Auch eine Verfassungsbeschwerde kann Rekorde brechen: die Klage gegen den ESM ist ist die größte, die es bisher gab. Außerdem in der Presseschau: der Piraten-Vorschlag zum Urheberrecht, der BGH zum Apotheker-Betrug, viel Handyüberwachung in Berlin, nur ein Laptop pro Verteidiger und ein Ehemann, der seinen Wein allein trinkt.
Rekord-Klage gegen ESM: Die Verfassungsbeschwerde gegen den Euro-Rettungsschirm ESM ist die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Bündnis "Europa braucht mehr Demokratie" hat am Dienstag mehr als 25.000 weitere Vollmachten beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, insgesamt klagen damit rund 37.000 Bürger gegen den ESM, meldet unter anderem spiegel.de.
Das sage jedoch über die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde "gar nichts" aus, meint Reinhard Müller (FAZ). Allerdings sei der Optimismus von Bundesfinanzminister Schäuble, dass die Klagen abgelehnt würden, ebenfalls ungerechtfertigt. Das Bundesverfassungsgericht habe den Weg zu einer weiteren europäischen Integration nie komplett versperrt, es sei jedoch wahrscheinlich, dass die Verfassungsrichter Vorbehalte aufstellen werden.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Steuer-Daten: Wie die Bundesländer den Ankauf von Steuerdaten verbieten wollen und warum hier bisher eine Strafbarkeitslücke besteht, erläutert die taz (Christian Rath). Nach den Plänen des hessischen Justizministers Jörg-Uwe Hahn, der von der Justizministerkonferenz beauftragt wurde, einen entsprechenden Gesetzentwurf auszuarbeiten, sollen nur private Datenhehler betroffen sein und nicht die Finanzbehörden.
Frauenquote: Zwei Tage nachdem die EU-Justizministerin Viviane Reding ihren Gesetzentwurf für eine Frauenquote in Aufsichtsräten vorgestellt hat, zeichnet sich Widerstand seitens der Mitgliedstaaten ab. Vertreter aus zehn EU-Ländern hätten sich in einer ersten Abstimmung gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen, damit stehe eine klare Sperrminorität, berichtet die SZ (Cerstin Gammelin). In einem gesonderten Kommentar befindet Gammelin (SZ), eine Quote für Aufsichtsräte sei ohnehin "sinnlos", weil es sich nur um Prestigeposten handele, wichtiger sei ein höherer Frauenanteil in den Vorständen der Unternehmen.
Notare: Die FAZ (Joachim Jahn) schildert auf der "Recht und Steuern"-Seite die Pläne der Europäischen Kommission zur Ausdehnung der Berufsqualifikationsrichtlinie auf Notare und die Kritik, die daran auf dem 28. Deutschen Notartag laut wurde. Der Europäische Gerichtshof hatte zuvor eine Klage der Kommission gegen das deutsche Notarrecht in mehreren Punkten zurück gewiesen.
Piraten zum Urheberrecht: Die Piraten haben einen Vorschlag für ein reformiertes Urheberrecht vorgestellt. spiegel.de (Annett Meiritz/Ole Reißmann) stellen den Gesetzentwurf vor, der unter anderem vorsieht, Werke erst ab einer bestimmten Schutzwürdigkeit unter das Urheberrecht zu stellen, Sammlungen von Gerichtsurteilen frei zugänglich zu machen und bei Verhandlungen der Gema mit Online-Diensten Transparenz zu schaffen. Leonhard Dobusch (netzpolitik.org) kritisiert den Entwurf als einen "Urheberrechtsreförmchen-Vorschlag ohne große Vision" .
Weitere Themen - Justiz
BGH zu Sozietäten: Der BGH hat seine Rechtssprechung geändert und entschieden, dass es keine unlautere Werbung sein muss, wenn Anwaltskanzleien nach außen als Sozietät auftreten, nach innen jedoch getrennt bleiben. Es komme vielmehr darauf an, ob Mandanten die Vorteile erhielten, die sie von einer Sozietät erwarten. Die Entscheidung erläutert der Rechtsanwalt Martin W. Huff auf lto.de.
BGH zu Apotheker-Freispruch: Der Bundesgerichtshof hat den Freispruch für einen Apotheker aufgehoben, der ein Krebsmedikament billig importiert und teuer verkauft hatte. Das berichtet spiegel.de. Der Apotheker hatte demnach für die Herstellung einer Infusion ein Fertigmittel verwendet, das in Deutschland so nicht zugelassen war – wobei es sich von der zugelassenen Variante nur in der Beschriftung der Packung unterschied. Das Landgericht München II hatte darin keinen Betrug gesehen und muss nun erneut verhandeln.
Handyüberwachung in Berlin: Der Berliner Datenschutzbauftragte Alexander Dix hat Polizei und Staatsanwaltschaft in einem Prüfbericht vorgeworfen, die Funkzellenabfrage routinemäßig und ohne hinreichende Beachtung der gesetzlichen Vorschriften einzusetzen. zeit.de (Patrick Beuth) fasst die Vorwürfe zusammen.
Anklage gegen Chantals Pflegeeltern: Wie spiegel.de meldet, hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Pflegeeltern der an einer Methadon-Vergiftung gestorbenen Chantal erhoben. Dem Paar werde fahrlässige Tötung und Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vorgeworfen.
Laptops im Gerichtssaal: Udo Vetter (lawblog.de) kommentiert einen Gerichtsbeschluss, der in einem Großverfahren erlassen wurde, an dem er als Strafverteidiger beteiligt ist. Demnach erklärte das Gericht, dass jeder Verteidiger maximal einen Laptop im Gerichtssaal benutzen dürfe. Anlass war die Frage, wie eine umfangreiche elektronische Akte von den Angeklagten eingesehen werden kann. Vetter hält den Beschluss für eine ungerechtfertigte Einschränkung der Verteidigung und damit für einen absoluten Revisionsgrund.
Uwe Barschel: Die FR bringt ein dapd-Interview (André Klohn) mit dem früheren Staatsanwalt Heinrich Wille, der an der umstrittenen These festhält, der Politiker Uwe Barschel sei 1987 ermordet worden.
Erbrecht: Was beim Erstellen eines Testaments zu beachten ist, erklärt die SZ (Andreas Jalsovec) als "Zehn Gebote beim Erben".
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – Oracle vs. SAP: Nachdem sich die Softwarekonzerne Oracle und SAP im Streit um gestohlene Kundendaten zunächst auf einen Vergleich in Höhe von 306 Millionen Dollar geeinigt hatten, geht Oracle nun in die nächste Distanz, um so möglicherweise eine höhere Summe als Schadensersatz zu erzielen. Die FAZ (Stephan Finsterbusch) gibt einen Überblick über den Fall. In einem kurzen gesonderten Kommentar kritisiert Finsterbusch (FAZ) das Vorgehen Oracles und fordert, sich wieder auf die Softwaretechnik anstatt auf die Rechtsabteilung zu konzentrieren.
Großbritannien –Oligarchen-Prozesse: Nachdem in London gerade ein Prozess zwischen den russischen Oligarchen Beresowski und Abramowitsch zu Ende gegangen ist, berichtet die FTD (André Ballin) von zwei ähnlichen Verfahren, in denen sich der russische Milliardär Oleg Deripaska vor dem Londoner High Court mit ehemaligen Geschäftspartnern streitet.
Tschechien – Rückgabe von Kircheneigentum: Das tschechische Parlament stimmt heute über ein Gesetz ab, das die Rückgabe von Kirchengütern nach der Enteignung durch die Kommunistische Partei ermöglichen soll. Das Vorhaben ist umstritten, weil befürchtet wird, dass dann auch enteignete Sudetendeutsche Ansprüche geltend machen könnten. Sollte das Gesetz scheitern, drohe jedoch eine Prozesslawine, erklärt Die Welt (Hans-Jörg Schmidt).
Ungarn – Ausweisung eines Mörders: Die ungarische Regierung stand in der Kritik, nachdem am vergangenen Freitag ein wegen Mordes an einem Armenier verurteilter Mörder in sein Heimatland Aserbaidschan ausgewiesen worden war und dort umgehend begnadigt wurde. Ungarn betont nun, damit völkerrechtliche Verpflichtungen eingehalten zu haben, berichtet die taz (Ralf Leonhard).
Das Letzte zum Schluss
Wer trinkt schon gern den Wein allein: Vor dem Oberlandesgericht München stritt sich ein geschiedenes Ehepaar über die Aufteilung der wertvollen Weinsammlung. Wie Hans-Otto Burschel (blog.beck.de) ausführt, kam das Gericht zu dem Schluss, dass es sich nicht um einen Haushaltsgegenstand handele, weil der Ehemann sich allein um die Pflege des Weinkellers kümmerte, die Ehefrau hingegen nur selten davon kostete. Ein Ausgleich komme jedoch über das Güterrecht in Betracht – dann könnte allerdings Vermögensverschwendung vorliegen "wenn der Ehemann den Weinvorrat nach der Trennung verkasematuckelt hätte", warnt Burschel.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. September 2012: 37.000 gegen ESM – Piraten-Reförmchen zum Urheberrecht – Laptops im Gerichtssaal . In: Legal Tribune Online, 05.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6999/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag