Rat zu rechnen. Auch die SZ (Cerstin Gammelin), die taz (Eric Bonse) und die FR (Peter Riesbeck) berichten.
Eric Bonse (taz) kritisiert, dass Fluggesellschaften unter den Verkehrsträgern nach wie vor bevorzugt würden und fürchtet eine "Verwässerung" der beschlossenen Regelungen im Rat.
Rechtspolitik
Reform der steuerrechtlichen Selbstanzeige: Laut FAZ (Manfred Schäfers) und SZ (Guido Bohsem) schlägt die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform der Selbstanzeige in ihrem am Mittwoch an den Finanzausschuss verschickten Bericht vor, an der Selbstanzeige grundsätzlich festzuhalten, die Bedingungen für die strafbefreiende Wirkung aber zu verschärfen. So könne der offenzulegende Zeitraum verlängert oder der Strafzuschlag erhöht werden. Die Zeit (Mark Schieritz) dokumentiert die Diskussion in der Regierungskoalition.
Guido Bohsem (SZ) spricht sich für die Beibehaltung der strafbefreienden Selbstanzeige aus. So verständlich die Empörung jetzt sei, so wichtig sei angesichts unterbesetzter Steuerbehörden das Instrument der Selbstanzeige.
Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, schreibt derweil für die Zeit über "Täter, die sich für Opfer halten", hält die Vereinbarkeit der Selbstanzeige "mit unserem Strafrechtssystem" für zweifelhaft und attestiert ihr einen "denkbar kleinen" Gerechtigkeitsgehalt. Dabei sei "die einzig erfolgreiche Methode eine massive Erhöhung des Risikos" – und nicht das "Angebot von Geschenken".
Wettbewerbsrecht im Mediensektor: Die große Koalition möchte das Wettbewerbsrecht für Verlage und Fernsehsender lockern und so ein Mehr an Kooperation ermöglichen. Die FAZ (Helmut Bünder) unterhält sich dazu mit dem Präsidenten des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, der zur Zurückhaltung mahnt. Das Kartellrecht sei bereits "hinreichend flexibel".
Justiz
BVerwG zu Tierversuchen: Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Bremer Gesundheitsbehörde dem Hirnforscher Andreas Keiter 2008 bis 2011 seine Anträge auf Forschung an Makaken-Affen an der Universität Bremen hätte genehmigen müssen. Über die "wegweisende" Entscheidung, den zugrundeliegenden Streit um den Einsatz der Affen zur Lösung von Aufmerksamkeitsaufgaben vor Computerbildschirmen und die noch anhängigen Verfahren für den Zeitraum 2011-2014 informiert Cornelia Reichert im Feuilleton der FAZ.
BayVerfGH – Rundfunkbeitrag: Auf ihrer "Medien"-Seite veröffentlicht die FAZ (Michael Hanfeld) ein Interview mit dem Juristen Ermano Geuer, der im Wege der Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen den Rundfunkbeitrag klagt. Am 25. März werde verhandelt, der Kläger sieht den Gleichheitsgrundsatz und das Rechtsstaatsgebot verletzt. In der jüngst ergangenen entgegenstehenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bremen sieht er eine "juristische Einzelmeinung".
Mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Höhe des Beitrags beschäftigt sich Frederik Ferreau auf juwiss.de.
LG Hannover zu Flugticket-Bezahlung: Wie das Handelsblatt (Christoph Schlautmann) berichtet, hat das Landgericht Hannover auf eine Klage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen eine Klausel in den Verträgen des Fluganbieters Tuifly für unwirksam erklärt, die die volle Zahlung des Ticketpreises schon bei Buchung verlangt. Darin liege ein "nicht unerheblicher Liquiditätsverlust", zudem trügen die Fluggäste so das Insolvenzrisiko des Anbieters. Anfang Januar habe das Landgericht Frankfurt schon ein ähnliches Urteil gefällt.
Winnenden will klagen: Die Stadt Winnenden hat angekündigt, die Eltern des Amokläufers Tim K., der dort vor knapp fünf Jahren 15 Menschen erschoss, auf Schadensersatz verklagen zu wollen. Nach dem Bericht der FAZ (Helene Bubrowski) begründet die Stadt ihr Vorgehen mit der Verantwortlichkeit der Eltern für die finanziellen Folgeschäden der Tat und deren kategorische Weigerung, sich an der Schadensregulierung zu beteiligen. Der Vater des Attentäters sei inzwischen aufgrund fehlerhafter Verwahrung der Tatwaffe rechtskräftig wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Einvernehmlich beigelegt sei inzwischen der Streit zwischen den Eltern und den Hinterbliebenen.
OLG München – NSU-Prozess: Über die Vernehmung des Zeugen André K. im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München berichten die FAZ (Karin Truscheit) und spiegel.de (Björn Hengst). Der Zeuge, der in den neunziger Jahren mit dem NSU-Trio in rechtsradikalen Gruppen aktiv gewesen sei, habe bei Detailfragen auffällig viele Erinnerungslücken aufgewiesen. Die SZ (Tanjev Schultz) berichtet derweil über einen neuen Befangenheitsantrag der Zschäpe-Verteidigung gegen einen der Richter, der seine Akte mit "HV NSU" für Hauptverhandlung NSU beschriftet hatte. Darin liege eine "massive Vorverurteilung", da die Existenz der Vereinigung "NSU" ja erst nachgewiesen werden müsse, so der Verteidiger.
EU-Kommission – Einigung mit Google: Die EU-Kommission will das seit drei Jahren wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung anhängige Wettbewerbsverfahren gegen den US-Suchmaschinendienstleister Google gütlich beilegen. Der Konzern habe sich zu "erheblichen Zugeständnissen" bereit erklärt, zitiert die SZ (Javier Cáceres) EU-Wettbewerskommissar Joaquín Almunia. Auch das Handelsblatt (Thomas Ludwig) berichtet.
Javier Cáceres (SZ) bezweifelt, ob Googles Zugeständnisse wirklich so weitgehend sind. Der Konzern sei inzwischen so mächtig geworden, dass über seine Zerschlagung nachgedacht werden müsse.
StA Augsburg – Fall Gurlitt: Im Feuilleton der Zeit vertritt der Rechtshistoriker Uwe Wesel die Auffassung, die Beschlagnahme der Bilder von Cornelius Gurlitt sei rechtswidrig gewesen und verpflichte zum Schadensersatz. Mit den Werken zusammenhängende Steuerdelikte seien längst verjährt; zudem sei Gurlitt zweifelsfrei Eigentümer der Bilder.
Recht in der Welt
Italien – Rechnungshof prüft Klage gegen Ratingagenturen: Weil sie den kulturellen Reichtum Italiens nicht hinreichend ihre Bewertung miteinbezogen hätten, als sie Italiens Bonität 2011 herabstuften, prüft die Generalstaatsanwaltschaft des Rechnungshofs der italienischen Region Latium nun eine Klage gegen die Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch. Die Welt (Tobias Bayer) berichtet.
Israel – Wehrpflicht für Ultraorthodoxe: Der Oberste Gerichtshof Israels hat die Auszahlung von Geldern an ultraorthodoxe Studierende, die keinen Wehrdienst geleistet haben, gestoppt. Hintergrund ist der Streit um die Neuregelung des Wehrdienstes, von dem Ultraorthodoxe bislang ausgenommen waren, berichtet spiegel.de. Das habe der Gerichtshof bereits 2012 für verfassungswidrig gehalten.
Schweiz – Abstimmung über Abtreibung: In der Schweiz wird auf ein Volksbegehren hin am nächsten Sonntag eine Volksabstimmung darüber stattfinden, ob Abtreibungen aus dem Leistungskatalog der obligatorischen Grundversicherung gestrichen werden sollen. Die FAZ (Simona Pfister) berichtet.
USA – Prozess gegen Silk Road-Gründer: Die taz (Johannes Gernert) porträtiert den in den New York wegen "fortgesetzter verbrecherischer Unternehmungen" angeklagten Gründer der Internet-Plattform Silk Road, Ross Ulbricht. Die Seite gehöre zum "Dark Net" und sei einer der größten Umschlagplätze für Drogen im Netz.
Österreich – Kein Prozess gegen Asylrechtsaktivisten: Im letzten Moment hat laut taz (Ralf Leohnhard) die Wiener Oberstaatsanwaltschaft ihre Anklage gegen den Asylrechtsaktivisten Michael Genner zurückgenommen. Er hatte Schlepper, die Flüchtlinge nach Europa bringen, als sozial nützliche Dienstleister bezeichnet, weswegen ihm das Gutheißen einer mit Strafe bedrohten Handlung vorgeworfen worden war.
Ralf Leonhard (taz) fordert, man dürfe nicht bei der Meinungsfreiheit stehen bleiben – sondern müsse das Fluchthelfen legalisieren.
Sonstiges
DOSB-Olympia-App rechtswidrig: Die offizielle Olympia-App des Deutschen Olympischen Sportbundes verstößt gegen Wettbewerbs- und Datenschutzrecht. Zu diesem Ergebnis kommt internet-law.de (Thomas Stadler). Nach Registrierung erhalte man ohne Zustimmung Werbe-Emails; eine Datenschutzerklärung suche man ebenfalls vergeblich.
Digitalisierung der Gesellschaft: Im Feuilleton der FAZ erklärt der Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz (SPD), warum er in der "Digitalisierung aller Lebensbereiche" eine große Bedrohung für die Freiheit sieht. Die Kombination von "big data" und "big government" im Sinne einer Sicherheits-Hysterie könne in eine "antiliberale, anti-soziale und antidemokratische Gesellschaft münden." Daher brauche es eine soziale Bewegung, die "die Unverletzlichkeit der menschlichen Würde ins Zentrum ihrer Überlegungen stellt und die nicht zulässt, dass der Mensch zum bloßen Objekt degeneriert."
Todesstrafe in den USA: lto.de (Constantin van Lijnden) führt ein Interview mit dem US-Rechtswissenschaftler und Ex-Strafverteidiger Andrew Hammel über die Vollstreckung der Todesstrafe in den USA und warum diese laut Supreme Court nicht nur nicht grausam sein, sondern auch nicht grausam aussehen dürfe.
Das Letzte zum Schluss
Alkomat im Auto: Polen will seine Autofahrer künftig verpflichten, in ihren Autos einen Alkomaten installieren zu lassen – um die Bevölkerung für das Thema Alkohol im Verkehr zu sensibilisieren. Eine Benutzungspflicht vor dem Anfahren sei allerdings nicht vorgesehen, weiß die SZ (Klaus Brill).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie in der Printausgabe oder im jeweiligen E-Paper.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 6. Februar 2014: Mehr Rechte für Flieger – BVerwG erlaubt Tierversuche – Italiens Rechnungshof gegen Ratingagenturen . In: Legal Tribune Online, 06.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10904/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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