Der Steuer-Streit geht in die nächste Runde, die Medien rätseln, ob die Justizministerin den Ankauf von Daten-CDs verbieten will. Auf die Beschneidungs-Debatte folgt die Ohrloch-Debatte und der Porno-Pranger im Internet wurde vorerst verhindert. Außerdem in der Presseschau: BVerfG zu Nazi-Demo, Entschädigung für Justizopfer und Diebe mit erstaunlichen Vorlieben.
Steuer-Streit: Will Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Ankauf von Steuer-Daten verbieten oder nicht? Das fragten sich die Medien am Montag, nachdem unter anderem spiegel.de berichtet hatte, Leutheusser-Schnarrenberger unterstütze einen Gesetzentwurf des hessischen Justizministers Jörg-Uwe Hahn, mit dem Datenhehlerei verboten werden soll. Die Montags-taz (Christian Rath) weist darauf hin, dass es in dem Gesetzentwurf lediglich um den privaten Ankauf von Daten gehe, so dass der Ankauf von Steuer-CDs durch die Finanzbehörden nicht darunter falle. In einem Bericht der Montags-SZ (Daniela Kuhr) wird die Ministerin mit den Worten zitiert, das Bundesjustizministerium prüfe dennoch, "wie eine Regelung gegen den Ankauf illegal erlangter Steuerdaten ausgestaltet werden könne", weil es sich dabei um einen "hochproblematischen Graubereich" handele.
In einem gesonderten Kommentar kritisiert Daniela Kuhr (SZ), das von der Justizministerin bevorzugte Steuerabkommen sei nicht effektiv. Christian Rath (taz) plädiert dafür, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, die den Steuerfahndern den Datenankauf ermöglicht. Im Leitartikel der FTD heißt es, der juristische Graubereich sei "akzeptabel", solange der Staat "nicht zum Rechtsbruch anstiftet oder Bankmitarbeiter wie Agenten führt".
Weitere Themen – Rechtspolitik
Rundfunkgebühren: Thomas Stadler (internet-law.de) erläutert die Argumente des Juristen Ermano Geuer, der vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen die Neuregelung der Rundfunkgebühren klagt.
Frauen-Quote: Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat ihren Gesetzentwurf für eine Frauenquote in Aufsichtsräten vorgestellt. Einen Überblick gibt zeit.de.
Weitere Themen - Justiz
BVerfG zu Nazi-Demo: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat das Verbot einer Neonazi-Demonstration in Dortmund bestätigt. Laut Samstags-taz (Pascal Beucker), handelt es sich bei der als "Nationaler Antikriegstag" bezeichneten Veranstaltung um einen der bundesweit bedeutensten Aufmärsche, der bereits zum achten Mal statt finden sollte. Der Verwaltungsjurist Alfred Scheidler erklärt auf lto.de, warum das Verbot anders als in den letzten Jahren nicht vom Verfassungsgericht aufgehoben wurde: Veranstalter war ein Führungsmitglied der rechtsextremen Gruppe "Nationaler Widerstand Dortmund", die im August vom nordrhein-westfälischen Innenministerium verboten worden war.
Ohrlöcher bei Kindern: Die Eltern einer Dreijährigen haben vor dem Amtsgericht Berlin-Lichtenberg von einem Tattoo-Studio Schmerzensgeld für das Kind verlangt, weil das Mädchen beim Stechen der Ohrlöcher Schmerzen erlitten habe und ein Ohrloch nicht an der vorgesehenen Stelle gestochen worden war. Der Prozess endete mit einem Vergleich, wonach das Kind 70 Euro erhält. Der Vorsitzende Richter hat sich während der Verhandlung auch auf das Urteil des Landgerichts Köln zur religiösen Beschneidung von Jungen bezogen, und erklärte, er werde den Fall "wahrscheinlich" an die Staatsanwaltschaft übergeben, die klären müsse, ob die Studio-Inhaber eine Körperveretzung begangen haben. Von dem Verfahren berichten die Samstags-taz (Elisabeth Gamperl) und die FAS (Christiane Hoffmann).
Wie die FAS (Sonja Süss) berichtet, fordert der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte bereits seit Jahren eine gesetzliche Regelung. Im Petitionsausschuss des Bundestages sei vor zwei Jahren eine entsprechende Petition abgelehnt worden. Tanjev Schultz (Montags-SZ) warnt vor Paternalismus und fragt: "Wie weit sollen der Staat und das Strafrecht denn noch gehen?"
Beschneidung von Jungen: In einem Gastbeitrag für verfassungsblog.de führt Mark Swatek-Evenstein ein neues Argument in der Debatte um die religiöse Beschneidung von Jungen aus. Demnach sei fraglich, ob die Entscheidung des Landgerichts Köln mit dem Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz" vereinbar sei. Historisch betrachtet gehöre die Beschneidung zumindest in ihrer jüdischen Variante zum deutschen "ordre public" und sei von der Religionsfreiheit geschützt.
Europäische Integration: In einem Gastbeitrag für die FAS befasst sich Jo Leinen, Mitglied der SPD-Fraktion des Europäischen Parlaments, mit der Frage der europäischen Integration. Er beleuchtet die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts und fordert weniger Europa-Skepsis und mehr "Leitplanken für den Weg zu einer Politischen Union". Eine Volksabstimmung sei für die Euro-Rettung nicht erforderlich.
Bundeswehreinsatz im Innern: Mit ihrem Urteil zum Bundeswehreinsatz im Inland, hätten die Verfassungsrichter eine "heilige Kuh geschlachtet", schreibt die Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh in einem Gastkommentar für die Samstags-SZ. Das Verfassungsgericht habe "Angst gezeigt" und die Rechtslage verschlechtert, ohne die Sicherheitslage zu verbessern.
Porno-Pranger: Die Regensburger Kanzlei U+C wird vorerst keine Liste von erfolglos abgemahnten Porno-Konsumenten ins Netz stellen. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat die Veröffentlichung per Anordnung untersagt. Zudem erzielte ein Dortmunder Anwalt vor dem Landgericht Essen eine einstweilige Verfügung, die die Veröffentlichung des Namens seiner Mandantin untersagt. spiegel.de (Judith Horchert) gibt einen Überblick über den Fall.
Ermittlungen gegen Zschäpe: Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog) erläutert die Argumente der Verteidiger von Beate Zschäpe, die eine Entlassung ihrer Mandantin aus der Untersuchungshaft fordern. Eine Entscheidung des Bundesgerichshofes dazu wird in in den nächsten Wochen erwartet.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA - Apple vs. Samsung: Nachdem Apple vor einer Woche ein Urteil gegen den Konkurrenten Samsung erstritten hat, stellte der Konzern nun bei dem gleichen US-amerikanischen Gericht in San José den Antrag, vier weitere Samsung-Produkte wegen Patentrechtsverletzungen zu verbieten. Das meldet spiegel.de. Axel Postinett (Handelsblatt) kritisiert, das "Geschacher" vor diversen Gerichten schade dem Ansehen der Justiz, das regionale Recht sei den globalen Märkten nicht gewachsen. Er fordert eine weltweite Harmonisierung des Patentrechts.
USA – UBS-Banker drohen Haftstrafen: Drei ehemaligen Mitarbeitern der Schweizer UBS-Bank drohen hohe Haftstrafen. Die Jury des Gerichts in New York sah es als erwiesen an, dass die Banker den amerikanischen Staat um mehrere Millionen Dollar betrogen hatte. Das Strafmaß stehe noch nicht fest, heißt es in einer Meldung auf spiegel.de.
Großbritannien - Beresowski vs. Abramowitsch: Der Londoner High Court hatte in einem Streit der russischen Milliardäre Boris Beresowski und Roman Abramowitsch zu entscheiden. Die Richter wiesen die Klage Beresowskis ab, der von Abramowitsch eine Zahlung von rund 5,5 Milliarden US-Dollar verlangt hatte. Die Hintergründe des Prozesses schildert Die Welt (Julia Smirnova).
Südafrika – Minen-Arbeiter: Nachdem bei einem Streik in einer südafrikanischen Mine 34 Arbeiter von der Polizei getötet worden waren, hatte die Staatsanwaltschaft gegen die überlebenden 270 Arbeiter eine Anklage wegen Mordes erhoben. Nun soll die Anklage "vorläufig zurückgezogen" werden, so spiegel.de.
Weiteres
Justizopfer: Die Samstags-SZ (Silke Bigalke) befasst sich mit dem Umgang mit Justizopfern in der Bundesrepublik. Unschuldig Inhaftierten werde mit 25 Euro am Tag sehr viel weniger Entschädigung gezahlt, als in anderen europäischen Ländern. Nach einer Umfrage der Zeitung zahlten die Bundesländer 2011 etwa 1,2 Millionen Euro Entschädigung für mehr als 47.000 Tage, die Unschuldige in Haft verbrachten. Thüringen, Sachsen und Baden-Württemberg machten dabei keine Angaben.
Deutscher Notartag: Vom 28. Deutschen Notartag in Köln berichtet Martin W. Huff für lto.de. Der Präsident der Bundesnotarkammer, Timm Starke, wandte sich in seiner Eröffnungsrede gegen Überlegungen der EU-Kommission, die EU-Richtlinie über die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen auch auf Notare anzuwenden.
Kölner Anwaltverein: Vom Festakt zum 125-jährigen Jubiläum des Kölner Anwaltvereins berichtet lto.de (Pia Lorenz).
Chef-Jurist der Deutschen Bank: Den neuen Leiter der Rechtsabteilung der Deutschen Bank, Rechtsanwalt Christof von Dryander, porträtiert die FAZ (Corinna Budras).
Das Letzte zum Schluss
Skurrile Diebstähle: Eine Reihe missglückter Diebstähle, die in der letzten Woche die Polizei beschäftigten, stellt spiegel.de vor. So kippte ein Unbekannter 13 Tonnen gestohlene Kartoffeln auf eine Straße und ein anderer entwendete 22 einzelne Schuhe.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. bis 3. September 2012: Steuerdaten-Kauf – Ohrloch-Prozess – Internet-Pranger . In: Legal Tribune Online, 03.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6980/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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