Schreibt das Urteil des AG Düsseldorf im Mietstreit eines gekündigten Kettenrauchers Geschichte? Außerdem in der Presseschau: Leistungsschutzrecht in der Kritik, Schadensersatz für Winnenden-Opfer und -Angehörige, Ansichten zum Whistleblower-Schuldspruch aus den USA und das Ende einer geselligen Zusammenkunft.
Zuviel Rauch: Die Kündigung eines Mietverhältnisses aufgrund übermäßigen Zigarettengenusses erregte überregionale Aufmerksamkeit. Das Amtsgericht Düsseldorf entschied am Mittwoch zu Ungunsten des rauchenden Mieters.
Wie die taz (Pascal Beucker) schreibt, hat der Rentner nach Ansicht des Gerichts durch seinen Zigaretten-Konsum "die Grenzen des vertragsmäßigen Gebrauchs" erheblich überschritten und "das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme" durch den permanent im Treppenhaus wahrnehmbaren Zigarettenrauch verletzt. Die fristlose Kündigung sei daher rechtmäßig. Dem Beklagten sei auch zum Verhängnis geworden, dass seine Anwältin die von der klagenden Vermieterin behauptete "unzumutbare Belästigung" durch unterbliebene Lüftung der Wohnung nicht rechtzeitig bestritten hätte. Auch die FAZ (Reiner Burger) und die SZ (Bernd Dörries) berichten.
Die Rechtsanwältin Patricia Stelzer analysiert auf lto.de das Urteil. Ein Präzedenzfall sei wegen der Besonderheiten des Verfahrens nicht geschaffen worden, ohnehin müsse mit einer Berufung gerechnet werden. Nach ihrer Einschätzung dürfte der Rechtsstreit allerdings eine Vielzahl vergleichbarer Verfahren nach sich ziehen. Denn kaum ein Thema polarisiere die Öffentlichkeit derart wie das Rauchen. Gegenüber politischer Regulierungswut wäre "mehr gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz" wünschenswert.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Stromnetzgebühren: Das Handelsblatt meldet, dass nach einem Beschluss der Bundesregierung Großabnehmer von Strom künftig nicht mehr vollständig von den Gebühren für dessen Durchleitung befreit werden. Derartige Netzentgelte könnten bis zu einem Drittel des Industriepreises ausmachen. Wegen der bisherigen Praxis habe die EU-Kommission ein Verfahren wegen unerlaubter staatlicher Beihilfen eingeleitet, nach einem Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf vom März sei die Gebührenbefreiung außerdem wegen nicht ausreichender gesetzlicher Begründung nichtig.
Gebührenreform: Am heutigen Donnerstag tritt die Reform des Gebührenrechts in Kraft. Die taz (Anja Krüger) liefert Rechenbeispiele und gibt Schätzungen wieder, nach denen Gebühren für Anwälte im Durchschnitt um 12 Prozent, jene für Notare um 15 Prozent und die der Gerichte um 18 Prozent steigen.
Leistungsschutzrecht: Ebenfalls am Donnerstag tritt das neue Leistungsschutzrecht in Kraft. Die taz (Daniel Bouhs) liefert auf ihrer Medien-Seite unter der Überschrift "das Pfui-bäh-Gesetz" eine Übersicht über die unmittelbaren Auswirkungen. Nach Darstellung der FAZ (Josh Groeneveld) trifft das neue Recht die Falschen, Blogs und kleinere Aggregatoren. Für diese bedeute es einen zu großen Aufwand, jeden einzelnen Anbieter um Erlaubnis für die Abbildung seiner Inhalte zu bitten. Der Branchenriese Google sei derweil "fein raus": große Verlage würden einer kostenfreien Anzeige kurzer Textausschnitte zähneknirschend zustimmen, um nicht Gefahr zu laufen, nicht mehr gelistet zu werden.
Weitere Themen - Justiz
BGH zu Gaspreiserhöhungen: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Mittwoch sind Preiserhöhungen des Energieversorgers RWE aus den Jahren 2003 bis 2005 wegen fehlender Begründung unwirksam. Wie das Handelsblatt (Miriam Schröder) schreibt, sind nach dem Richterspruch entsprechende Klauseln zumindest bei sogenannten Sonderverträgen nichtig. Als Sonderverträge würden all jene Vereinbarungen mit Energieversorgern bezeichnet, die einen Tarif- oder Anbieterwechsel beinhalteten. Auch die FAZ (Corinna Budras) berichtet.
BVerwG zu Aufenthaltstitel wegen Patchworkfamilie: lto.de meldet, dass sich nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel auch aus familiären Beziehungen innerhalb einer sogenannten Patchworkfamilie ergeben kann.
OLG München – NSU-Prozess: Die FAZ (Helene Bubrowski) berichtet vom dreißigsten Verhandlungstag im Verfahren gegen Beate Zschäpe u.a., an dem Sachverständige und Zeugen des vierten Mordanschlags auf einen Münchner Gemüsehändler vernommen wurden. Eine Rentnerin, die in der unmittelbaren Nähe des Tatorts wohnt und in polizeilichen Vernehmungen von zwei "eher dunkelhäutigen" Radfahrern, "vielleicht Türken" berichtet hatte, habe ihre damalige Aussage korrigiert. Die von ihr beobachteten Personen hätten eher einen osteuropäischen Eindruck gemacht, "nicht so, wie wir uns einen deutschen Menschen vorstellen, nicht wie unser Schlag."
LG Stuttgart – Winnenden-Schadensersatz: Wie die FAZ (Rüdiger Soldt) schreibt, hat vor dem Landgericht Stuttgart der erste von mehreren Schadensersatz-Prozessen gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden begonnen. Eine Witwe fordere 80.000 Euro Unterhalts- und Bestattungskosten von dem wegen fahrlässiger Tötung zu 18 Monaten Bewährungsstrafe Verurteilten. Auch die Stadt Winnenden beabsichtige eine Klage, sie sei jedoch von der Versicherung zur Forderungsrücknahme zugunsten einer Einigung mit Opfer-Vertretern aufgefordert worden, weil durch diese die zu gewährende personenbezogene Schadenssumme ausgeschöpft wäre. Der Oberbürgermeister der Stadt werfe der Versicherung deshalb vor, die Interessen der verschiedenen Kläger "eiskalt" gegeneinander auszuspielen. Auch lto.de berichtet.
LG Darmstadt zu Freiheitsberaubung: Über den "juristisch wie menschlich" schwierigen Fall einer wegen schwerer Freiheitsberaubung Angeklagten, die vor mehr als 10 Jahren mutmaßlich vorgab, Opfer einer Vergewaltigung geworden zu sein, schreibt die FAZ (Heidi Müller-Gerbes) in ihrem Rhein-Main-Teil. Nachdem zunächst die fehlende Glaubwürdigkeit der jetzigen Angeklagten im Mittelpunkt des Verfahrens gestanden hätte, scheine sich nun die Verteidigungsstrategie, den damals Verurteilten, mittlerweile Verstorbenen, als widersprüchliche Persönlichkeit zu charakterisieren, zu bewähren. Der Verteidiger der Angeklagten sei derweil in einem unabhängigen Verfahren wegen versuchter Anstiftung zur Falschaussage verurteilt worden.
Zschäpe-Verfahren eingestellt: Ein vom NSU-Prozess unabhängiges Ermittlungsverfahren wegen dreifachen Mordversuchs gegen Beate Zschäpe ist nach Meldung von Holger Schmidt (swr-terrorismus-blog) von der Staatsanwaltschaft Erfurt eingestellt worden. Gegenstand der Ermittlungen war eine Auseinandersetzung am Erfurter Hauptbahnhof am Silvestertag 1996.
Drohnen-Tötung: Die FAZ (Reinhard Müller) beschäftigt sich mit der nun in ausführlicher Form vorliegenden Verfügung der Bundesanwaltschaft, die Ermittlungen im Verfahren um die 2010 erfolgte Tötung eines Deutschen durch eine Drohne in Pakistan. Der Artikel lässt Völkerrechts-Experten zu Wort kommen und hält als "Kernaussage" fest: "Gezielte Drohnenangriffe gegen Terroristen im Kriegsgebiet sind erlaubt." Auch die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet.
Anzeige wegen Volksverhetzung: Die taz (Daniel Bax) interviewt den Berliner Anwalt Hans-Eberhard Schultz. Im Namen zweier Mandantinnen beabsichtigt dieser eine erneute Anzeige wegen Volksverhetzung gegen den ehemaligen Bundesbanker Thilo Sarrazin. Nach der Rüge, die der UN-Antirassismusausschuss der Bundesrepublik wegen des justiziellen Umgangs mit einer früheren Anzeige erteilt hatte, gelte es nun, die versprochene Sensibilisierung der Justiz zu testen. Rassismus ginge nicht nur "von notorischen Neonazis und Rechtspopulisten" aus, auch dürfe die Meinungsfreiheit nicht zur Rechtfertigung rassistischer Diskriminierung herhalten.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – Whistleblower: Den Schuldspruch gegen den US-amerikanischen Whistleblower Bradley Manning kommentiert Khue Pham (Zeit) als "Fehler." Er strahle auf den zur Zeit in Russland befindlichen Edward Snowden aus. Das gesamte Verfahren beweise, das "kein Politiker weltweit" das Internet so gut verstanden habe wie US-Präsident Obama. Zwar habe der in seinem ersten Wahlkampf behauptet, Whistleblower seien Bestandteil einer gesunden Demokratie und müssten vor Repressalien geschützt werden, tatsächlich aber mehr Geheimnisverräter nach dem Spionagegesetz von 1917 anklagen lassen als seine Vorgänger zusammen.
Moritz Koch (Handelsblatt) kommentiert, dass Obama mit der gnadenlosen Verfolgung von Whistleblowern den freiheitlichen Grundwerten schade – und offensichtlich sein "altes Ich" nicht mehr ertrage: Die Einträge zu den Lobpreisungen von Informanten seien aus der Internetfassung seiner Wahlversprechen gelöscht. Nach der Einschätzung von Thomas Stadler (internet-law.de) war die Entscheidung der Militärrichterin Lind "eingedenk des enormen Drucks der Obama-Regierung" mutig, aber "nicht mutig genug." Der Präsident und seine Administration fürchte nichts so sehr wie "die Schaffung von Transparenz und die Offenlegung unbequemer Fakten." Die Entscheidung Manning mit der vollen Härte des Gesetzes zu verfolgen während diejenigen, deren Taten er publik gemacht habe, keinerlei Strafverfolgung zu fürchten hätten, habe "ein ganzes Wertesystem auf den Kopf gestellt habe."
Dagegen kommentiert Peter Sturm (FAZ), dass der verurteilte Manning nicht als Held bezeichnet werden könne. Denn seine Enthüllungen hätten Menschenleben gefährdet. Gleichwohl falle es schwer, eine Haftstrafe von maximal 136 Jahren als verhältnismäßig zu bezeichnen.
Türkei – Terrorismus-Verfahren: Ein türkischstämmiger Schriftsteller mit deutscher Staatsbürgerschaft ist vor einem Istanbuler Gericht erneut wegen der Beteiligung an einem bewaffneten terroristischen Raubüberfall angeklagt worden. Nach Aufhebung eines früheren Freispruchs in der Sache droht dem in Deutschland befindlichen Angeklagten eine lebenslange Haftstrafe. Über den Fall und seine Hintergründe schreiben die FAZ (Karen Krüger) in ihrem Feuilleton und die taz (Jürgen Gottschlich).
Großbritannien – Entschädigung für Enthüllung: Die FAZ meldet in ihrem Feuilleton, dass der britischen Autorin J.K. Rowling antragsgemäß eine Entschädigung wegen der Enthüllung ihres bei ihrem letzten Werk verwendeten Pseudonyms zugesprochen wurde. Die beklagte Anwaltskanzlei müsse nun eine "große Summe" an eine Soldaten-Organisation spenden.
Sonstiges
Suhrkamp: Die auf vielen verschiedenen Schauplätzen ausgetragenen Konflikte rund um den Suhrkamp-Verlag versucht ein längerer Artikel im Feuilleton der Zeit (B.Mrozek/T.E. Schmidt/A. Soboczynski) nachzuzeichnen. Ausgangspunkt des "siebenjährigen Krieges" sei 2006 der Versuch mehrerer Investoren gewesen, unter ihnen der aktuelle Protagonist Hans Barlach, über den Kauf von Minderheitsanteilen die Kontrolle über den Verlag zu erlangen. An seinem Ende stehe – so die Autoren – nur eine "finstere Moral": "keine Lösung, kein{...} Kompromiss, kein Einvernehmen."
Rechtsschutzversicherungen: Das Handelsblatt (Kerstin Leitel) testet in seinem Geldanlagen-Teil Rechtsschutzversicherungen. Als Anbieter mit "den umfassendsten Leistungen zu einem fairen Preis" wird der Tarif 360 Grad-Rechtsschutz des Spezialversicherers Advocard ermittelt. Allerdings beteiligten sich von 40 kontaktierten Versicherungsgesellschaften nur 11 an der Umfrage.
Rechtsanspruch auf Kitaplatz: Das Handelsblatt widmet dem ab dem heutigen Donnerstag in Kraft befindlichen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz einen zweiseitigen Schwerpunkt. Ein Beitrag (Carola Sonnet) erklärt, wie Eltern klagen können. So sei von Rechtsschutzversicherten zunächst zu prüfen, ob Klagen auf dem Verwaltungsrechtsweg mitversichert sind. Die Kosten eines Verfahrens dürften sich zwischen 500 und 1.000 Euro bewegen.
Das Letzte zum Schluss
Schluss mit Jagd: Einer Meldung der FAZ (Jan Grossarth) zufolge schafft die rot-grüne Landesregierung Niedersachsens die traditionelle gemeinsame Jagd mit Ehrengästen ab. Nach den Worten des zuständigen Landwirtschaftsministers Meyer (Grüne) sei die auf "hochherrschaftlichen Riten aus der Kaiserzeit" beruhende Tradition nicht mehr zeitgemäß.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. August 2013: Mietkündigung für Raucher - Neues Leistungsschutzrecht - Whistleblower-Schuldspruch in der Nachlese . In: Legal Tribune Online, 01.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9262/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
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