Anwalt im Visier? Erst hat der niedersächsische Verfassungsschutz Journalisten bespitzelt, nun offenbar auch deren Anwalt. Außerdem in der Presseschau: BVerfG nimmt sich eines Bußgeldbescheides an, BPatG verwirft ein Apple-Patent, die Internationale Strafjustiz stößt an ihre Grenzen - und warum man beim Vaterschaftstest nicht schummeln sollte.
Thema des Tages
Verfassungsschutz überwacht Anwalt: Der niedersächsische Verfassungsschutz hat nach einem Bericht der taz (Andreas Speit) auch den Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam möglicherweise rechtswidrig bespitzelt. Zuvor war bekannt geworden, dass die Verfassungsschützer Daten über mindestens sieben Journalisten gesammelt hatte – zwei von ihnen, Kai Budler und Andrea Röpke, werden von Adam vertreten. Der Vorsitzende des Republikanischen Anwaltvereins, Martin Heimig, forderte, den Fall aufzuklären und zu prüfen, ob weitere Anwälte überwacht wurden.
Rechtspolitik
Unternehmensstrafrecht: Im Gastkommentar für das Handelsblatt kritisiert der Rechtsanwalt Christian Harmsen die Initiative Nordrhein-Westfalens für ein Unternehmensstrafrecht. Es widerspreche dem Schuldprinzip, wenn nicht nur die Vertreter – etwa der Geschäftsführer oder die Vorstände - sondern die Unternehmen selbst gestraft würden. Den Vorschlag, bei schweren Verstößen auch die Auflösung des Unternehmens vorzusehen, lehnt er scharf ab: "Für natürliche Personen hingegen ist die Todesstrafe abgeschafft".
Justiz
EuGH - EMRK-Beitritt der EU: Auf verfassungsblog.de führt Thomas Streinz die Debatte über den geplanten Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention fort. Der Entwurf des Übereinkommens wird derzeit vom Europäischen Gerichtshof geprüft. Dabei geht es vor allem um die Frage, inwiefern die EU oder die Mitgliedstaaten bei Klagen der richtige Beschwerdegegner sind und in welchen Fällen sie jeweils als "Mit-Beschwerdegegner" gelten. Streinz spricht sich gegen neue Verhandlungen aus und nimmt an, der Europäische Gerichtshof könne die Pläne insgesamt für primärrechtskonform erklären und strittige Punkte klarstellen.
BVerfG zu Bußgeldbescheid: Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) weist auf eine Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom August hin. Dabei ging es um einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr - die Kammer gab der Beschwerdeführerin recht, die sich gegen eine willkürliche Verfahrenseinstellung wehrte, bei der sie die Anwaltskosten tragen musste. Das sei "keine Bagatelle", so Steinbeis, "wenn darüber der Eindruck entsteht, Justiz und Verwaltung stünden in Einheit fest, um die Staatskasse auf Kosten der Bürger zu schonen".
Bundespatentgericht zu Apple-Patent: Das Bundespatentgericht hat ein Apple-Patent zur Touchscreen-Bedienung verworfen, weil der iPhone-Prototyp bereits vor der Patentanmeldung vom damaligen Apple-Chef Steve Jobs öffentlich vorgestellt wurde. Das berichtet die FAZ (Corinna Budras). Geklagt hatten die Apple-Konkurrenten Motorola und Samsung. Apple kann nun den Bundesgerichtshof anrufen.
Landgericht Berlin zu Wohnungskündigung: Eine Zweitwohnung in Berlin, um die Tochter zu besuchen – auch das kann ein "Eigenbedarf" und damit ein Kündigungsgrund für den Vermieter sein. Über die Entscheidung des Landgerichts Berlin, die von der bisher strengeren Rechtssprechung abweiche, berichtet die SZ (Thomas Öchsner). Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen. Die Mieterin will Nichtzulassungsbeschwerde einlegen, der Deutsche Mieterbund geht davon aus, dass Grundsatzfragen geklärt werden müssen.
Jobcenter gegen Niedriglöhne: Die FAZ (Corinna Budras/Sven Astheimer) berichtet, wie Jobcenter gegen sittenwidrige Löhne klagen, damit die Arbeitgeber entsprechende Hartz-IV-Aufstockleistungen zurück erstatten. Zuletzt hatte das Jobcenter Uckermark vor dem Arbeitsgericht Eberswalde gegen Stundenlöhne von unter drei Euro für Pizza-Fahrer geklagt und Recht bekommen.
Verkauf von Markenartikeln: Dürfen Markenhersteller ihren Vertriebspartnern Vorgaben zum Vertrieb machen – und so zum Beispiel verbieten, dass hochwertige Schulranzen über Internetplattformen verkauft werden? Das Kammergericht Berlin hatte das in einem Urteil vom September abgelehnt, die Oberlandesgerichte Karlsruhe und München waren anderer Ansicht. Der Rechtsanwalt Olaf Wolters erläutert auf lto.de die widersprüchlichen Entscheidungen und hofft auf Klärung durch den Bundesgerichtshof.
LG Aschaffenburg – Betrugsvorwürfe gegen Arzt: Ein bekannter Gynäkologe muss sich ab Mittwoch vor dem Landgericht Aschaffenburg wegen gewerbsmäßigen Betruges verantworten. Der Chefarzt sieht sich als Opfer einer Vernichtungskampagne, angezettelt von einem Kollegen. Die Welt (Tim Röhn) berichtet über die umfangreichen und verworrenen Ermittlungen, in denen es anfangs um ärztliche Kunstfehler und Körperverletzung mit Todesfolge ging, am Ende jedoch um angebliche falsche Abrechnungen.
Ferrostaal Schmiergeldaffäre: Das Handelsblatt (Martin Murphy/Markus Fasse) führt ein Interview mit dem ehemaligen Ferrostaal-Chef Matthias Mitscherlich. Es geht um die Schmiergeldaffären, die dazu führten, dass 2011 gegen zwei Ferrostaal-Führungskräfte Bewährungsstrafen verhängt wurden. Die Ermittlungen gegen Mitscherlich wurden gegen ein Bußgeld eingestellt. Mitscherlich kritisiert das Vorgehen der Staatsanwaltschaft und wehrt sich gegen Korruptionsvorwürfe.
Recht in der Welt
Internationale Strafjustiz: Rudolf Walther (SZ) bespricht einen Essay des britischen Völkerrechtlers William A. Schabas zur Internationalen Strafjustiz. Schabas zeige darin, dass der Internationale Strafgerichtshof zwar unabhängig, aber nicht politisch neutral ermitteln könne. Zudem wirkten Strafurteile nicht unbedingt friedensfördernd – stattdessen könnten Bürgerkriegsparteien in Kommissionen zur Wahrheitsfindung eingebunden werden.
Italien – Amanda Knox: Auch die SZ (Andrea Bachstein/Anne-Nikolin Hagemann) berichtet über den heute in Florenz beginnenden vierten Mordprozess gegen Amanda Knox und Raffaele Sollecito. Sie sollen im November 2007 in Perugia zusammen mit einem dritten – bereits verurteilten – Täter die Studentin Meredith Kercher getötet haben.
USA – Prozesse gegen Autozulieferer: Wie die US-amerikanische Justiz weltweit Preisabsprachen unter Autozulieferen verfolgt, schildert die SZ (Christoph Neidhart). Vor allem japanische, aber auch deutsche Unternehmen ständen dabei im Fokus der Ermittlungen.
Das Letzte zum Schluss
Verwechselspiel beim Vaterschaftstest: Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat zwei Brüdern Geldstrafen aufgebrummt, weil sie beim Vaterschaftstest geschummelt haben. Er habe zwar "von Anfang an gesehen, dass das mein Kind ist", wird der jüngere der beiden in dem Bericht der taz-berlin (Uta Eisenhardt) zitiert, habe aber wegen Ärger mit der Mutter "einen auf stur gemacht". Zum Vaterschaftstest ging sein Bruder - die Sache flog allerdings auf.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. Oktober 2013: Anwalt bespitzelt – Apple-Patent verworfen – IStGH in der Kritik . In: Legal Tribune Online, 01.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9710/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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