Der Justizminister hat den Generalbundesanwalt entlassen. Außerdem in der Presseschau: Thomas Fischer über die Korruption von Ärzten, der BGH zum Guru von Lonnerstadt und eine Anklage wegen Pressefotos in der Türkei.
Thema des Tages
Maas entlässt Range: Am Dienstagmorgen warf Generalbundesanwalt Harald Range dem Justizminister einen "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" vor. Das Ministerium habe ihn angewiesen, ein unliebsames Gutachten zu verhindern. Am Abend entließ Justizminister Heiko Maas den Generalbundesanwalt, weil das Vertrauen nicht mehr gegeben sei. Range habe den Sachverhalt falsch dargestellt. Die Vorgänge werden ausführlich geschildert von der SZ (Robert Rossmann), taz.de (Christian Rath) und Tsp (Anna Sauerbrey/Ursula Knapp).
Robert Rossman (SZ) begrüßt die Entlassung Ranges. "Ein Vorgesetzter kann es nicht hinnehmen, ohne Vorwarnung und via Medien hart angegriffen zu werden." Auch Udo Vetter (lawblog.de) verteidigt Maas. Sein Verhalten sei "alles andere als ein schändlicher Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz". Christian Rath (BadZ) spricht von einer "unnötigen Eskalation". Die beiden Juristen seien inhaltlich nicht weit auseinander gewesen. Reinhard Müller (FAZ) meint, das Spektakel bestätige "die schlimmsten Vorurteile politischer Einflussnahme auf ein Strafverfahren."
Noch vor der Entlassung analysierte Constantin von Lijnden (lto.de) den Konflikt zwischen Range und Maas. Jost Müller-Neuhof (Tsp) findet, dass Range von allen Beteiligten mit seinem vorsichtigen Vorgehen die beste Figur gemacht hatte. Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) meint dagegen, dass Minister Maas die Ermittlungen des Generalbundesanwalt viel entschlossener hätte beenden müssen. Range habe zu sehr aus der "Binnensicht des Sicherheitsapparats" agiert.
Generalbundesanwälte: Die FAZ (Reinhard Müller) lässt die Geschichte der Generalbundesanwälte Revue passieren. Die taz (Christian Rath) bringt ein kleines Portrait von Harald Range. Die SZ (Ekkehard Müller-Jentsch) und der Tsp (Ursula Knapp) stellen den Nachfolger Peter Frank, bisher Generalstaatsanwalt in München, vor.
Landesverrat: Die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) unterrichtet über das Verfassungsschutz-Gutachten, wonach "Netzpolitik.org" Staatsgeheimnisse verraten habe. Ulf Buermeyer (netzpolitik.org) analysiert, dass ein Anfangsverdacht wegen Landesverrats im Fall der beiden Blogger abwegig sei.
Rechtspolitik
Ärzte und Korruption: Bundesrichter Thomas Fischer schildert in seiner zeit.de-Kolumne die Korruption im Gesundheitswesen und warnt Patienten davor, ihren Ärzten zu vertrauen. Er habe sich einst dafür eingesetzt, die Korruption von Ärzten als Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Strafgesetzbuch zu bestrafen, sei damit aber 2012 im Großen Senat unterlegen. Am jetzt vorgelegten Regierungsentwurf zur Schaffung eines speziellen Straftatbestands kritsiert Fischer, dass er drei Jahre auf sich warten ließ und dass es sich nur um ein Antragsdelikt handeln solle.
Justiz
BGH zu verweigerter Heilbehandlung: Der Bundesgerichtshof bestätigte die Verurteilung eines Paares zu je drei Jahren Freiheitsstrafe wegen schwerer Misshandlung eines Schutzbefohlenen. Der damals 12-jährige Sohn der Frau litt unter der Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose. Der Partner der Frau ("Guru von Lonnerstadt") versprach dem Jungen, er werde geheilt, wenn er seine schulmedizinische Therapie abbreche und stattdessen mit ihm täglich meditiere. Dies führte nach drei Jahren zu Schädigungen der Lunge und starkem Gewichtsverlust, berichten SZ (Katja Auer) und lto.de.
BVerfG zu Fraktionsfinanzierung: Das Bundesverfassungsgericht lehnte eine Organklage der ÖDP gegen die Finanzierung von Fraktionen, Abgeordneten und parteinahen Stiftungen aus Bundesmitteln als unzulässig ab. Die ÖDP hätte nicht ausreichend vorgetragen, dass die Chancengleichheit der Parteien verletzt sei, weil die angegriffenen Zahlungen ja gerade nicht an die Parteien gingen, meldet lto.de.
OLG München - NSU: Der NSU-Prozess geht in die rund vierwöchige Sommerpause. Die FAZ (Karin Truscheit) schildert das Prozessgeschehen der letzten Wochen jenseits der Verteidigungs-Querelen. Die Welt (Per Hinrichs) schildert das Prozessgeschehen ebenfalls und sieht das Gericht auf Verurteilungskurs. zeit.de (Tom Sundermann) zieht für alle vier Angeklagten eine Zwischenbilanz. Die SZ (Tanjev Schulz) meldet, dass das Gericht bereits Termine bis Herbst 2016 reserviert habe.
OLG Celle - Wolfsburger Islamisten: Die FAZ (Reinhard Bingener) und spiegel.de (Wiebke Ramm) berichten vom zweiten Tag im Prozess gegen zwei Wolfsburger Islamisten, die sich zeitweise in Syrien dem IS angeschlossen hatten. Der Angeklagte Ayoub B. schilderte dabei seine Radikalisierung.
OLG Celle - Verpixelung: Die SZ (Karoline Meta Beisel) befasst sich auf der Medienseite mit der Frage, ob Fotos der Angeklagten im Wolfsburger Islamistenprozess zwingend verpixelt werden müssen. Das OLG Celle hatte dies angeordnet und der Bild-Zeitung die Akkreditierung entzogen, nachdem sich diese nicht daran gehalten habe. Der Pixelzwang sei bezüglich eines Angeklagten jedoch zweifelhaft, weil sich dieser bereits ohne Verpixelung im Fernsehen interviewen ließ.
VerfGerH Münster - Inklusion: 52 nordrhein-westfälische Kommunen klagen vor dem Verfassungsgerichthof Münster gegen die gesetzliche Regelung zur Inklusion von behinderten Schülern. Sie wollen erreichen, dass im Gesetz eine ausreichende Finanzierung garantiert wird, berichtet die taz (Josephine Schulz).
BAG zu Dienstcomputer: Der Anwalt Dirk Monheim schildert in der FAZ eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von Mitte Juli. Ein Mitarbeiter, der seinen Dienstcomputer dazu benutzt hatte, mehr als 6.400 E-Books, Bild-, Audio- und Videodateien abzuspeichern und sie auf rund 1.100 DVD-Rohlinge zu kopieren, die er dem Arbeitgeber entwendet hatte, darf fristlos gekündigt werden. Die Einschaltung der Polizei sei dafür kein Voraussetzung.
Recht in der Welt
Kosovo - Sondertribunal: Stefan Ulrich (SZ) begrüßt, dass das kosovarische Parlament der Einrichtung eines international kontrollierten Sondertribunals zur Aufklärung von Verbrechen der Kosovo-Befreiungsarmee UCK zugestimmt hat. "Dieses Gericht wird den Kosovaren zeigen, dass sie nicht nur Opfer waren – und den Vorwurf der Serben widerlegen, sie würden von der Weltjustiz nur als Täter wahrgenommen."
Türkei - Pressefotos: In der Türkei wurden 18 Journalisten wegen terroristischer Propaganda angeklagt, nachdem sie Fotos einer Geiselnahme der linksextremistischen DHKP-C zeigten. Zu den Angeklagten gehört auch der Chefredakteur der großen Zeitung Cumhüriyet, berichtet spiegel.de.
Sonstiges
BKA und Edathy: Rechtsprofessor Ralf Poscher kommt in einem Gutachten für die Grünen zum Schluss, dass das BKA die Hannoveraner Staatsanwaltschaft hätte unterrichten müssen, dass der SPD-Politiker Thomas Oppermann bereits beim damaligen BKA-Präsidenten Jörg Ziercke nach dem Fall Edathy gefragt hatte. Dann hätte die Staatsanwaltschaft möglicherweise schneller gegen Edathy ermittelt, schreibt die SZ (Tanjev Schulz).
Betreuungsgeld: Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Juli das Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärte, erhalten Eltern die Sozialleistung aber weiterhin, wenn sie ihnen bereits per Bescheid bewilligt wurde. Zu diesem Schluss kommen Rechtsprofessoren, die spiegel.de (Dietmar Hipp) befragt hat.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. August 2015: Maas entlässt Range – Ärzte und Korruption – Verweigerte Heilbehandlung . In: Legal Tribune Online, 05.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16499/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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