In Bayern und Hessen planen die Landesregierungen eine Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich. Außerdem in der Presseschau: CDU-Kritik an Werkverträgen, die erste Lesung zur Erhöhung der Anwaltsvergütung, eine Musiker-Klage gegen die Gema und warum die Zeugen eines Strafprozesses auf einen Zwilling hereinfielen.
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Klage gegen Finanzausgleich: Die Landesregierungen von Bayern und Hessen wollen am Dienstag eine gemeinsame Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich beschließen. Jasper von Altenbockum (FAZ) bewertet die beiden wichtigsten Angriffspunkte der Klage: Die Kritik an der "Einwohnerveredelung" der Stadtstaaten könnte Erfolg haben, weil heute nicht nur in den Städten erhöhter Verwaltungsaufwand nötig sei, sondern angesichts der demographischen Entwicklung auch in ländlichen Gebieten. Dagegen könnte die Kritik an der zu starken Einbeziehung der Gemeindefinanzen auch zum Bumerang werden. Möglicherweise halte das Bundesverfassungsgericht diese sogar für zu niedrig.
Weitere Themen- Rechtspolitik
Gesetz - Väterrechte: Der Bundestag hat das neuen Sorgerecht für ledige Väter beschlossen, das das "Matriarchat im Familienrecht" beende, so die Samstagsausgabe der taz (Heide Oestreich). Auch beck.blog.de (Hans-Otto Burschel) gibt einen Überblick über die Neuregelungen. In der Samstags-taz wird die Reform mit einem Pro-(Rüdiger Rossig) und einem Contra-Kommentar (Isabel Lott) kontrovers diskutiert.
Rechtsverordnung - PID: Der Bundesrat hat die Rechtsverordnung aus dem Bundesgesundheitsministerium zum Gesetz über die Präimplantationsdiagnostik (PID) gebilligt, wie die Samstags-taz (Heike Haarhoff) informiert. Mediziner könnten in den Kommissionen weiter nicht von Theologen oder Vertretern von Behindertenverbänden überstimmt werden. Florentine Fritzen (FAS) äußert die Sorge, dass die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen vom grundsätzlichen PID-Verbot in der Praxis zur Regel würden.
Gesetzentwurf - Anwaltshonorare: Wie die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) knapp berichtet, hat der Bundestag in erster Lesung über ein Kostenrechtsmodernisierungsgesetz beraten, womit u.a. die Honorare von Rechtsanwälten und Notaren angehoben würden. Im Bundesrat könne es aber Probleme geben, denn die Bundesländer forderten wegen der damit verbundenen Kostensteigerung bei der Prozesskostenhilfe zum Ausgleich eine Anhebung der Gerichtsgebühren, so die FAZ.
Gesetzentwurf - Abmahnkosten: Der Anwalt Carl Christian Müller kritisiert auf lto.de die Pläne des Justizministeriums, die Kosten von urheberrechtlichen Abmahnungen zu begrenzen. Die Ausnahmeklausel für schwere Rechtsverletzungen könne dazu führen, dass am Ende die Abmahnkosten in der Regel doch nicht gedeckelt werden. Außerdem, so Müller, sollte der fliegende Gerichtsstand für Urheberrechtsverletzungen abgeschafft werden, weil sonst die Abmahner die Gerichte wählen können, die für sie günstig urteilen.
Kein Gesetz - Arbeitnehmerdatenschutz: Anlässlich des vorläufigen Scheiterns der Pläne, den Arbeitnehmerdatenschutz zur heimlichen und offenen Überwachung am Arbeitsplatz neu zu regeln, stellt Corinna Budras (Samstags-FAZ) im Beruf und Chancen-Teil die breite Kritik am gescheiterten Entwurf vor. Eine gesetzliche Neuregelung sei "unnötig", so Budras; ein absolutes Verbot heimlicher Überwachung hält der Frankfurter Rechtsanwalt Rainer Thum mit Blick auf Eigentumsrechte des Arbeitgebers für unzulässig.
Diskussion - Unternehmensjuristen: Der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses Siegfried Kauder (CDU) habe Unternehmensjuristen Hoffnung gemacht, dass sie bald wie Rechtsanwälte behandelt würden, so die Samstags-FAZ (Corinna Budras). Kauder könne die Anliegen der Syndikusanwälte verstehen, habe aber darauf hingewiesen, dass solche Änderungen am besten "geräuschlos" in ein anderes Gesetzesvorhaben eingefügt würden.
Kritik - Werkverträge: Die CDU greift die Kritik der Gewerkschaften am zunehmenden Einsatz von Werkverträgen zur Umgehung von Tarifverträgen auf, berichtet die Montags-Welt (Dorothea Siems und Flora Wisdorff). Das Bundesarbeitsministerium will dazu am 11. März ein Symposium veranstalten. Die Arbeitgeber erklären die Zunahme von Werkverträgen mit der gestiegenen Arbeitsteilung in der Wirtschaft.
BAMF - Homosexualität und Asyl: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verlangt von homosexuellen Asylbewerbern nicht mehr, dass sie ihre sexuelle Orientierung im Heimatland verheimlichen, um Verfolgung zu vermeiden. Das berichtet die Montags-taz (Paul Wrusch). In einem separaten Kommentar relativiert Wrusch (Montags-taz) den Fortschritt. Möglicherweise werde die Behörde jetzt noch schärfer bezweifeln, ob die Betroffenen tatsächlich homosexuell sind oder dies nur vortäuschen.
Diskussion - NPD-Verbot: "Stop!" ruft Reinhard Müller (Samstags-FAZ): Das angestrebte NPD-Verbotsverfahren sei ein "Irrweg und Propagandafeldzug". Besser solle die Politik die "Ansammlung verwirrter junger Männer" in "Lohn und Brot" bringen.
Amnestieforderung – Stuttgart 21: Mit der Strafrechtlerin und Kriminologin Monika Frommel spricht lto.de (Benjamin Lück) über die Möglichkeit einer Amnestie in den noch laufenden Verfahren zum "Schwarzen Donnerstag" bei den Demonstrationen gegen Stuttgart 21. Anlass ist ein diesbezüglicher Vorschlag der Grünen in Baden-Württemberg. Frommel meint, eine gesetzliche Regelung sei "unproblematisch" und diene dem Rechtsfrieden, müsse aber natürlich die Straffreiheit bereits verurteilter Betroffener regeln. Mit Blick auf Polizeigewalt sieht Frommel zivilrechtliche Schadenersatzprozesse als geeignetere Maßnahme zur Aufarbeitung.
Diskussion - Kampfdrohnen: Zur aktuellen Diskussion um Drohnen fragt Thomas Darnstädt (Der Spiegel): "Lässt sich die Anschaffung ferngesteuerter Tötungsmaschinen im Staat des Grundgesetzes rechtfertigen?" Waffen dienten im modernen Krieg nicht mehr der "Auseinandersetzung zwischen Inhabern eines staatlichen Gewaltmonopols", es gebe eine Vermischung zwischen Verbrecherjagd und Krieg. Die Folge: Verbrecher würde nicht mehr verhaftet, um ihnen den Prozess zu machen, sondern sie würden vorher erschossen.
Weitere Themen – Justiz
BFH zu steuerfreien Lohnzuschüssen: In einem aktuellen Urteil stellt der Bundesfinanzhof fest, so die Samstags-SZ (Malte Conradi), dass Lohn-Zuschüsse nur noch steuerbegünstigt sind, wenn sie "freiwillig" gezahlt würden. Das heißt, diese dürfen weder vertraglich geregelt sein noch dürfe eine betriebliche Übung herrschen. Damit drohten erhebliche Einbußen für Beschäftigte, denen bislang etwa Kinderbetreuungszuschüsse oder Fahrtkostenpauschalen zugesichert waren, so die SZ.
LAG Köln zur Einstellung von Schwangeren: Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln darf auch die Bewerberin für eine Schwangerschaftsvertretung nicht nach einer Schwangerschaft gefragt werden. Der Spiegel (Fidelius Schmid) schildert den Fall, der zu diesem Urteil geführt hat.
LG Stuttgart zu Winnenden: Wegen fahrlässiger Tötung in 15 Fällen ist der Vater des Amok-Schützen von Winnenden nun zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, wie die Samstags-Welt (Miriam Hollstein) berichtet. Damit liege das Strafmaß unter dem der ersten Verurteilung, die der Bundesgerichtshof beanstandet habe. Wolfgang Janisch (Samstags-SZ) hält das Urteil für klug. Die Bemessung der Schuld könne nicht nach dem "Grauen der Tat" bemessen werden. Gleichzeitig sende es eine wichtige Botschaft: Wer Waffen nicht ordnungsgemäß lagere, komme "nicht nur mit dem Waffengesetz ins Gehege".
OLG München - NSU: Fünf Angeklagte, fünf Berufsrichter, zwei Schöffen, Reserverichter- und schöffen, bis zu fünf Vertreter der Bundesanwaltschaft, zehn Verteidiger, 64 Nebenkläger – dazu eine 488 Seiten dicke Anklage, 666 Zeugen der Bundesanwaltschaft, 700 Ordner für die Verfahrensakten. Die Samstags-SZ (Hans Leyendecker) bereitet mit einem umfassenden Bericht auf den am 17. April vor dem Oberlandesgericht München beginnenden Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer vor. Separat spricht der Münchener OLG-Präsident Karl Huber mit der SZ (Annette Ramelsberger) über Transparenz im Strafprozess: Eine Übertragung der Verhandlung in einen weiteren Sitzungssaal sei nach deutschem Recht ausgeschlossen.
Zschäpe-Verteidigung: Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) stellt Beate Zschäpes Anwälte, Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl, vor. Der Fall sei eine "Herausforderung" und "Versuchung für jeden leidenschaftlichen Strafverteidiger". Weiter wird die persönliche Situation von Anja Sturm, alleinerziehende Mutter und Krebs-diagnostiziert, geschildert. Mit Blick auf die Zschäpe vorgeworfene Mittäterschaft spricht der Spiegel von einer "Vorsatz-Unterstellungsjustiz" und fragt: "Gibt es eine Regel, dass Männer zu Hause alles erzählen?".
OLG Hamm – Samenspender: Eine Doppelseite widmet die Samstags-SZ (Andreas Bernard) der Frage, wie die erste erwachsene Generation von Kindern, die mittels Samenspende gezeugt wurde, damit umgehe. Dabei wird über den Prozess einer jungen Frau berichtet, die vor dem Oberlandesgericht Hamm den Reproduktionsmediziner Thomas Katzorke auf "Herausgabe des Spendernamens" ihres leiblichen Vaters verklagte.
LG Detmold – Ehrenmord: Voraussichtlich heute wird das Landgericht Detmold urteilen, ob der Vater der 2011 von ihren Geschwistern ermordeten Jezidin Arzu Ö. wegen Anstiftung zum Mord verurteilt wird. Die Montags-Welt (Tim Röhn) schildert den Fall und den Prozessverlauf, wagt aber keine Prognose über den Ausgang.
LG Berlin – Gema-Klage: internet-law.de (Thomas Stadler) stellt die Klage des Musikers und Piraten-Politikers Bruno Kramm gegen die Gema vor. Kramm kritisiert, dass die Gema einen Teil der Urhebervergütung an seinen Musikverlag ausgezahlt hat. Er beruft sich dabei auf ein Urteil des LG München I, das die Verteilungspraxis der VG Wort beanstandet hatte.
Bundesverfassungsgericht: Unter dem Titel "Karlsruher Korpsgeist" berichtet Reinhard Müller (Samstags-FAZ) über eine Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dort kritisierte Unions-Fraktionsvize Günter Krings die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlrecht. Außerdem ging es um den angeblich drohenden Bedeutungsverlust des BVerfG gegenüber europäischen Gerichten. Christian Rath (Samstags-taz) stellt in einem Debattenbeitrag Thesen aus seinem Buch "Der Schiedsrichterstaat – Die Macht des Bundesverfassungsgerichts" vor.
Weitere Themen – Recht im Ausland
China – Nils Jennrich: Die Montags-Welt (Johnny Erling) berichtet ausführlich über den Fall des deutschen Kunstspediteurs Nils Jennrich, der im März 2012 unter dem Vorwurf, er habe Einfuhrsteuern hinterzogen, verhaftet wurde und erst im August auf Kaution freikam. Demnächst müsse die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob Jennrich angeklagt wird. Jennrich wird als unschuldiges Opfer einer Kampagne des chinesischen Zolls dargestellt.
USA - Guantanamo-Tribunal: Ihre Seite-3-Reportage widmet die Samstags-SZ (Nicolas Richter) dem US-Sondertribunal in Guantanamo Bay, wo im Mai letzten Jahres fünf mutmaßliche Attentäter des 11. September angeklagt wurden. Im Saal des Militärrichters Oberst James L. Pohl, der versuche, "alle Schattenseiten der Terrorabwehr" auszuleuchten und gleichzeitig der Regierung ihr Recht auf Geheimnisse zu lassen, fänden eigentlich zwei Prozesse statt: Einer gegen die angeklagten Islamisten und einer der Verteidiger, die nachweisen wollten, "dass die Anklagten von der CIA gefoltert wurden".
Belgien – Dutroux: Der belgische Kindsmörder und Sexualverbrecher Marc Dutroux hat nach 16 Jahren Haft seine Freilassung beantragt. spiegel.de (Dieter Ebeling) schildert die Rechtslage und räumt dem Antrag keine großen Chancen ein.
Schweden – falscher Mörder: Das Oberlandesgericht in Norrland hat angeordnet, dass mehrere Morde, die der vermeintliche Massenmörder Thomas Quick einst gestanden hatte, neu untersucht werden müssen, berichtet spiegel.de (Frauke Lüpke-Narberhaus). Quick hatte die Taten unter Medikamenteneinfluss gestanden, um sich interessant zu machen.
Sonstiges
Jugendliche Mörder: Der Spiegel (Cordula Meyer/Beate Lakotta) führte ein ausführliches Interview mit dem Jugendpsychiater Helmut Remschmidt. Er hatte 114 Fälle jugendlicher Mörder weiterverfolgt und fand heraus, dass keiner einen weiteren Mord beging. Remschmidt verteidigt den Jugendstrafvollzug, will ihn aber stärker therapeutisch ausrichten.
Uwe Wesel - Portrait: Heribert Prantl (Samstags-SZ) gratuliert im Feuilleton dem Rechtsprofessor Uwe Wesel zum 80. Geburtstag. Wesel schreibe mit "genialischer journalistischer Begabung" wunderbare Bücher über das Recht – beispielsweise die "Geschichte des Rechts". Als Verfassungsrichter oder Justizsenator hätte Prantl ihn gern gesehen: "Gescheit und links, aber nicht doktrinär".
Das Letzte zum Schluss
Zwilling vor Gericht: Statt einem teilgeständigen Gewalttäter wird dessen Zwillingsbruder angeklagt. Der erscheint vor Gericht, sein Anwalt protestiert, die Richterin sieht den Fehler ein. Dennoch lassen sie die Zeugen aussagen, die den falschen Zwillingsbruder belasten - und drohen ihnen wegen Verletzung der Wahrheitspflicht. Am Ende wird der Angeklagte freigesprochen. Über die Justizposse berichtet der beteiligte Anwalt Lars Nozar auf seinem Blog drnozar.blogspot.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. bis 4. Februar 2013: Finanzausgleich wird angegriffen – Anwaltshonorare werden erhöht - Zwillingsbruder wurde freigesprochen . In: Legal Tribune Online, 04.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8091/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag