Bei einem aus Togo stammenden Anwohner hätte auf St. Pauli keine polizeiliche Identitätsfeststellung vorgenommen werden dürfen. Ob ein Fall des Racial Profiling vorliegt, musste das VG Hamburg jedoch nicht entscheiden.
Die polizeiliche Identitätsfeststellung eines aus Togo stammenden Anwohners auf St. Pauli war rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg entschieden (Urt. v. 10.11.2020, Az. 20 K 1515/17).
Der klagende Mann hatte die Feststellung begehrt, dass vier gegen ihn gerichtete polizeiliche Identitätsfeststellungen zwischen November 2016 und April 2018 auf St. Pauli rechtswidrig gewesen sind. Die Stadt Hamburg hatte in der Zwischenzeit in einem der Fälle die Rechtswidrigkeit anerkannt, während in einem anderen Fall der Mann die Klage zurückgenommen hatte. In dem Urteil vom Dienstag ging es daher nur um die beiden verbleibenden Fälle.
Das Urteil wurde insbesondere wegen des Vorwurfs des Racial Profilings seitens der Beamten erwartet. Allerdings musste die Kammer letztlich gar nicht über die Frage entscheiden, ob sich die Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellungen daraus ergibt, dass die Polizeibeamten aufgrund der Hautfarbe des Mann handelten. Die Rechtswidrigkeit ergebe sich nämlich schon daraus, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2a PolDVG a.F. (nun § 13 Abs. 1 Nr. 2a PolDVG) nicht erfüllt seien, so das VG. Auf diese Ermächtigungsgrundlage habe die Polizei die Identitätsfeststellung stützen wollen und dürfen. Danach darf die Identität festgestellt werden, wenn eine Person an einem Ort angetroffen wird, von dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben.
Der Mann hielt sich während der angegriffenen Maßnahmen im Bereich der Hamburger "Davidwache" auf, der nach Einschätzung der örtlichen Polizei ein gefährlicher Ort im Sinne der Vorschrift ist, da es dort vermehrt zu Betäubungsmitteldelikten komme. Das Gericht legte die Vorschrift verfassungskonform jedoch in die Richtung aus, dass damit auch an einem solchen Ort "keine völlig anlasslose Kontrolle" von dort angetroffenen Personen ermöglicht werden könne. Es müssten zumindest Anhaltspunkte für einen Bezug der kontrollierten Person zur entsprechenden Gefahr gegeben sein. Dass der Mann in dem vorliegenden Fall Anhaltspunkte für Betäubungsmittelkriminalität gegeben hat, hat aus Sicht der Kammer nicht festgestellt werden können.
Der Hamburger Rechtsanwalt Carsten Gerricke, Prozessvertreter des Anwohners, begrüßt das Urteil und teilte gegenüber LTO mit: "Wir erwarten nun, dass die Hamburger Politik diesen neuerlichen Denkzettel ernst nimmt und dafür sorgt, dass sich die polizeilichen Kontrollpraxen ändern, damit der Mann zukünftig keine derartigen rechtswidrigen Kontrollen erleben muss."
pdi/LTO-Redaktion
VG Hamburg zur Identitätsfeststellung auf St. Pauli: . In: Legal Tribune Online, 11.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43395 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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