Der BGH wird entscheiden, ob Mitglieder von Vereinen wie Hells Angels oder Bandidos ihre Kutten öffentlich tragen dürfen. Außerdem in der Presseschau: Kurt Graulich ist NSA-Sonderermittler, Mängel der EU-Verfassung und "Stolperfallen" im Erbrecht.
Thema des Tages
BGH – Kuttenverbot: Der Bundesgerichtshof soll am heutigen Donnerstag darüber entscheiden, ob Vereine wie Hells Angels oder Bandidos ihre Kennzeichen weiterhin öffentlich tragen dürfen. In mehreren Bundesländer gilt das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot für die sogenannten Kutten. Im zugrundeliegenden Fall zeigten zwei Mitglieder der Bandidos sich selbst wegen Verstoßes gegen besagtes Kennzeichenverbot an, um dessen Reichweite zu testen. Das Landgericht Bochum sprach sie allerdings frei – ein pauschales Kuttenverbot sei nicht zulässig. Der BGH entscheidet nun über die Revision der Staatsanwaltschaft. shz.de und Die Welt (Sascha Maier) berichten über das anstehende Grundsatzurteil und die umstrittenen Kutten.
Rechtspolitik
TTIP: Das EU-Parlament sprach sich in seiner Resolution für das Freihandelsabkommen TTIP aus. Streitfälle zwischen Unternehmen und Staaten sollen allerdings nicht vor Schiedsgerichten, sondern vor unabhängigen Gerichtshöfen mit Berufungsinstanz verhandelt werden. Zudem forderten die Abgeordneten, dass EU-Standards – etwa zu Datenschutz und Gesundheit – bestehen bleiben, meldet spiegel.de. Die FAZ (Hendrik Kafsack) stellt insbesondere die Kritik des Parlaments am Schiedsgerichtsverfahren dar.
Erbschaftsteuer: Das Kabinett hat den umstrittenen Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuer beschlossen. tagesschau.de fasst die geplanten Regelungen zusammen, weist allerdings darauf hin, dass der Entwurf in der Koalition nach wie vor umstritten sei. So auch das Handelsblatt (Donata Riedel). Die FAZ (Manfred Schäfers) hebt hervor, dass durch die geplante Reform die Unternehmensbewertung eine größere Rolle spielen werde.
Vergaberecht: Ein vom Bundeskabinett beschlossener Gesetzentwurf zum Vergaberecht sieht vor, dass öffentliche Auftraggeber bei ihrer Beschaffung künftig "soziale, ökologische und innovative Kriterien" verstärkt berücksichtigen müssen. Der Entwurf soll zudem dazu dienen, Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen. Kritiker brachten hervor, die unternehmerische Freiheit werde durch die Vorgaben eingeschränkt. Darüber informieren FAZ (Joachim Jahn) und SZ (Michael Bauchmüller).
Justiz
BSG zum Anspruch auf medizinische Hilfsmittel: Ein Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die für die kontinuierliche Blutzuckerbestimmung erforderlich sind, besteht nicht, solange der Gemeinsame Bundesausschuss für diese Untersuchungsmethode keine positive Empfehlung abgegeben hat. Dies entschied das Bundessozialgericht. Die Richterin am Sozialgericht Britta Wiegand erläutert auf lto.de, weshalb sie diese Entscheidung für "konsequent und sachgerecht" hält.
OLG Stuttgart zu Daimler gegen SWR: Der SWR darf weiterhin seine mit verdeckter Kamera gedrehte Reportage "Hungerlohn am Fließband" über die Arbeitsbedingungen bei Daimler ausstrahlen. Das Oberlandesgericht hat die Unterlassungsklage des Automobilkonzerns gegen den SWR abgelehnt und damit die Entscheidung des Landgerichts bestätigt. Zwar seien Haus- und Persönlichkeitsrecht des Unternehmens verletzt, allerdings überwiege hier das öffentliche Informationsinteresse. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof hat das OLG nicht zugelassen, schreibt die FAZ (Oliver Schmale).
LG Bremen zu Durchsuchung in Bremer Moschee: Die Bremer Polizei hätte die Moschee des Islamischen Kulturzentrums in Bremen am 28. Februar diesen Jahres nicht nach Waffen durchsuchen dürfen. Dies hat das Landgericht Bremen am 3. Juli, auf Beschwerde des betroffenen Vereins hin, entschieden. spiegel.de kennt die Argumentation des Gerichts.
LG Lüneburg – Auschwitzprozess: In ihren Plädoyers monierten die Anwälte der Nebenkläger im Auschwitzprozess unter anderem, das geforderte Strafmaß von dreieinhalb Jahren sei zu gering und rügten Fehler der Justiz bei der Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Dies teilen zeit.de und spiegel.de (Wiebke Ramm) mit.
EuGH zu OMT-Programm: Der Europarechtler Claus Pegatzky befasst sich in der FAZ mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum OMT-Programm der EZB. Er begrüßt, dass der EuGH währungspolitische Zusammenhänge zurückhaltend beurteilt hat und kritisiert die Haltung des Bundesverfassungsgerichts. Um das OMT-Programm als währungspolitisch einzustufen, nehme das BVerfG eine Abgrenzung zwischen Währungs- und Wirtschaftspolitik vor, die nicht in seine Zuständigkeit falle und zudem nicht zweifelsfrei gezogen werden könne.
EU-Verfassung: Wie müsste eine Verfassungsreform der EU aussehen? Diese Frage beschäftigt den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und "Freund der europäischen Integration" Roman Herzog in der FAZ. Ausführlich beleuchtet er die "Mängel der Gemeinschaftsverfassung", zeigt aber auch Lösungsvorschläge auf. So bräuchten die Zuständigkeitsregelungen der EU beispielsweise eine "gründliche Revision". Auch findet Herzog "warnende und nicht allzu höfliche Worte" für den Finanzausgleich.
Italien – Haftstrafe für Berlusconi: Ein Gericht in Neapel hat den ehemaligen italienischen Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Bestechung verurteilt. Wenn er gegen das Urteil in Berufung geht, würde ihm die Strafe allerdings erspart bleiben, da seine Straftat wohl vor Beginn des Berufungsverfahrens verjähren würde. zeit.de fasst die Vorwürfe gegen Berlusconi zusammen.
Griechenland: Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) erklärt, weshalb der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das "offensichtlich Richtige" nicht etwa deswegen unterließen, weil sie "Schurken bzw. Idioten" seien. Vielmehr sei es ihnen deswegen unmöglich, weil das "offensichtlich Richtige" ihre Macht gefährde.
Sonstiges
Kurt Graulich als NSA-Sonderermittler: Das Bundeskabinett hat den ehemaligen Richter des Bundesverwaltungsgerichts Kurt Graulich zum NSA-Sonderermittler ernannt. Er soll über die Sommerpause hinweg die Selektorenliste auswerten, so eine Meldung der taz.
Berliner Neutralitätsgesetz: Das Berliner Neutralitätsgesetz ist laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes des Abgeordnetenhauses teilweise verfassungswidrig. Ein Passus des Gesetzes sei nicht mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Neutralitätspflicht von Lehrern in öffentlichen Schulen vereinbar. Dies schreiben rbb-online.de und FAZ (Mechthild Küpper).
UEFA und finanzielles Fairplay: Die "Break-even-Vorschrift" der UEFA sieht im Kern vor, dass die Fußballverbände grundsätzlich nicht mehr verdienen, als sie ausgeben. Anfang Juli hat die UEFA diese Regelung dahingehend ergänzt, dass Verbände nun beantragen können, eine freiwillige Vereinbarung über die Einhaltung der Vorschrift abzuschließen. Der Kartellrechtler Sebastian Schnitzler bespricht auf lto.de ausführlich kartellrechtliche Bedenken an der "Break-even-Vorschrift".
"Stolperfallen" im Erbrecht: "Was tun, wenn kein Testament vorhanden ist?" "Kann ein Dritter mein Testament verfassen?" bild.de schildert "Stolperfallen" im Erbrecht.
Das Letzte zum Schluss
Wenn Polizist-Sein was für sich hat: So cool die zusätzlichen "Gimmicks" wie Blaulicht, Sirene und Lasermessgerät auch sein mögen – Polizeiautos sind für Polizisten. Dies musste leider auch ein 22-Jähriger lernen, der in Südthüringen seinen blau-weißen Ford mit der Aufschrift "Police" durch die Gegend kutschierte. Das Gefährt des wohl betrübten Fahrzeughalters wurde nicht nur stillgelegt – ihn erwartet auch ein Bußgeld. Dies meldet die FAZ.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. Juli 2015: BGH und Kuttenverbot – Mängel der EU-Verfassung – "Stolperfallen" im Erbrecht . In: Legal Tribune Online, 09.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16143/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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