ICTY spricht Šešelj frei. Außerdem in der Presseschau: Ermittlungsmaßnahmen sollen künftig auch von Staatsanwaltschaften aus dem EU-Ausland veranlasst werden können und Deutsche Bank vergleicht sich mit Breuer.
Thema des Tages
ICTY – Freispruch von Šešelj: Das Internationale Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) hat den serbischen Politiker Vojislav Šešelj freigesprochen. Der von Šešelj verfolgte Plan für ein Großserbien sei ein politischer und kein krimineller Plan gewesen, befanden die Richter. Die Anklage habe weder die Existenz einer auf Kriegsverbrechen abzielenden Gruppe unter Beteiligung Šešeljs noch seine Verantwortung für Verbrechen nachgewiesen. Aufrufe zu ethnischen Säuberungen seien ihm nicht zweifelsfrei nachweisbar. Über die Entscheidung berichten SZ (Florian Hassel), FAZ (Michael Martens), taz (Andrej Ivanji) und lto.de.
Nach Auffassung von Florian Hassel (SZ) ist der Freispruch eine Fehlentscheidung und steht im Widerspruch zur früheren Rechtsprechung des Gerichts. Ulrich Ladurner (zeit.de) sieht darin vor allem eine Niederlage für die Anklage, die es jahrelang nicht geschafft habe, überzeugende Beweise zu liefern.
Rechtspolitik
Europäische Ermittlungsanordnung: Nach einem Bericht der taz (Christian Rath) hat Justizminister Heiko Maas einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Europäischen Ermittlungsanordnung vorgelegt. Danach soll die deutsche Polizei Ermittlungsmaßnahmen wie Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen auch auf Anordnung von Staatsanwaltschaften aus dem EU-Ausland treffen können.
Verbot von Online-Rezepten: In einem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts zur Änderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften ist ein Verbot der Online-Verschreibung von Medikamenten vorgesehen. Die Erstverschreibung von Arzneimitteln soll nur nach einem direkten Arzt-Patienten-Kontakt zulässig sein. Professor Ulrich M. Gassner sieht darin auf lto.de eine unzulässige Beschränkung der Patientenautonomie, die darüber hinaus unionsrechtlich kaum haltbar sei.
TV-Übertragung aus dem Gerichtssaal: Auf lto.de nimmt der BGH-Richter Andreas Mosbacher Stellung zu der für oberste Bundesgerichte geplanten Aufnahme und Übertragung öffentlicher Urteilsverkündungen. Wer dagegen einwende, damit werde das Tor für eine umfassende Fernsehübertragung aus allen Instanzen geöffnet, missachte wesentliche Unterschiede. Diese würden darin liegen, dass es vor Obergerichten in der Regel um die Klärung abstrakter Rechtsfragen mit Auswirkungen auf viele Bürger und nicht um Tatsachenfeststellungen im Einzelfall gehe.
Kostenpflicht für Plastiktüten: Wie die taz (Kai Schöneberg) berichtet, laufen die Verhandlungen zwischen Umweltministerium und Einzelhandel zur Einführung einer Kostenpflicht für Plastiktüten. Hintergrund sei eine EU-Richtlinie, wonach der Verbrauch schrittweise auf 40 Tüten pro Einwohner und Jahr reduziert werden soll.
Becherbonus: Noch mehr Müll als durch Plastiktüten entsteht durch weggeworfene Kaffeebecher. Nun hat Hessens Umweltministerin Priska Hinz vorgeschlagen, dass jeder Kaffeekunde, der seine eigene Tasse mitbringt, einen Preisnachlass von zehn Cent bekommen soll, meldet die SZ (Jan Heidtmann).
Justiz
BVerfG zu Erbschaftsteuer: Nun berichtet auch das HBl (Donata Riedel) über die Auskunft des Bundesverfassungsgerichts, dass die bisherigen Regeln zunächst weitergelten, wenn die Erbschaftsteuerreform nicht bis zum 30. Juni gelingt.
OLG Stuttgart zu Bausparverträgen: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass die Bausparkasse Wüstenrot einen Bausparvertrag zu Unrecht gekündigt hat und die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Hierbei werde es darum gehen, ob der Paragraf 489 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendung finde, schreibt das HBl (Elisabeth Atzler).
LG München – Rolf Breuer: Wie SZ (Klaus Ott) berichtet, hat sich die Deutsche Bank mit ihrem früheren Vorstandschef Rolf Breuer auf einen Vergleich über Schadenersatz in Höhe von 3,2 Millionen Euro geeinigt, dem die Aktionäre noch zustimmen müssen.
LG Hamburg zu Werbeblockern: internet-law.de (Thomas Stadler) setzt sich mit der Entscheidung des Landgerichts Hamburg auseinander, welche eine Umgehung von für Nutzer von Werbeblockern eigerichteten Sperren untersagte. Es sei fraglich, ob darin tatsächlich die Umgehung einer technischen Schutzmaßnahme im Sinne von § 95a UrhG gesehen werden könne.
LG Düsseldorf zu Ex-Bodyguard: Wie spiegel.de (Gesa Mayr) berichtet, wurde der ehemalige Bodyguard von Verona Pooth vom Landgericht Düsseldorf wegen Totschlags seiner Ehefrau zu 13 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Recht in der Welt
IStGH – Bemba: Der Internationale Strafgerichtshof hat den früheren Vize-Präsidenten des Kongo, Jean-Pierre Bemba, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen durch systematische Begehung von Vergewaltigungen und Tötungen schuldig gesprochen. Damit habe der Gerichtshof zum ersten Mal in seiner Geschichte einen Angeklagten wegen sexueller Gewalt verurteilt, schreibt der wissenschaftliche Mitarbeiter Alexander Schwarz auf juwiss.de.
Polen – Verfassungskrise: Auf verfassungsblog.de beschäftigt sich der Professor Armin von Bogandy in englischer Sprache mit der Frage, wie europäische Werte in der polnischen Verfassungskrise geschützt werden können. Momentan seien die wichtigsten Instrumente hierzu eine Stellungnahme der Venedig-Kommission des Europarates und eine Empfehlung der EU-Kommission.
Polen – Abtreibungsverbot: Nach Angaben von zeit.de hat sich die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydło für eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes ausgesprochen. Sie unterstütze den Gesetzesvorschlag der Volksinitiative Pro-Life, die Abtreibungen außer bei Gefahr für das Leben der Schwangeren verbieten lassen und ein Zuwiderhandeln mit bis zu fünf Jahren Haft bestrafen will.
USA – iPhone-Entschlüsselung: Nachdem das FBI auch ohne Hilfe herausgefunden hat, wie die Verschlüsselungssoftware von Apple umgangen werden kann, will es dieses Wissen nun gleich in einem weiteren Fall zum Einsatz bringen. Entschlüsselt werden soll das iPhone eines 18-Jährigen, der wegen Doppelmordes angeklagt ist, schreibt zeit.de (Eike Kühl).
Sonstiges
Unaufgeklärte RAF-Morde: Die SZ (Heribert Prantl) erinnert an Detlev Karsten Rohwedder, der vor 25 Jahren von der RAF ermordet wurde. Der Mord an ihm sei wie so viele der RAF-Verbrechen bis heute komplett unaufgeklärt.
Geschichte des BND: Anlässlich des 60-jährigen Geburtstags des BND befassen sich taz (Otto Diederichs) und FAZ (Rainer Blasius) mit dessen Geschichte, die schon lange vor der offiziellen Gründung begann.
Vorwürfe gegen Fifa: Laut einem Bericht der SZ (Paul-Anton Krüger) hat Amnesty International schwere Vorwürfe gegen die Fifa erhoben. Der Weltfußballverband wisse von Menschenrechtsverstößen auf den WM-Baustellen in Katar, unternehme aber nichts, um diese zu unterbinden.
Das Letzte zum Schluss
Möchtegern-Rocker: Die Beamten des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz griffen bei ihren Ermittlungen gegen ein Hells-Angels-Charter in Bonn tief in die Trickkiste: Sie gründeten einen eigenen Motorradklub - "Schnelles Helles" und gaben vor, im Territorium der Hells Angels eine neue Konkurrenz zu sein. Dadurch sollten die Ermittlungen im Rockermilieu erleichtert werden. Der Plan scheiterte jedoch an den mangelnden Motorradfahrkünsten der Beamten, schreibt SZ (Reiko Pinkert).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. April 2016: Šešelj freigesprochen / Ermittlungsanordnungen / Vergleich mit Breuer . In: Legal Tribune Online, 01.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19123/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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