Wusste der VW-Vorstand von der Abschalt-Software bei Dieselfahrzeugen und nahm er dies sogar billigend in Kauf? Zur Klärung dieser Frage trifft VW eine sekundäre Darlegungslast, wie der BGH jetzt entschieden hat.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Diesel-Verfahren entschieden, dass VW eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage trifft, wer die Entscheidung über den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen hatte und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte (Urt. 29.06.2021, Az. VI ZR 566/19). Die Entscheidung wurde vom BGH am Donnerstag veröffentlicht.
In dem Verfahren klagte ein Mann, dessen Mutter bereits 2010 einen Wagen von VW erworben hatte. Dieses Auto war mit einem Dieselmotor (EA189 EU 5) ausgestattet. Durch die zugehörige Steuerungssoftware wurde auf dem Prüfstand eine im Vergleich zum Straßenverkehr niedrige Abgasrückführungsrate bewirkt. So konnten die Grenzwerte der Euro-5-Abgasnorm jedenfalls auf dem Prüfstand eingehalten werden.
Mit der Klage begehrte der Mann zuvorderst Schadensersatz in Höhe von 41.000 Euro nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß §§ 826, 31 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Hilfsweise begehrte er Zahlung von 17.000 Euro sowie die Feststellung, dass ihm aufgrund der Ausstellung einer falschen Übereinstimmungsbescheinigung künftige Schäden zu ersetzen sind. Vor dem Landgericht (LG) sowie dem Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig blieb die Klage ohne Erfolg.
Fehlerhafte Begründung des OLG
Zunächst stellt der VI. Senat klar, dass die Klage entgegen der Auffassung von VW nicht unzulässig sei. Es liege nämlich gerade kein Fall der alternativen Klagehäufung, sondern vielmehr ein zulässiger Fall der Eventual-Klagehäufung vor, so der BGH. Das heißt, dass der Kläger verschiedene Streitgegenstände in ein bestimmtes Rangverhältnis stellt. Es kam dem Kläger hier in erster Linie darauf an, eigene Ansprüche geltend zu machen und nur hilfsweise abgetretene Ansprüche seiner Mutter geltend zu machen.
Weiter entscheid der VI. Senat, dass ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB mit der Begründung des OLG nicht verneint werden kann. Fehlerhaft sei hierbei die Annahme, es fehle auch dann an einer Sittenwidrigkeit des Tuns von VW, selbst wenn das Fahrzeug mit Billigung des Vorstandsvorsitzenden in den Verkehr gebracht worden sein sollte. Aus der bisherigen BGH-Rechtsprechung ergebe sich, dass in dem Handeln von VW eine sittenwidrige Schädigung der unwissenden Käufer der bemakelten Fahrzeuge liegt.
Konkrete Anhaltspunkte für Billigung der Entscheidung durch VW-Vorstand
Die entscheidende Aussage des VI. Senats ist hier, dass es nicht darauf ankomme, welche konkrete Person bei VW ein entsprechendes sittenwidriges Verhalten an den Tag gelegt habe. Grundsätzlich liege die Beweislast bei §§ 826, 31 BGB zwar beim Kläger, so der Senat. Hier komme jedoch eine sekundäre Darlegungslast ins Spiel, da der Kläger keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung habe. Vielmehr müsse VW hier zumutbare Nachforschungen unternehmen, andernfalls gelte die Behauptung des Anspruchstellers als zugestanden, so der BGH.
Nach Überzeugung des VI. Senats sei durch den Kläger hinreichend plausibel dargelegt worden, dass die Entscheidung über die unzulässige Software jedenfalls mit Billigung (vormaliger) Vorstände von VW erfolgt sei. Weitere Ermittlungen seien dem Kläger aber - anders als VW - nicht möglich.
Das Urteil des OLG wurde aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen.
Joschka Buchholz, BGH zu Diesel-Verfahren: . In: Legal Tribune Online, 16.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45498 (abgerufen am: 09.11.2024 )
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