Die aus Gerichtskreisen geforderte Mutwillensgebühr für völlig aussichtlose Verfassungsbeschwerden sorgt für Gesprächsstoff. Außerdem in der Presseschau: Lücken im Strafrecht, das Urheberrecht und die Rechtswirklichkeit, unrechtmäßig erhobene Daten vor dem CL-Finale, Blockupy, doofe Staatsanwälte und warum Porsche um eine Hausdurchsuchung bittet.
BVerfG-Richter und Abgeordneter zu Mutwillensgebühr: Bundesverfassungsrichter Michael Gerhardt befürwortet die vorgeschlagene Mutwillensgebühr für "offensichtlich aussichtslose" Verfassungsbeschwerden als notwendigen "Filter", um das Gericht "als wertvolle Ressource" zu schonen. Bundestagsabgeordneter Jerzy Montag (Grüne) hingegen lehnt sie ab und fordert, dass stattdessen die bereits vorhandene Missbrauchsgebühr "forscher verhängt" werden soll – darüber sprechen sie gemeinsam mit der Montags-SZ (Wolfgang Janisch). Anwaltszwang und Annahmeverfahren als Alternativen erteilen dem Blatt zufolge beide eine Absage.
Bundesverfassungsrichterin Monika Hermanns sprach mit lto.de (Christian Rath) über die geplante Gebühr, wie diese festgesetzt würde, was passiert, wenn aus Aussichtslosigkeit doch ein Erfolg wird, und was der Unterschied zur bereits bestehenden Missbrauchsgebühr ist.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Lücken im Strafrecht: Der Spiegel (Jan Friedmann) berichtet über die Uneinigkeit zwischen den Justizministerien von Bund und Ländern über strafrechtliche Schutzlücken betreffend sexuelle Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern. Problematisch sei die Voraussetzung im § 174 StGB, wonach der Schüler auch "Schutzbefohlener" sein muss. Fraglich sei dies etwa bei einem vom Landgericht Bochum verurteilten Lehrer, der einen Sanitätskurs geleitet hatte; der Bundesgerichtshof werde demnächst über die Revision entscheiden.
Urheberrecht und Rechtswirklichkeit: Die Rechtsordnung der "alten, der analogen Welt" erweise sich als zu langsam angesichts neuer Methoden, geistiges Eigentum "rund um den Erdball zu verteilen", befindet der Spiegel (Thomas Darnstädt) zur Urheberrechtsdebatte und stellt pragmatische Lösungen für den Interessenausgleich vor. Dabei wird auch das Vorgehen des Abmahn-Anwalts Clemens Rasch und seiner "Piratenpolizei" ProMedia beleuchtet und Pläne aus dem Wirtschaftsministerium für ein riesiges Abmahn-System vorgestellt – die "illiberale Spirale" im Kampf ums Urheberrecht drehe sich weiter, so der Spiegel.
Anwaltliche Haftungsrisiken: Die FTD (Anne-Christin Gröger) informiert über einen Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium, wonach die Rechtsform der "Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung" für Anwalts- und Steuerberaterkanzleien eingeführt werden soll. Weiter sehe der Entwurf vor, die Mindestversicherungssumme für Berufshaftpflichtversicherungen anzuheben, "um geschädigte Mandanten zu schützen".
Schönheits-OP-Verbot: Ein von CDU/CSU gefordertes Verbot schönheitschirurgischer Eingriffen bei Minderjährigen lehne das Bundesgesundheitsministerium aus verfassungsrechtlichen Gründe ab, berichtet spiegel.de: Es fehle schon an der Regelungskompetenz.
BFH-Präsident zum Steuersystem: Mit der Samstags-SZ (Malte Conradi/Andreas Jalsovec) spricht Bundesfinanzhofspräsident Rudolf Mellinghoff über das "zu komplexe" und "uneinheitlich angewendete" Steuerrecht und warum er seine Steuererklärung selbst erledigt.
Separat erläutert Malte Conradi (SZ) in neun Punkten, was "Steuerpflichtige gern falsch machen".
Weitere Themen – Justiz
BVerwG zu Wehrmachtsjustiz: Die pauschale Vermutung, jeder im Zweiten Weltkrieg tätige Feldrichter habe gegen "Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit" verstoßen, sei unzulässig, urteilte das Bundesverwaltungsgericht. Die Richter sprachen damit Erbinnen eines Wehrmachts-Juristen einen Anspruch nach dem Ausgleichsleistungsgesetz zu, so lto.de.
BVerwG zur Kommunalwahl in Dortmund: Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster zur Wiederholung der Dortmunder Kommunalwahl von 2009 abgewiesen. Dazu lto.de.
OVG Niedersachen zu Standplatzvergabe: "Bekannt und bewährt" als Vergabegrundsatz beim Weihnachtsmarkt Hannover ist nicht immer rechtens. So entschied laut lto.de das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen.
LAG zu BKK-Kündigungen: Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass das Sozialgesetzbuch für bestimmte Arbeitsverhältnisse bei Betriebskrankenkassen-Schließungen keinen Kündigungsschutz vorsieht. Aus diesem Grund seien die Kündigungen bei der 2011 geschlossenen City-BKK rechtmäßig. Die Samstags-FAZ (Susanne Preuß) berichtet, es gehe nun vor dem Bundesarbeitsgericht oder dem Bundesverfassungsgericht weiter.
RWE auf 675 Millionen verklagt: Über Schadenersatzforderungen in Höhe von 675 Millionen Euro, die der russische Oligarch Leonid Lebedew vor dem Landgericht Essen gegen RWE sowie dessen Chef Jürgen Großmann wegen des missglückten Auf- und Weiterverkaufs eines russischen Energiekonzerns geltend macht, berichtet spiegel.de (Ulric Papendick/Dietmar Student).
EuGH zu Vergabepraxis: Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage, ob ein bestimmtes Gütesiegel bei der Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge verlangt werden darf, erläutert für lto.de RA Dominik R. Lück.
Ehrenmord-Prozess: Nach den Verurteilungen vor dem Landgericht Detmold im Ehrenmord-Prozess liefert der Spiegel (Antje Windmann) Hintergründe zur Familienstruktur, insbesondere zur Rolle der ältesten Schwester der getöteten Arzu Özmen, sowie zum Prozessverlauf.
Schreiber kommt frei: Das Oberlandesgericht München bestätigte am Freitag die Entscheidung des Landgerichts Augsburg, den Haftbefehl gegen den Waffenhändler Karlheinz Schreiber außer Vollzug zu setzen. Dazu fr-online.de.
Frankfurt-Blockupy: Über das Vorgehen von Polizei und Gerichten gegen Demonstrationen und Demonstranten in Frankfurt informiert die Samstagsausgabe der taz (Christian Jakob/Timo Reuter); unter anderem sei ein "allgemeines Versammlungsverbot" ausgesprochen worden sowie zahlreiche Platzverbote.
Heribert Prantl (Samstags-SZ) spricht von "orgiastischen Demonstrationsverboten", die dem Rang der Versammlungsfreiheit im Grundgesetz und als "direkt-demokratisches Minimum" nicht gerecht würden: Das Grundgesetz gelte auch in Frankfurt.
Martin Kaul (Samstags-taz) beklagt das rechtsgrundlose generelle Demonstrationsverbot sowie den massiven Ausspruch von Aufenthaltsverboten: In Frankfurt müsse das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nun erkämpft werden.
"Rhino-Mafia": In der Samstags-SZ (Hans Holzhaider) findet sich ein Bericht über die erste deutsche Verhaftung im Umfeld der so genannten Nashornmafia. Drei mutmaßliche Täter hätten im Offenburger Heimatmuseum Nashorn-Hörner entwendet; gegen einen sei bereits Anklage wegen schweren Bandendiebstahls erhoben worden.
Verena Becker verachten: Jost Müller-Neuhof (Sonntags-tagesspiegel) nennt Verena Beckers Aussage im Buback-Mord Prozess "klug, aber unmenschlich". Verurteilen könne man sie dafür nicht, "aber verachten".
NSU-Ermittlungen: Laut dem Spiegel (Christiane Kohl) (Vorabmeldung auf spiegel.de) kommt die Thüringer Untersuchungskommission, die die "Pannen" bei der Fahndung nach den "Terror-Trio" untersucht, zu dem Schluss, im Landeskriminalamt habe "Chaos" geherrscht. So sei Zielfahnder W. immer wieder "wie beim blinde Kuh spielen" am Trio vorbeigetappt.
kino.to-Historie: Die sonntaz-Beilage der taz (Johannes Gernert/Dieter Jüdt) erzählt die Geschichte der Anfänge und des Aufbaus von kino.to, ehemals "saugstube.de", bis zu den Strafprozessen, insbesondere gegen den Erfinder Dirk B..
Datenerhebung vor CL-Finale: Mit einem Schreiben des FC Bayern München seien die Besucher des Champions League – Finales aufgefordert worden, Personen- und Anreisedaten vorab abzugeben, meldet Thomas Stadler (internet-law.de). Dies sei möglicherweise von UEFA und der örtlichen Polizei gefordert worden, wofür allerdings keine Rechtsgrundlage bestehe.
Voßkuhle-Interview: Das umfassende Interview der Zeit (Marc Brost/Heinrich Wefing) mit Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle findet sich nun auch auf zeit.de.
Doofe Staatsanwälte: Staatsanwälte sind "bürokratisch, schwer von Begriff, karrieregeil und angeberisch" – zumindest im "Tatort", wo gilt: tolle Polizei, blöder Staatsanwalt. Darüber und wie das Verhältnis zwischen Polizeibeamten und Staatsanwaltschaft tatsächlich ist, spricht die FAS (Friederike Haupt) mit der Frankfurter Staatsanwältin Müller-Scheu.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Facebook verklagt: Wie zeit.de meldet, haben mehrere Facebook-Nutzer den Konzern wegen Verletzung ihrer Privatsphäre vor einem Gericht in San José (USA) verklagt.
Keine Klage gegen Geld: Um Klagen wegen irreführender Werbung für so genannte Toningschuhe abzuwenden, haben die US-Konzerne Reebok und Skechers Zahlungen an ihre Kundschaft in Millionen-Höhe bewilligt, so die FTD (Gerhard Hegmann). Das Blatt informiert auch über die Hintergründe und die Möglichkeit der zivilgerichtlichen Sammelklage in den USA.
Sonstiges
Gefragte Juristen: In Beruf und Chancen-Teil der Samstags-FAZ gibt es eine Jura-Seite mit einem Beitrag von Rechtsanwältin Astrid Ackermann zum Thema "Einstieg in den Anwaltsberuf" sowie einem Interview mit Rechtsanwalt Robin Fritz zu Examensnoten, Soft Skills und Vorstellungsgesprächen.
Das Letzte zum Schluss
Bitte durchsuchen sie uns: Um Schadenersatzansprüche gegen das eigene Unternehmen abzuwenden, baten Porsche-Vertreter die Staatsanwaltschaft Stuttgart ausdrücklich um einen Durchsuchungsbeschluss. Dabei sollten Unterlagen, die die Betreffenden auch gern freiwillig herausgeben hätten, für die Ermittlungen gegen die Ex-Vorstände Wiedeking und Härter übergeben werden, berichtet der Spiegel knapp.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. bis 21. Mai 2012: . In: Legal Tribune Online, 21.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6232 (abgerufen am: 06.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag