Jetzt kann man bei Google sein Leben bereinigen lassen, jedenfalls gibt es ein Formular dafür. Derweil will der Bundesnachrichtendienst technisch aufrüsten und der Generalbundesanwalt vielleicht doch gegen die NSA ermitteln. Außerdem in der Presseschau: Bei der Europawahl war eine doppelte Stimmabgabe wohl leicht möglich und ein spanischer Verfassungsrichter, der ohne Helm und betrunken Motorrad fuhr.
Thema des Tages
Recht auf Vergessen: Google setzt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs um und stellt nun ein Online-Formular zur Verfügung, mit dem Anträge auf Löschung von bestimmten personenbezogenen Einträgen in den Google-Suchlisten gestellt werden können. Gleich am ersten Tag gingen 12.000 Anträge ein, meldet der Spiegel. Die Hintergründe beschreibt unter anderem die Samstags-taz (Svenja Bergt). Die Samstags-Welt (Benedikt Fuest) hat Fragen und Antworten aus Verbraucher-Sicht zusammengestellt.
Internet-law.de (Thomas Stadler) kritisiert, dass Google die Übersendung einer Ausweiskopie verlangt. Dies sei nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover unzulässig. Inzwischen ist Google hiervon wieder abgerückt, wie lawblog.de (Udo Vetter) in einem Nachtrag meldet.
Rechtspolitik
BND will NSA nacheifern: Der Bundesnachrichtendienst plant eine "Strategische Initiative Technik", die den Dienst unter anderem befähigen soll, soziale Netzwerke im Ausland live auszuwerten. Dies berichtete die Samstags-SZ (John Goetz/Hans Leyendecker/Frederic Obermeyer) auf ihrer Titelseite.
Heribert Prantl (Montags-SZ) kritisiert: "Während der Bundestag im Untersuchungsausschuss den verfassungsgefährdenden Praktiken von NSA & Co nachgeht und überlegt, was dagegen zu tun ist, will der BND diese Praktiken übernehmen. Würde dies finanziert und genehmigt: Es wäre ein Akt von politischer Bewusstseinsspaltung." Christian Rath (Badische Zeitung) findet es "spannend, wie die Öffentlichkeit reagiert, wenn sich der BND in – sagen wir – Ägypten bald so aufführen sollte, wie die NSA bei uns. Empören sich die Deutschen dann über die verletzte Privatsphäre der Ägypter? Und falls nicht, warum sollen sich die Amerikaner für unsere Privatsphäre interessieren?"
Mindestlohn und Pressefreiheit: Ex-Verfassungsrichter Udo di Fabio hat in einem Gutachten für den Verband der Zeitungsverleger den geplanten Mindestlohn untersucht, der auch für Zeitungszusteller gelten soll. Im Interview mit dem Handelsblatt (Frank Specht) erläutert er seine Kritik: "Ich kann nicht erkennen, dass man sich politisch mit den besonderen Bedingungen der Presse auseinandersetzt, wenn man sich bei der Einführung des Mindestlohns dem Dogma verschreibt, es dürfe keine Ausnahmen geben."
Betreuungsrecht: Die Große Koalition will das Betreuungs- und Vormundschaftsrecht reformieren. Dabei soll geprüft werden, "ob und wie eine Konkretisierung der Qualitätsanforderungen an die Betreuer" möglich ist, berichtet die Samstags-FAZ (Cornelia von Wrangel/Eckart Lohse) unter Bezug auf das Justizministerium. In einem separaten Beitrag schildert die Samstags-FAZ (Cornelia von Wrangel), wie wenig jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen um das Betreuungsrecht für eine demente Frau mit deren Bedürfnissen zu tun hatten.
Unterhaltsrecht: Die Große Koalition erwägt eine Änderung des Unterhaltsrechts zugunsten von Vätern, die viel Zeit mit ihren Kindern verbringen, berichtet die Montags-taz (Heide Oestreich). Bisher müssen solche Väter fast den vollen Unterhalt zahlen. Auch die Grünen und Teile der Linken seien für eine Reform.
Radfahrer und Alkohol: Eine Studie hat ergeben, dass viele Radfahrer selbst mit 1,6 Promille Alkohol im Blut noch recht sicher fahren, meldet der Spiegel (Guido Kleinhubbert). Rechtlich gelten sie bisher bei diesem Alkoholpegel als "absolut fahruntüchtig". Bund und Länder überlegen eigentlich, diesen Wert abzusenken. Auch blog.beck.de (Bernd von Heintschel-Heinegg) schildert das Problem.
EU-Datenschutz: netzpolitik.org (Benjamin Bergeman) gibt einen Überblick über den Verhandlungsstand zur geplanten EU-Datenschutz-Grundverordnung. Nach wie vor können Verhandlungen zwischen Ministerrat und EU-Parlament nicht beginnen, weil der Rat sich noch nicht auf eine gemeinsame Position geeinigt hat.
Strafvollzugsgesetz NRW: Die Rechtswissenschaftler Christine M. Graebsch und Sven-U. Burkhardt kritisieren auf lto.de die geplante Reform des NRW-Strafvollzugsgesetzes. Dass Opfer von Straftaten künftig einen Anspruch auf Information über den neuen Wohnort des Täters haben, könne die Re-Integration des entlassenen Täters erschweren. Gefangene hätten leider auch künftig keinen Anspruch auf Vollzugslockerungen wie Ausführungen, sondern nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung.
TTIP: Die FAS (Lena Schipper) verteidigt den Investitionsschutz im geplanten Freihandelsabkommen TTIP. Bei Klagen vor internationalen Schiedsgerichten gehe es meist um Maßnahmen der Exekutive, nicht um Gesetze. Die USA und die EU wollten Gesetze zum Umwelt- oder Verbraucherschutz als Grundlage für Klagen zudem explizit ausschließen.
Justiz
GBA und NSA-Spionage: Nachdem vorige Woche die SZ, der NDR und WDR gemutmaßt hatten, dass Generalbundesanwalt Harald Range kein Ermittlungsverfahren wegen der Überwachung des Merkel-Handys einleiten werde, schreibt nun der Spiegel (Herbert Gude, Jörg Schindler, Fidelius Schmidt, Zusammenfassung), Range "tendiere zu einem Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Spähangriff des amerikanischen Militärgeheimdienstes NSA auf das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel". Christian Rath (Montags-taz) kommentiert: "Egal wie sich Range am Ende entscheidet: Inzwischen sind immer mehr die Zögerlichkeit und Unentschlossenheit des Generalbundesanwalts zum eigentlichen Thema geworden."
Der Focus meldet, dass Range aus Wut über die unterbleibenden Ermittlungen inzwischen Morddrohungen erhalte. Die Samstags-FAZ (Reinhard Müller) analysiert die "eher theoretische" Möglichkeit von Justizminister Heiko Maas (SPD), den Generalbundesanwalt anzuweisen. "Es würde sofort als Eingriff der Politik in die Unabhängigkeit der Justiz kritisiert - möglicherweise als Erstes von den Oppositionspolitikern, die Range und Maas vor sich her treiben."
LG München zu Siemens-Korruption: Das Landgericht München I hat das frühere Siemens-Vorstandsmitglied Uriel Sharef vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Es sei nicht erwiesen, dass er von Siemens-Schmiergeldvereinbarungen und schwarzen Kassen in Argentinien wusste. Die Vorsitzende Richterin kritisierte die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Diese kündigte Revision an. Es berichteten die Samstags-SZ (Christoph Giesen) und die Samstags-FAZ (Rüdiger Köhn).
LG Bielefeld zu Tönnies-Konzern: Clemens Tönnies verliert sein doppeltes Stimmgewicht im Schlachtkonzern Tönnies. Es sei nie richtig notariell eingetragen gewesen, entschied das Landgericht Bielefeld auf Klage des Neffen Robert Tönnies, dem die andere Hälfte des Konzerns gehört. Dies berichten die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) und das Handelsblatt (Christoph Schlautmann).
AG Pirna - rassistische Gewalt: In dieser Woche wird am Amtsgericht Pirna über einen Fall möglicherweise rassistischer Gewalt verhandelt, den der Spiegel (Lena Kampf) schildert. In Bad Schandau wurde ein 16-jähriger Schüler mit leicht asiatischem Aussehen von drei jungen Männern aus dem rechtsradikalen Milieu zusammengeschlagen. Sie hatten sich Zutritt zur Jugendherberge verschafft, in der sich die Schüler auf einer Klassenfahrt befanden. Die Staatsanwaltschaft konnte keinen politischen oder rassistischen Hintergrund erkennen.
NS-Prozesse und DDR-Hilfe: Die FAS (Jochen Staadt) schildert, wie die DDR manche Prozesse zur Aufarbeitung von NS-Unrecht in der Bundesrepublik behinderte. So ließ sie etwa Zeugen nicht ausreisen, die selbst in NS-Verbrechen verwickelt gewesen waren, im Osten aber keine Strafe erhalten hatten. Außerdem habe die DDR Akten des Volksgerichtshofs teilweise zurückgehalten, damit zum Beispiel der dort von Kommunisten verübte Verrat nicht bekannt würde.
Recht in der Welt
USA - Rekordbuße für BNP Paribas: Nach US-Medienberichten will US-Justizminister Eric Holder gegen die französische Bank BNP Paribas eine Geldbuße in Höhe von zehn Milliarden Dollar verhängen. Die Bank habe Sanktionen gegen den Iran, Kuba und den Sudan unterlaufen. Die Montags-SZ (Nikolaus Piper) beschreibt den Hintergrund. Christian Schubert (Samstags-FAZ) hatte kommentiert: "Es gibt Grenzen in der Bestrafung, bei deren Überschreiten dann doch der Verdacht aufkommt, dass andere als nur juristische Ziele gelten. Wird hier ein ausländischer Wettbewerber ohne Lobby zu einem leichten Opfer? Soll ein europäischer Finanzplatz geschädigt werden?"
USA - No Fly-Liste: zeit.de (Wolf Wiedmann-Schmidt) schildert ausführlich den Fall der malaysischen Wissenschaftlerin Rahinah Ibrahim. Sie hatte in den USA promoviert und war dann versehentlich auf eine No Fly-Liste geraten. Es dauerte neun Jahre, bis ein US-Gericht entschied, dass die Einstufung der Frau ein schwerer Fehler war - "vergleichbar mit einem Chirurgen, der versehentlich das falsche Körperteil amputiert."
Indien -Transsexualität: Die Samstags-FAZ (Michael Radunski) beleuchtet umfassend die Hintergründe eines Urteils des indischen Obersten Gerichtshofs, der vor einigen Wochen Transsexualität als ein drittes Geschlecht anerkannt habe. Gemeint seien "alle, die in ein Geschlecht hineingeboren werden, später aber durch Operation, Kleidung oder Make-up die äußerlichen Merkmale des anderen Geschlechts angenommen haben oder die schlicht das Leben des anderen Geschlechts führen".
Sonstiges
Europawahl: Nach Recherchen des Spiegel (Melanie Ammann u.a. - Zusammenfassung) wird bei Europawahlen zu wenig kontrolliert, ob EU-Bürger doppelt abstimmen. Hans-Jürgen Papier, der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, meint gar, dass die Europawahl ungültig sein könnte, wenn derartiges millionenfach vorkomme. Zumindest müsse die Wahlorganisation verändert werden.
Kriminalstatistik: Am Mittwoch will Innenminister Thomas de Maizière die neue polizeiliche Kriminalstatistik vorstellen. Die Wams (Martin Lutz) beschäftigt sich vorab mit der Einbruchskriminalität, die um 3,9 Prozent auf den höchsten Wert der letzten 15 Jahre gestiegen sei. Insgesamt weise die Kriminalstatistik jedoch einen Rückgang der Straftaten um 0,6 Prozent aus.
Handy im Auto: Der Verkehrsrechtler Adolf Rebler hat für lto.de zusammengestellt, was Autofahrer während der Fahrt mit ihrem Mobiltelefon machen dürfen und was nicht.
Das Letzte zum Schluss
Verfassungsrichter ohne Helm: Vor den Augen von Polizisten fuhr der spanische Verfassungsrichter Enrique Lopez mit seinem Motorrad bei Rot über die Kreuzung. Wie spiegel.de meldet, war der Richter zudem noch betrunken und trug nicht einmal einen Helm.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 31. Mai - 2. Juni 2014: Ein Formular zum Vergessen - BND will NSA nacheifern - Range weiß nicht, was er will . In: Legal Tribune Online, 02.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12138/ (abgerufen am: 20.05.2024 )
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