Das OLG Düsseldorf urteilt zum gescheiterten Bonner Bombenanschlag. Außerdem in der Presseschau: Ließe sich ein Islamgesetz verfassungskonform bewerkstelligen? Was haben die Panama-Papers-Enthüllungen binnen eines Jahres bewirkt?
Thema des Tages
OLG Düsseldorf zu Terror: Nach einem zweieinhalbjährigen Verfahren mit 155 Verhandlungstagen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf sein Urteil zu dem gescheiterten Bombenanschlag auf den Bonner Hauptbahnhof verkündet. Der Hauptangeklagte Marco G. wurde wegen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Mehrjährige Haftstrafen für G. und drei weitere Angeklagte ergingen wegen Verabredung zum Mord und Bildung einer terroristischen Vereinigung, diese Verurteilungen betrafen ein vereiteltes Attentat auf einen Pro-NRW-Funktionär. Dass der fragliche Zünder der Bombe nicht gefunden werden konnte, stand nach der mündlichen Urteilsbegründung einer Verurteilung nicht im Wege. Für das Gericht sei erwiesen, dass es sich bei der aufgefundenen Vorrichtung um einen "insgesamt kompletten und zündfähigen" Sprengsatz gehandelt habe, so die SZ (Jan Bielecki). taz (Sabine am Orde) und FAZ (Reiner Burger) berichten ebenfalls.
Für Reinhard Müller (FAZ) ist das Urteil Beleg dafür, dass der Rechtsstaat "auch seine maßlosen Feinde nach den für alle geltenden Maßstäben", zu denen eben auch die Strafe gehöre, behandelt. Annette Ramelsberger (SZ) erinnert dagegen in ihrem Kommentar an nach wie vor offene "Fragen nach der Funktionsfähigkeit von Polizei und Justiz". Während erstere sich damit blamiert habe, dass sie bei der Hausdurchsuchung G.s Sprengstoff und eine Waffe übersah, habe sich das Gerichtsverfahren durch eine "gemütliche denn zupackende" Verhandlungsweise ausgezeichnet.
Rechtspolitik
Islamgesetz: Nach dem Vorschlag von CDU-Politikern für ein Islamgesetz informiert die FAZ (Stephan Löwenstein) über das als Vorbild genannte Gesetz in Österreich. Besonders umstritten seien dort enthaltene Bestimmungen zu einer notwendigen "positiven Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat" und ein Verbot der Auslandsfinanzierung. Ein weiterer Beitrag der FAZ (Alexander Haneke) untersucht mögliche verfassungsrechtliche Hürden für das deutsche Vorhaben. Beachtlich seien vor allem Gleichheitsgrundsatz und Religionsfreiheit. Für Martina Fietz (focus.de) drückt das Vorhaben "das Bemühen durch Aufnahme" aus, denn es werde hierdurch versucht, "einen Teil der deutschen Realität aus einer Grauzone zu holen".
NetzDG: Auch der Zeitschriftenverband VDZ und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger haben sich nach Bericht der FAZ (Hendrik Wieduwilt) in die Reihen der Kritiker des von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) geplanten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes eingeordnet. Wegen des engen Zeitplanes vor der Bundestagswahl im Herbst und der Beteiligung der EU-Kommission sei ein Kabinettsbeschluss zum Entwurf noch in dieser Woche wahrscheinlich.
§ 611a BGB: community.beck.de (Christian Rolfs) erinnert daran, dass mit dem neuen Monat die gesetzliche Regelung des Arbeitsvertrages nun in § 611a Bürgerliches Gesetzbuch anzutreffen ist.
Scheinväter: Zu den in der vergangenen Woche vom Koalitionsausschuss beschlossenen, noch in dieser Legislaturperiode in Angriff zu nehmenden Vorhaben gehört auch ein Gesetz gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2014 die Zulässigkeit entsprechender Prüfungen auf eindeutige Missbrauchsfälle beschränkt, in denen Aufenthaltsrechte erschlichen werden sollen. Hieran erinnert der Bericht der taz (Christian Rath).
Justiz
BGH zu Bausparverträgen: Nachdem nun die schriftlichen Begründungen für zwei Grundsatzurteile des Bundesgerichtshofs zur Kündigung von Bausparverträgen vorliegen, rät die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Bausparern bei sogenannten Bonusverträgen nach wie vor zu einer gründlichen Prüfung. Bei diesen Verträgen beginne die vom BGH geforderte Zuteilungsreife erst mit der vollständigen Erlangung des Bonus, so ein Verbraucherschützer gegenüber dem Hbl (Reiner Reichel).
BSG zu Selbständigkeit: Bei der Festlegung einer Tätigkeit als abhängige oder freie Beschäftigung ist nach einem Urteil des Bundessozialgerichts auch die Höhe der vereinbartes Vergütung als Indiz heranzuziehen. Auf die Entscheidung macht community.beck.de (Michaela Hermes) aufmerksam.
OLG Braunschweig – VW: Im Musterverfahren zu Schadensersatzforderungen von Anlegern gegen VW soll die mündliche Verhandlung am Oberlandesgericht Braunschweig Anfang des kommenden Jahres beginnen, schreibt die Welt. Die Deka Investment als Musterklägerin und weitere knapp 1.500 Beigeladene fordern den Ersatz eines Schadens von knapp zwei Milliarden Euro.
OLG München – Kommunisten: Die Verteidiger von Kommunisten aus der Türkei, denen am Oberlandesgericht München die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, haben eine Strafanzeige wegen Spionage gegen den türkischen Geheimdienst erstattet. Bereits zuvor hatte die Verteidigung die Verwendung von Geheimdiensterkenntnissen zulasten ihrer Mandanten gerügt, schreibt die SZ (Annette Ramelsberger).
HessVGH – Parteienfinanzierung: Der hessische Verwaltungsgerichtshof entscheidet am morgigen Mittwoch über die Rechtmäßigkeit der Satzungsänderung einer Kleinstadt des Landes, durch die NPD-Mitgliedern Fraktionsgelder gestrichen werden sollen. Die Maßnahme gilt als Konsequenz aus dem NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, schreibt lto.de.
LAG Berlin/Brandenburg zu Schwarzfahrer: Weil er als Schwarzfahrer mit gefälschten Fahrschein wegen versuchten Betrugs zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden war, verweigerte das Land Berlin einem angehenden Lehrer die in Aussicht gestellte Einstellung. Die zur Begründung angeführte fehlende charakterliche Eignung des Bewerbers für den Lehrerberuf ist nun vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt worden. Das Urteil wird u.a. von der FAZ (Marcus Jung) gemeldet.
LG München I – Georg Funke: Im Strafverfahren gegen den früheren Hypo Real Estate-Chef Georg Funke hat die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht München I die vom Angeklagten erhobenen Vorwürfe einseitiger Ermittlungen zurückgewiesen, berichtet die FAZ (Henning Peitsmeier). Der Bericht der SZ (Stephan Radomsky) führt Fragen der Vorsitzenden Richterin zu Details der Bilanzpraxis der Bank an. Funke und der mitangeklagte Ex-Finanzvorstand Markus Fell hätten hierbei nur wenig Einzelheiten berichten können.
LG Stuttgart – Schlecker: Das Verfahren gegen Anton Schlecker und Familienangehörige vor dem Landgericht Stuttgart wurde mit der Zeugenvernehmungen fortgesetzt. Einzelheiten berichtet bild.de (Philipp-Marc Schmid).
AG München zu VW: Das Amtsgericht München hat die von VW eingelegte Beschwerde gegen Beschlagnahmungen von Dokumenten bei einer beauftragten Anwaltskanzlei abgewiesen. Der Automobil-Produzent wolle sein Begehren jedoch weiterverfolgen, schreibt die SZ.
AG Winsen zu fahrlässiger Tötung: Wegen fahrlässiger Tötung hat das Amtsgericht Winsen nach Meldung von spiegel.de einen Autofahrer zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der Mann hatte einen Unfall verursacht, bei dem sein Beifahrer verstarb. Er hätte nach den Feststellungen des Gerichts erkennen müssen, dass die Reifen seines Autos nicht mehr die erforderliche Profiltiefe besaßen.
Kartellschäden: Noch nicht seit langem gibt es die Möglichkeit, Schadensersatzforderungen wegen eines Kartells gerichtlich geltend zu machen. Diese sogenannten "Follow-on-Klagen" würden sich an Landgerichten stapeln, so das Hbl (Andreas Neuhaus), weil professionelle Kläger Forderungen sammelten. Die Hoffnungen auf tatsächlichen Schadensersatz, noch dazu in Höhe behördlich verhängter Bußgelder, würden jedoch wohl häufig enttäuscht werden, weil Zivilkläger immer noch einen konkreten Schaden beziffern und darlegen müssten.
Asylverfahren: Die gerichtliche Prüfung von Asylbescheiden hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit an die Grenze ihrer Belastbarkeit geführt, wie der von lto.de (Tanja Podolski) genannte Anstieg von Verfahren belegt. Entlastung könnte eine Bundesratsinitiative versprechen, nach der auch für Verwaltungsgerichte in Asylverfahren die Möglichkeit geschaffen werden soll, selbständig Beschwerde, Berufung oder Sprungrevision zuzulassen.
Recht in der Welt
USA – Welfenschatz: Zu der Entscheidung eines US-amerikanischen Bezirksgerichts, sich im Streit über das Eigentum am sogenannten Welfenschatz für zuständig zu erklären, kommentiert Kia Vahland (SZ), dass Deutschland seine ihm von den Alliierten übertragene Aufgabe, Enteignungen von Raubkunst rückgängig zu machen, nur bedingt erfüllt habe. Auch der Limbach-Kommission fehle die Befugnis, "Entscheidungen zu treffen, die im Zweifelsfall dann auch Bestand vor Gericht haben".
USA – Supreme Court: Vor der für den kommenden Freitag geplanten Abstimmung des US-amerikanischen Senats zur Ernennung von Neal Gorsuch zum neuen beisitzenden Richter zeichnet sich eine Blockade der Demokratischen Partei ab. Dies meldet spiegel.de.
Sonstiges
Panama Papers: In einem Spezial erinnert die SZ (Frederik Obermaier/Bastian Obermayer) an die vor einem Jahr ans Licht gekommenen Enthüllungen der sogenannten Panama Papers und beschreibt die aktuelle Situation der maßgeblich an den Steuersparmodellen beteiligten Kanzlei. Kleine Beiträge gehen auf konkrete Konsequenzen der Enthüllungen ein. So sei der Fonds, dessen Besteuerung Gegenstand des Verfahrens gegen Werner Mauss ist, in Panama gegründet worden (Ralf Wiegand). Gleiches gelte für eine Firma des Fußballers Lionel Messi, der in Spanien bereits wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde (Mauritius Much). Ein weiterer Hintergrund-Artikel der SZ (Alexander Mühlauer u.a.) untersucht, inwiefern politischen Absichtserklärungen zum besseren Schutz von Whistleblowern Taten gefolgt sind.
Deutsche Umwelthilfe: Erneut stellt die SZ (Michael Bauchmüller) die von ihrem Geschäftsführer Jürgen Resch geleitete Deutsche Umwelthilfe vor. Deren öffentliche Kampagnen, etwa für die Einführung des Dosenpfandes, seien extrem erfolgreich gewesen. Gleichzeitig stießen sich viele Umweltaktivisten an der von der Organisation geübten Praxis, Spendengelder auch von Unternehmen anzunehmen.
Flightright: Die FAZ (Timo Kotowski/Marcus Jung) stellt Konzept und Arbeitsweise von Flightright vor. Das 2010 gegründete Legal-Tech-Unternehmen habe sich das Ziel gesetzt, Anspruchstellern nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung innerhalb weniger Minuten einen Anteil der ihnen wegen Flugverspätungen zustehenden Entschädigungen auszuzahlen.
Das Letzte zum Schluss
Lahm aprilscherzunwillig: Nur wenig Spaß versteht möglicherweise der Fußballer Philipp Lahm. Über das Wochenende hatte ein Fitness-Unternehmen datumsbedingt den Einstieg Lahms als Großinvestor verkündet. Auch nach einer Entschuldigung würde sich nun mit den Unternehmen in Verbindung gesetzt und nach einer Lösung gesucht, schreibt bild.de, "um eine Klage zu vermeiden".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 4. April 2017: Terrorismus-Urteil / Islamgesetz und Grundgesetz / Ein Jahr Panama Papers . In: Legal Tribune Online, 04.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22296/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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