Die Grünen und die Linke erwägen eine Klage vor dem BVerfG wegen des Awacs-Einsatzes. Außerdem in der Presseschau: BVerfG befasst sich mit ultima ratio des Strafrechts, Polen reformiert Verfassungsgericht und Softwarefehler schenkt Freiheit.
Thema des Tages
Klage wegen Awacs-Einsatz? Die Linke und die Grünen prüfen die Aussichten einer Organklage beim Bundesverfassungsgericht wegen des Awacs-Einsatzes der Bundeswehr. Die Bundesregierung habe den Bundestag bei der Entscheidung nicht ausreichend beteiligt und somit Parlamentsrechte verletzt. Die Grünen führten an, dass die Karlsruher Richter bereits im Jahr 2008 – im Fall des Awacs-Einsatzes über der Türkei zu Beginn des Irakkriegs – entschieden hatten, dass dieser der Zustimmungspflicht des Parlaments unterliege. Die Vorsitzende der Linksfraktion Sahra Wagenknecht monierte, die Bundesregierung schließe einen Einsatz von Waffengewalt lediglich deswegen aus, um die Parlamentsbeteiligung zu umgehen. Die taz (Pascal Beucker), fr-online.de und die SZ informieren.
Awacs-Einsatz 2008 und heute: Die FAZ (Johannes Leithäuser) schreibt über den Awacs-Einsatz von 2008 und zieht Parallelen zum heutigen Szenario.
Christian Rath (taz.de) erläutert, mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2008, warum die Bundesregierung auf der sicheren Seite wäre, würde sie den Awacs-Einsatz vom Bundestag mandatieren lassen.
Rechtspolitik
Integrationspflicht für Flüchtlinge: Heribert Prantl (SZ) meint, die CSU suggeriere einen fehlenden Integrationswillen der Flüchtlinge, wenn sie eine Integrationspflicht fordere. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall, denn die angebotenen Kurse reichten nicht für die Vielzahl der integrationswilligen Flüchtlinge aus – einige seien zudem aufgrund ihrer Nationalität für die Zeit des Asylverfahrens von den Kursen ausgeschlossen. Prantl hält daher fest, die staatliche Förderung sei auszubauen; Sanktionen für etwaige Integrationsunwillige sehe das bisherige System bereits ausreichend vor.
Mietpreisbremse: Die SZ (Benedikt Müller) befasst sich mit der Mietpreisbremse und Heiko Maas' (SPD) Reformvorschlag aus einem Ende November veröffentlichten Diskussionspapier. Dieser sah unter anderem vor, dass Vermieter künftig nur acht Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieter umlegen dürfen. Der Deutsche Mieterbund meint, die derzeitigen Regelungen reizten die Vermieter dazu, noch umfassendere Modernisierungen vorzunehmen, um diese auf die Mieter umlegen zu können, und begrüßt Maas´ Pläne. Der Dachverband der Wohnungswirtschaft hingegen moniert, die Reform würde umweltfreundliche Sanierungen unattraktiv machen.
In einem Glossar erklärt die SZ (Benedikt Müller) relevante mietrechtliche Begrifflichkeiten, wie Modernisierung und ortsübliche Miete.
Steuerrecht ab 2016: Die Steuerberaterin Martina Ortmann-Babel resümiert in einem Hbl-Gastbeitrag die ab 2016 geltenden steuerrechtlichen Entlastungen – insbesondere für Familien.
Justiz
OLG Stuttgart zu EnBW-Deal: Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat Revision gegen das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Stuttgart zum EnBW-Deal eingelegt. Er moniert nach wie vor, die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz habe die Landesregierung hinsichtlich des Deals vor fünf Jahren falsch beraten und fordert deswegen Schadensersatz. lto.de fasst den Fall zusammen.
BVerfG – ultima ratio des Strafrechts: Dürfen Verstöße gegen die Pflicht zur umfassenden Etikettierung von Rindfleisch mit Strafe bedroht werden, oder sind sie ein Fall fürs Ordnungswidrigkeitenrecht? Diese verfassungsrechtliche Frage um die ultima ratio des Strafrechts warf das Bundesverfassungsgericht in einem konkreten Normenkontrollverfahren auf. Das Amtsgericht Berlin hatte einen Dönerhersteller zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er Rindfleisch nicht ausreichend etikettiert hatte. Das Berufungsgericht hatte den Fall dem BVerfG vorgelegt. Die taz (Christian Rath) erwartet ein Grundsatzurteil, sollten die Richter beschließen, dass die Anwendung von Strafrecht lediglich als ultima ratio eine verfassungsrechtliche Pflicht darstellt.
Recht in der Welt
Polen – Verfassungsgericht: Polens Präsident Andrzej Duda hat das umstrittene Gesetz, mit dem das polnische Verfassungsgericht reformiert wird, unterzeichnet und damit in Kraft gesetzt. Kritiker befürchten, dass die Neuregelungen das Gericht lahmlegen werden, schreibt die FAZ (Reinhard Veser). Auch spiegel.de, zeit.de und lto.de melden die Reform. Künftig benötigt das Gericht eine Zweidrittelmehrheit, um ein Gesetz als verfassungswidrig abzulehnen. Opposition und EU hatten eine Wartezeit erbeten, damit geprüft werden kann, ob die Regelungen mit der polnischen Verfassung konform gehen.
Israel – "Transparenzgesetz": Nichtregierungsorganisationen, die mehr als die Hälfte ihrer Mittel von ausländischen Regierungen beziehen, müssen dies künftig im Detail öffentlich bekanntgeben. Dies sieht das vom israelischen Kabinett gebilligte "Transparenzgesetz" vor. Dadurch solle verhindert werden, dass ausländische Staaten die Souveränität Israels bedrohten; die Zustimmung des Knesset werde erwartet. Die SZ (Peter Münch) gibt die Kritik an dem Gesetz wieder. Oppositionsführer Isaac Herzog sehe einen "schwarzen Tag für die Meinungsfreiheit". Auch die taz (Susanne Knaul) und die Welt (Gil Yaron) informieren.
In einem gesonderten Kommentar bezeichnet Peter Münch (SZ) das "Transparenzgesetz" als einen "Anschlag auf die Demokratie". Die Regelungen verpflichteten NGOs im Land dazu, "ihre Finanzierung aus dem Ausland wie einen Käuflichkeitsstempel vor sich herzutragen." Kritiker würden so "mundtot" gemacht.
Das Letzte zum Schluss
Softwarefehler schenkt Freiheit: Ein Softwarefehler hat in Washington dazu geführt, dass seit 2002 mehr als 3.200 Gefangene frühzeitig entlassen wurden. Dies betraf ausschließlich Inhaftierte, die wegen guter Führung wieder auf freien Fuß gesetzt wurden – der Fehler bedingte eine großzügige Berechnung ihrer restlichen Freiheitsstrafe. justillon.de (Stephan Weinberger) berichtet, dass im krassesten Fall ein Betroffener 600 Tage früher freigelassen wurde.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. Dezember 2015: Klage wegen Awacs-Einsatz? / Dönerstreit vor BVerfG: Folgt Grundsatzurteil? / Polen reformiert Verfassungsgericht . In: Legal Tribune Online, 29.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17989/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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