Brauchen wir ein Strafrecht für Alte? Müssen muslimische Mädchen zum gemeinsamen Schwimmuntericht? Täuscht Apple die Verbraucher? Und was passiert im Vatileaks-Prozess gegen den Kammerdiener des Papstes? Um diese und andere Fragen geht es in der heutigen Presseschau. Zum Schluss ist jedenfalls klar: Von iPhones und iPads sollten Diebe besser die Finger lassen.
Alterstrafrecht: "Brauchen wir ein Alterstrafrecht?" fragt Gisela Friedrichsen im Spiegel. Sie schildert den Fall eines 82-Jährigen, der seine schwerkranke Frau tötete und erklärte, sie sei lebensmüde gewesen. Das Landgericht Mannheim verurteilte den Mann wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren, lehnte eine Verurteilung wegen Tötung auf Verlangen jedoch ab, weil die Frau nicht eindeutig erklärt hatte, dass sie sterben wollte. Friedrichsen schildert ausführlich die Vorgeschichte des Falls und nimmt an, in einer solchen langjährigen Ehe bedürfe es "nicht einmal eines Blickes, um zu wissen, was der andere will". Möglicherweise müsse analog zum Jugendstrafrecht ein Alterstrafrecht geschaffen werden, das berücksichtige, dass viele alte Menschen "nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte" seien.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Beschneidung von Jungen: Die Debatte um das Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums zur Beschneidung von Jungen hält an. Die FAS (Sonja Süss) sammelt Kritik von Parteipolitikern, Ärzten und den Strafrechtlern Holm Putzke und Reinhard Merkel. In der Außenansicht der Montags-SZ kritisiert Claudia Wiesemann, Historikerin und Mitglied des Ethikrates, dass der Wille des Kindes nicht ausreichend berücksichtigt werde.
Weitere Themen - Justiz
Ermittlungen gegen Wulff: Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, ist ein neuer Vorwurf bekannt geworden. Wie der Spiegel (Michael Fröhlingsdorf/Hubert Gude/Martin U. Müller) berichtet, soll Wulff versucht haben, für seinen Freund, den Filmproduzenten David Groenewald, Sponsorengelder bei Siemens einzuwerben. Auf spiegel.de gibt es dazu eine Vorabmeldung. Auch die Montags-SZ (Jens Schneider) berichtet.
BAG zu wettbewerbswidrigem Verhalten: Der Rechtsanwalt Paul Melot de Beauregard erläutert auf dem Handelsblatt Rechtsboard, warum die Schadensersatzklage eines Straßenbauunternehmens gegen einen Konkurrenten gescheitert ist, der sich wettbewerbswidrig verhalten hatte. Demnach habe das Unternehmen nicht den konkreten Schaden nachweisen können. In dem Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht ging es um eine Summe von 46 Millionen Euro.
VGH Hessen zu Schwimmunterricht: Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Festellungsklage eines muslimischen Mädchens abgewiesen, das sich geweigert hatte, gemeinsam mit Jungen am Schwimmunterricht teilzunehmen. Die Richter erklärten, die damals Elfjährige habe keine Freistellung verlangen können, es sei ihr zuzumuten, zum Schwimmen einen Burkini zu tragen. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen. Die Welt berichtet über diese und ähnliche Entscheidungen zum koedukativen Schwimmunterricht.
LG Köln zu Tagesschau-App: Nachdem das Landgericht Köln die Verbreitung der Tagesschau-App vom 15. Juni 2011 untersagt hat, kritisiert Reinhard Mohr in Der Welt, dass ARD und ZDF die "Signalwirkung" des Urteils ignorieren würden. Die Sender müssten sich künftig auf audiovisuelle Angebote beschränken.
AG Stuttgart zu Porto/Bordeaux: Den Fall einer Sächsin, die im Reisebüro ein Flugticket nach Bordeaux statt nach Porto erhält, bespricht der BGB-Professor Roland Schimmel auf lto.de für Jura-Erstsemester als Klassiker zur Problematik der Willenserklärung. Das Amtsgericht Stuttgart hatte zuvor entschieden, dass das Reisebüro für das Missverständnis nicht haftet – habe dabei allerdings stets von "Bourdeaux" statt von "Bordeaux"gesprochen.
Mordfall Arzu Ö.: Die Staatsanwaltschaft Detmold hat gegen die Eltern der ermordeten Arzu Ö. Anklage wegen Anstiftung zum Mord, Beihilfe zur Geiselnahme und unterlassener Hilfeleistung erhoben. Das meldet spiegel.de. Zuvor waren fünf Geschwister der 18-Jährigen zu langen Haftstrafen verurteilt worden, Hintergrund des Mordes war die Beziehung der kurdischen Arzu Ö. zu einem Deutschen.
EU-Kommissarin rügt Apple: Die EU-Justizkomissarin Viviane Reding hat bekannt gegeben, dass Apple-Verkäufer offenbar versäumten, Kunden über die zweijährige EU-rechtliche Gewährleistung für Produktmängel zu informieren. Darüber und über weitere Vorwürfe von Verbraucherschützern zur Garantiepolitik von Apple berichtet focus.de. In einem Leitartikel der FTD wird kritisiert, dass das Verbraucherrecht der Mitgliedstaaten zu unübersichtlich sei.
GEZ schreibt Behinderte an: Die Montags-taz (Nicolas Weisensel) berichtet über angeblich gehäuft auftretende Fälle, in denen die Gebühreneinzugszentrale behinderte Bewohner von Pflegeheimen zur Zahlung von Rundfunkgebühren aufforderte, obwohl deren gesetzlicher Vertreter zuständig sei. Schwerbehinderte können sich von der Gebühr befreien lassen, wenn sie oder ihr gesetzlicher Vertreter einen entsprechenden Antrag stellen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Vatikan - Vatileaks-Prozess: Über den Prozess gegen den früheren Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, berichten die SZ (Andrea Bachstein) und zeit.de. Gabriele wird vorgeworfen, vertrauliche Dokumente gestohlen und an die Medien weitergegeben zu haben. Er soll am Dienstag aussagen, das Urteil könnte schon Ende der nächsten Woche bekannt gegeben werden.
China – Bo Xilai: Das chinesische Politbüro will nun auch den Politiker Bo Xilai vor Gericht bringen, ihm werden mehrere schwere Vergehen vorgeworfen, darunter "Machtmissbrauch, Korruption und sexuelle Ausschweifungen", so die Samstags-FAZ (Petra Kolonko). Zuvor war Bo Xilais Ehefrau Gu Kailai wegen Mordes an einem englischen Geschäftsmann verurteilt worden. Bernhard Bartsch (FR) kommentiert, der Prozess habe "mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun".
USA - Mohammed-Filmemacher festgenommen: Der Produzent des umstrittenen Mohammed-Films, Nakoula Basseley Nakoula, ist in Los Angeles verhaftet worden. Allerdings ermittele die Staatsamwaltschaft nicht wegen des Inhalt des Films, sondern weil Nakoula möglicherweise gegen Bewährungsauflagen verstoßen habe, als er das Video ins Internet stellte, so spiegel.de (Marc Pitzke). Der wegen Bankbetrugs verurteilte Nakoula dürfe Computer und Internet nur mit Einwilligung seines Bewährungshelfers nutzen.
USA – Beschneidungsdebatte: Wie in New York über die Beschneidung von Jungen debattiert wird, schildert die FAS (Matthias Rüb). Dabei geht es um die "Metzitzah B'peh", einen Brauch einiger ultra-orthodoxer Juden, bei dem der Beschneider austretende Blutstropfen mit dem Mund aufsaugt. Die Stadt New York hat eine Vorschrift erlassen, wonach Eltern in diesen Fällen über das Infektionsrisiko für das Baby aufgeklärt werden und eine schriftliche Einverständniserklärung unterschreiben müssen.
USA – Supreme Court: Die Montags-FAZ (Patrick Bahners) befasst sich auf der Zeitgeschehen-Seite mit dem US-Supreme Court, der heute zu einer mündlichen Verhandlung zusammen tritt. Das Gericht hat über die Klage einer Nigerianerin gegen den Ölkonzern Shell zu entscheiden, das Verfahren ist auf Grund des "Alien Tort Statutes" zuständig, das Zivilklagen von Ausländern bei Völkerrechtsverletzungen möglich macht.
Sonstiges
EZB-Rechtsabteilung überlastet: Wie die Samstags-FAZ (Stefan Ruhkamp) berichtet, hat der Leiter der Rechtsabteilung der Europäischen Zentralbank den Europäischen Gerichtshof um Aufschub in einem Verfahren um griechische Staatsanleihen gebeten. Wegen der Finanzkrise sei die Rechtsabteilung derzeit überlastet.
Rechtschutzversicherung fürs Internet: Der Versicherer Arag bringt eine Rechtschutzversicherung speziell für private Internetnutzer auf den Markt. Dazu die FTD (Anja Krüger).
Das Letzte zum Schluss
Unklaubares iPhone: Ein Mann hat ein iPhone geklaut – und sich dann selbst überführt, berichtet bild.de. Er fotografierte sich mit der Handykamera und bemerkte nicht, dass die Bilder automatisch an den Computer des Bestohlenen weitergeleitet wurden.
Unklaubares iPad: Mit Hilfe einer App, die das Gerät lokalisiert, ist auch ein iPad wieder bei seinem rechtmäßigen Besitzer angekommen. Der Dieb war Sicherheitsbeamter auf einem US-Flughafen – wie spiegel.de berichtet, kommt bei den Kontrollen öfter was weg.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. September bis 1. Oktober 2012: Strafrecht für Alte – Schwimmen für Muslimas – Schlappe für Diebe . In: Legal Tribune Online, 01.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7211/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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