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VG Freiburg zu NS-Inhalten in Chatnachrichten: Poli­zist ver­liert Beam­ten­status

29.03.2023

Ein Polizist (Symbolbild)

Der Polizeianwärter habe über sein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und damit über das Vorliegen der Einstellungsvoraussetzungen getäuscht, so das Gericht. Foto: AnimaFlora/stock.adobe.com

Ein Polizeianwärter hatte in einer Chatgruppe namens "Grillen gg. Überfremdung" nationalsozialistische Inhalte geteilt. Daraufhin wurde seine Ernennung wegen arglistiger Täuschung zurückgenommen - zu Recht, entschied das VG Freiburg nun.

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Gibt ein Anwärter im Polizeidienst vor seiner Ernennung zum Beamten bewusst wahrheitswidrig ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ab, ist die Ernennung wegen arglistiger Täuschung zurückzunehmen. Je nach Lage des Falls kann auch die Verpflichtung zur Rückzahlung geleisteter Bezüge bestehen. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg mit am Mittwoch veröffentlichtem Urteil entschieden (Urt. v. 13.03.2023, Az. 3 K 2900/22).

In dem Fall ging es um einen Mann, der im Jahr 2020 zum Polizeimeisteranwärter ernannt worden war. Sowohl im Bewerbungsverfahren als auch erneut bei seiner Ernennung hatte er sich mit schriftlichen Erklärungen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekannt.

Im Jahr 2021 erfuhr das Innenministerium Baden-Württemberg durch die Staatsanwaltschaft, dass bei dem Polizeimeisteranwärter im Rahmen eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens wegen Besitzes und Verbreitung kinder- und jugendpornografischer Schriften zwei Mobiltelefone beschlagnahmt worden waren. Auf diesen wurden zahlreiche Bilder und Videos mit mutmaßlich kinder- und jugendpornografischem Inhalt, Gewaltdarstellungen und Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen gefunden. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde auch festgestellt, dass der Mann jedenfalls in den Jahren 2019 und 2020 Mitglied einer Chatgruppe namens "Grillen gg. Überfremdung" war, sich dort aktiv beteiligte und - teils in der Chatgruppe, teils in einem privaten Chat mit einem Bekannten - Sticker, Bilder und Nachrichten mit rassistischem, antisemitischem, homophobem, frauenverachtendem und fremdenfeindlichem Inhalt versandte.

Daraufhin wurde dem Polizeimeisteranwärter die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Wenige Wochen später nahm die Polizeihochschule sodann die Ernennung zum Polizeimeisteranwärter zurück und stellte fest, dass der Mann die ab der Einstellung bis zum Ausscheiden aus dem Dienst gezahlten Anwärterbezüge zurückzahlen müsse. Die vom Mann hiergegen erhobene Klage hat das VG nun abgewiesen. 

Chatprotokolle dokumentieren Ablehnung der FDGO

Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ist die Ernennung eines Beamten mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt worden ist. Das sei im vorliegenden Fall geschehen, so das Gericht. Der Polizeimeisteranwärter habe im Vorfeld seiner Ernennung arglistig über sein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und damit über das Vorliegen der Einstellungsvoraussetzungen getäuscht. Chatprotokolle dokumentierten die Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda und zahlreicher rassistischer, antisemitischer, homophober, frauenverachtender und ausländerfeindlicher Äußerungen. 

Zwar lasse eine solche Äußerung nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine fehlende Verfassungstreue zu. Die Vielzahl und die Extremität der Äußerungen des Mannes zeigten in seinem Fall jedoch, dass es nicht nur an einem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung fehle, sondern er diese sogar ablehne, so das Gericht. Gleichwohl habe er im Bewerbungsverfahren sowie bei der Ernennung eine entgegenstehende Erklärung abgegeben.

Auch die Feststellung des Dienstherrn, dass der Mann die ab der Einstellung bis zum Ausscheiden aus dem Dienst gezahlten Anwärterbezüge zurückzahlen muss, bestätigte das VG. Da der klagende Mann ganz am Anfang seiner praktischen Ausbildung gestanden hat, habe die Polizeihochschule davon ausgehen dürfen, dass er noch keine verwertbare Arbeitsleistung erbracht habe. Daher könne auch die Frage offen bleiben, ob die Dienstleistung eines Polizeibeamten grundsätzlich als "wertlos" anzusehen sei, wenn in Folge der fehlenden Verfassungstreue eine elementare Voraussetzung für die Tätigkeit fehle.  

pab/LTO-Redaktion

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VG Freiburg zu NS-Inhalten in Chatnachrichten: Polizist verliert Beamtenstatus . In: Legal Tribune Online, 29.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51432/ (abgerufen am: 03.10.2023 )

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