Die Asylrechtsverschärfungen und weitere Maßnahmen werden diskutiert. Außerdem in der Presseschau: Ermittlungen nach Attentat auf Henriette Reker, Verbraucherzentrale klagt gegen Facebook und eine Trunkenheitsfahrt im Livestream.
Thema des Tages
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz: Die Änderungen zum Asylrecht haben vergangene Woche Bundestag und Bundesrat passiert. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Tobias Brings und Maximilian Oehl beschäftigen sich im zweiten Teil ihres Beitrags auf juwiss.de mit den verlängerten Aufenthaltspflichten in Erstaufnahmeeinrichtungen, der Verlängerung der Residenzpflicht und den Hürden für Arbeitsmarkt- und Bildungszugang. Im Interview mit der Samtags-taz (Benno Stieber/Peter Unfried) verteidigt der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) das Gesetzespaket als gut und ausgewogen.
Flüchtlingspoltik: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befürwortet in einem Interview mit der Samstags-FAZ (Berthold Kohler/Klaus-Dieter Frankenberger/Jasper von Altenbockum) unter anderem die Einführung von Transitzonen an den Grenzen nach dem Vorbild des Flughafenverfahrens. Zudem soll die Türkei als sicherer Herkunftsstaat eingestuft werden. Der Bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) will darüber hinaus den Familiennachzug für Flüchtlinge einschränken, wie er im Gespräch mit focus.de (Linda Hinz) verrät. Rupert Scholz (CDU), Staatsrechtler und ehemaliger Verteidigungsminister, erklärt im Focus (focus.de-Zusammenfassung) in zehn Schritten die Vereinbarkeit der Flüchtlingspolitik mit dem Grundgesetz. Transitzonen und Beschränkungen des Familiennachzug hält er für verfassungskonform. Die Junge Union spricht sich für eine Obergrenze für Zuwanderer aus, berichtet die Montags-FAZ (Robert Rossmann).
Ein Einwanderungsgesetz wird von der CDU dagegen nicht mehr in nächster Zukunft angestrebt, meldet der Spiegel (Ralf Neukirch).
Heribert Prantl (Samstags-SZ) erklärt sein Engagement in der Flüchtlingsdebatte und lehnt die aktuellen Maßnahmen zur Abschreckung weiterer Zuwanderung ab: "Flüchtlinge sind keine Pawlowschen Hunde". In einem weiteren Artikel kritisiert Heribert Prantl (Montags-SZ) die geplanten Transitzonen als unpraktikabel und rechtsstaatlich nicht zu rechtfertigen.
Über den EU-Gipfel von vergangenem Donnerstag schreibt die Samstags-FAZ (Günter Bannas). Eine Einigung über einen verbindlichen EU-Verteilungsmechanismus sei nicht erzielt worden, jedoch soll die Grenzschutzagentur Frontex gestärkt werden und das Recht erhalten, in bestimmten Fällen Abschiebungen durchzuführen.
Bedeutung von Staatsgrenzen: Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio befasst sich in einem Gastbeitrag in der WAS mit Staatsgrenzen, Entgrenzung und der Bedeutung von Recht. Wenn das Schengensystem und die Dublin-Verordnung keine wirksame Kontrolle der Einreise garantieren können, müssen sie geändert werden, um den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen und so eine verlässliche Rechtsordnung zu garantieren.
Treffen Bundesregierung und BVerfG: Reinhard Müller (Samstags-FAZ) kommentiert das Treffen zwischen der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht von vergangenem Dienstag. Die Bundesregierung habe ausloten wollen, wie weit sie angesichts der Entscheidung des BVerfG zu Asylbewerberleistungen aus dem Jahr 2012 gehen könne.
Rechtspolitik
Vorratsdatenspeicherung: Vergangenen Freitag hat der Bundestag die Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Telekommunikationsanbieter müssen künftig die Verbindungsdaten ihrer Kunden für zehn Wochen, die Standortdaten von Mobiltelefonen für vier Wochen speichern. Ausgenommen sind E-Mails und aufgerufene Internetseiten, bei SMS wird aus technischen Gründen auch der Inhalt gespeichert. Die Samstags-taz (Christian Rath) und die Samstags-FAZ (Eckart Lohse) stellen den Inhalt des Gesetzes dar und geben die Debatte rund um die Einführung wieder. Die Samstags-SZ (Simon Hurtz) beantwortet, welche Folgen das Gesetz für die Bürger hat. zeit.de (Patrick Beuth/Kai Biermann) widerlegt Argumente, mit denen der Eingriffscharakter der Vorratsdatenspeicherung relativiert wird. Gigi Deppe (tagesschau.de) analysiert, warum das Gesetz diesmal vom Bundesverfassungsgericht gebilligt werden könnte.
Geheimdienstkontrolle: Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Gerhard Schindler bemängelt die parlamentarische Kontrolle seines Geheimdienstes, erläutert der Tsp (Jost Müller-Neuhof). Anstelle der gegenwärtigen Berichtspraxis soll der Bundestag künftig selbst entscheiden, worüber der BND Auskunft zu erteilen hat. Daneben will er Tarnnamen bei Mitarbeitern abschaffen.
StPO-Reform: Wie der Spiegel (Dietmar Hipp) berichtet, fordert der Deutsche Richterbund, diejenigen Vorschläge der Expertenkommission zur StPO-Reform schneller umzusetzen, die den Strafprozess beschleunigen sollen. Dazu gehört die Bündelung von Nebenklägern in Interessensgruppen, die Abschaffung des Richtervorbehalts für Blutentnahmen bei Straßenverkehrsdelikten und die Ausweitung des Strafbefehlsverfahrens.
Justiz
StA Köln – Attentat auf Reker: Wegen des fremdenfeindlichen Attentats auf die Kölner Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung gegen Frank S. Ein Gutachter habe Frank S. für schuldfähig erklärt, berichten unter anderem die Montags-Welt (Kristian Frigelj), die Montags-taz (Frank Überall/Konrad Litschko) und spiegel.de (Jörg Diehl).
Helene Bubrowski (Montags-FAZ) befürchtet, dass in der Verrohung der politischen Auseinandersetzung ein neuer Rechtsterrorismus entstehen könnte, wie er sich im Attentat auf Reker äußerte.
LG Stuttgart – Wiedking/Härting: Wegen der Übernahmeversuche des VW-Konzerns durch Porsche im Jahr 2008 stehen die ehemaligen Porsche-Manager Wendelin Wiedeking und Holger Härter erneut vor Gericht. Ihnen wird informationsgestütze Markmanipulation vorgeworfen, weil sie den Übernahmeplan zunächst dementiert und so die Aktienmärkte beeinfluss haben sollen. Der Spiegel (Frank Dohmen/Dietmar Hawranek) bringt einen umfassenden Vorbericht und spricht mit dem ermittlungsleitenden Oberstaatsanwalt Richter. Auch die FAS (Georg Meck) berichtet.
EuGH zu Schrems/Safe Harbour: Rechtsprofessor Franz C. Mayer analysiert auf verfassungsblog.de in einem englischsprachigen Beitrag Passagen des Safe-Harbour-Urteils (Schrems-Fall) des Europäischen Gerichtshofs im Hinblick auf eine mögliche Solange-III-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Raum bleibe lediglich beim spezifisch deutschen Verständnis der Menschenwürde. Rechtsprofessor Daniel Sarmiento aus Madrid nimmt auf verfassungsblog.de die Urteile Schrems, Delvigne and Celaj des EuGH zum Anlass, den Grundrechtsschutz in der EU zu untersuchen.
BGH zu Trefferlistenmanipulation: internet-law.de (Thomas Stadler) weist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Manipulation von Google-Trefferlisten hin. Der Betreiber einer Verkaufsplattform ist danach als Täter verantwortlich, wenn er seine interne Suchmaschine so programmiert, dass die von Nutzern eingegebenen Suchbegriffe direkt in den Quelltext der Website aufgenommen werden und Google aus der im Quelltext aufgefundenen Begriffskombination einen markenrechtsverletzenden Treffereintrag generiert, der wiederum auf die Verkaufsplattform verweist.
AGH NRW zu betrügerischem Anwalt: Ein Anwalt aus Düsseldorf ist wegen versuchten Betrugs verurteilt worden, weil er eine rechtskräftig abgewiesene Forderung noch einmal einklagte. Zusätzlich bestätigte nun der Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen den Verweis des Anwaltsgericht Düsseldorf gegen den Anwalt und setzte die Geldbuße auf 500 Euro fest wegen gravierender Verstöße gegen die anwaltlichen Berufspflichten. Das meldet lto.de.
AG Berlin zu Hasskommentaren: Das Amtsgericht Berlin hat eine Facebook-Nutzerin wegen eines Hasskommentars zu fünf Monaten auf Bewährung verurteilt, meldet zeit.de. Sie habe in einem Kommentar zu Hass gegen Asylbewerber aufgerufen und sich damit der Volksverhetzung schuldig gemacht. Angesichts steigender Hassäußerungen im Internet und der Zunahme fremdenfeindlicher Gewalt sei die Freiheitsstrafe aus generalpräventiven Gründen unerlässlich, urteilte das Gericht.
Landgericht Karlsruhe zu Hardtwaldmord: Nach fast 30 Jahren hat ein Mann den Mord an einer damals 28-Jährigen im Jahr 1987 gestanden, der in Karlsruhe als der Hardtwaldmord in die Stadtgeschichte einging. Nun hat ihn das Landgericht Karlsruhe zu sechs Jahren Haft verurteilt. Dabei hat das Gericht Jugendstrafrecht angewandt und das Geständnis strafmildernd berücksichtigt, berichten die Samstags-SZ (Charlotte Theile) und die Samstags-FAZ (Rüdiger Soldt).
LG Berlin – Verbraucherzentrale gegen Facebook: Der Spiegel (Susanne Amann, spiegel.de-Zusammenfassung) schildert, dass der Chef der Bundeszentrale Verbraucherband beim Landgericht Berlin eine Klage gegen Facebook eingereicht hat. Facebook verstoße mit seiner Werbung, den Voreinstellungen und der Klarnamenpflicht gegen deutsche und europäische Datenschutzgesetze.
LKA NRW – Soko VW: Wie der Spiegel (Hubert Gude u.a., spiegel.de-Zusammenfassung) berichtet, hat das Landeskriminalamt Niedersachsen eine Sonderkommission "Soko VW" mit insgesamt 20 Beamten eingerichtet, um den VW-Skandal strafrechtlich aufzuarbeiten. Ziel sei es, die Anweisenden für die Manipulation, die Verantwortlichen für den Einbau und die Mitwisser zu ermitteln.
Prozesskosten im Oury-Jalloh-Fall: Die Staatsanwaltschaft Dessau fordert vom ehemaligen Gruppenleiter Andreas S., der vom Landgericht Magdeburg im Fall Oury Jalloh wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden war, die dabei entstandenen Prozesskosten ein, insgesamt 430.000 Euro. Die Gewerkschaft der Polizei werde die Summe für das Gewerkschaftsmitglied übernehmen, erläutert der Focus (Göran Schattauer).
Prozesse wegen Kindstod: Der Spiegel (Udo Ludwig) schildert die langwierigen Prozesse einer Richterin am Arbeitsgericht Frankfurt am Main gegen mehrere Ärzte, Hebammen und die Universitätsklinik Frankfurt, wo ihr Kind nach der Geburt verstarb. Sie und ihr Mann werfen den Ärzten Behandlungsfehler vor, die jedoch schwierig nachzuweisen seien.
Recht in der Welt
UN/Syrien – UN-Ermittlerin: Die Samstags-SZ (Ronen Steinke) führt ein Gespräch mit Carla del Ponte, ehemalige Chefanklägerin für die Internationalen Kriegsverbrecher-Tribunale für Ruanda und Ex-Jugoslawien. Seit 2011 bereist sie den Nahen Osten als UN-Ermittlerin, um Beweismittel für eine Anklage gegen Bashar Assad zu sammeln. Themen des Interviews sind unter anderem die Motivation und der Werdegang der Staatsanwältin aus Tessin bis zur Anklägerin bei den Vereinten Nationen.
Ukraine – Justizreform: Im Interview mit der Montags-FAZ (Konrad Schuller) kündigt der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk eine weitreichende Justizreform in der Ukraine an. Die Befugnisse des Generalstaatsanwalts sollen einer neuen Behörde übertragen werden. Auch die Person des Generalstaatsanwalt sowie sämtliche Richter im Land sollen nach Reformentwürfen ausgetauscht werden.
USA – Berufungsgericht zu Google-Books: Das Berufungsgericht in New York hat im Rechtsstreit zwischen der US-Autorenvereinigung Author's Guild und Google das vorinstanzliche Urteil bestätigt, wonach Google-Books mit der Fair-Use-Doktrin des US-amerikanischen Urheberrechts im Einklang stehe. Damit können Bücher weiterhin als Vorschau angezeigt und durchsucht werden, erklärt netzpolitik.org (Leonhard Dobusch).
Sonstiges
Juli Zah zu Privatsphäre: Die Samstags-FAZ druckt die Rede Juli Zehs ab, die sie anlässlich der Verleihung des Hildegard-von-Bingen-Preises für Publizistik hielt. Das Recht auf Geheimnis begründe die menschliche Persönlichkeit und sei das Recht, sich zu verändern sowie Subjekt und nicht Objekt zu sein. Jeder Mensch sollte die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, wann, wie und was von ihm veröffentlich wird.
NSU-U-Ausschuss: Im November wird ein neuer Untersuchungsausschuss beim Bundestag unter Leitung Clemens Binningers (CDU) den NSU-Komplex erneut untersuchen. Die taz (Konrad Litschko) porträtiert den zukünftigen Vorsitzenden und ehemaligen Polizisten Binniger, der bereits beim ersten Untersuchungsausschuss dabei war.
Strafbarkeit VW: Strafrechtsprofessor Michael Kubiciel stellt für lto.de Überlegungen an, wie sich eine Mehrfachbestrafung und Gewinnabschöpfung beim VW-Konzern im Abgasskandal verhindern ließe. Das in der EU geltende Verbot der Doppelbestrafung könne einen Wettbewerb der Staaten nach sich ziehen. Um weltweit eine Mehrfachbestrafung von Unternehmen zu verhindern, müssten sich die Staaten auf verbindliche Guidelines für eine angemessene Unternehmenssanktionierung einigen.
Managerhaftung im VW-Skandal: Die Montags-SZ (Herbert Fromme) erklärt die Voraussetzungen der Manager-Haftung und die sogenannten D&O-Versicherungen gegen die Haftungsrisiken. Im VW-Skandal gehe es um bis zu 500 Millionen Euro, die von der Versicherung abgerufen werden könnten.
Das Letzte zum Schluss
Livestream-Überführung: Justillon.de (Stefan Maier) schildert den Fall einer jungen Frau aus Florida, die sich mit ihrem Smartphone rettete und gleichzeitig überführte. Die Frau filmte sich beim Trinken mehrerer alkoholischer Getränke und der anschließenden Alkoholfahrt mit einer Livestreaming-App. Einer der 50 Zuschauer, die dem Geschehen vor dem Bildschirm beiwohnten, alarmierte die Polizei und sorgte so für die Festnahme der Frau.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. - 19. Oktober 2015: Asylrechtsdebatte – Vorratsdatenspeicherung – neuer NSU-Untersuchungsausschuss . In: Legal Tribune Online, 19.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17248/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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