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VG Chemnitz zu "Hängt die Grünen"-Wahlplakate: Mit 100 Meter Abstand erlaubt

14.09.2021

Teilnehmer eines rechten Aufmarsches der Partei "Der dritte Weg" gehen am 01.05.2019 eine Straße entlang

(c) picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Willnow

In Zwickau darf eine rechtsextreme Partei weiter Wahlwerbung mit "Hängt die Grünen"-Plakaten machen, entschied das VG Chemnitz in einem Eilverfahren. Es sieht darin ein "kommunikatives Anliegen", die Grünen hingegen einen "Mordaufruf".   

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Die rechtsextreme Splitterpartei "Der dritte Weg" muss ihre Plakate mit dem Slogan "Hängt die Grünen" in Zwickau vorerst nicht abnehmen. Das Verwaltungsgericht (VG) Chemnitz gab einem Eilantrag der vom Verfassungsschutz beobachten Partei überwiegend statt, wie es am Dienstag mitteilte. Lediglich ein Abstand von 100 Metern zu Wahlplakaten von Bündnis 90/Die Grünen müsste eingehalten werden (Beschl. v. 13.09.2021, Az. 7 L 393/21).

Die Stadt Zwickau hatte am vergangenen Mittwoch verfügt, dass die Partei ihre Plakate mit dem Aufdruck "Hängt die Grünen" binnen drei Tagen abnehmen solle. Geschehe das nicht, werde die Kommune die Plakate selbst entfernen. Zur Begründung hieß es, dass der Slogan einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und die Menschenwürde darstelle. In kleineren Buchstaben steht noch geschrieben: "Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt."

VG: "Kommunikatives Anliegen nicht beeinträchtigen"

Die zuständige 7. Kammer begründete ihre Entscheidung nun damit, dass es auf Grundlage der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgestellten Grundsätze für Wahlwerbung nach einer summarischen Prüfung offen sei, ob die strengen Voraussetzungen für einen Eingriff in die Meinungsfreiheit vorlägen.

Bei der anschließenden Interessensabwägung hielt es die Kammer dann für angemessen, durch die räumliche Trennung der Plakate einerseits eine "losgelöste Wahrnehmung" zu gewährleisten und andererseits das "kommunikative Anliegen" der Partei "Der Dritte Weg" nicht zu beeinträchtigen.

Grünen-Politiker Cem Özdemir kritisierte die Entscheidung des Gerichts. Er verstehe nicht, "was daran ok sein soll, zu einem Mord aufzurufen […] Nicht mit 100 Meter Abstand. Nicht 1.000 oder 10.000", schrieb er auf Twitter.

Auch der Berliner Rechtsanwalt Prof. Dr. Niko Härting kann die Entscheidung nicht nachvollziehen: "Wenn es für Verwaltungsgerichte zur Gewohnheit wird, sich in Eilverfahren in die Interessenabwägung zu flüchten, dürfen auch solche Resultate nicht überraschen", reagierte der Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin auf Twitter.

Grüne: Mordaufruf gegen über 3.300 sächsische Mitglieder einer demokratischen Partei

Die Grünen hatten wegen des Slogans bereits Anzeige erstattet. Nachdem die Staatsanwaltschaft Zwickau zunächst keine Ermittlungen aufnehmen wollte, wurde sie von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden angewiesen, wegen des Anfangsverdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und der Volksverhetzung zu ermitteln.  

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Sowohl die Partei "Der dritte Weg" als auch die Stadt Zwickau könnten noch dagegen vorgehen, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstag. "Ein Mordaufruf gegen über 3.300 sächsische Mitglieder einer demokratischen Partei, Sympathisierende und Unterstützende hat nichts im öffentlichen Raum zu suchen", erklärte Christin Furtenbacher, Landesvorstandssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen derweil. Sie hofften sehr darum, dass die Stadt Zwickau unverzüglich Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einlegt.

*Zu einem solchen Vorgehen hat sich die Kommune auch entschieden. Sie halte die Entscheidung für falsch und wolle spätestens am Donnerstag Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen einlegen, wie es in einer Mitteilung vom Nachmittag heißt. "Inhaltlich macht es für uns keinen Unterschied, ob die Plakate hier oder 100 Meter weiter hängen. Die Aufforderung, die Grünen zu hängen, ist und bleibt vollkommen indiskutabel, undemokratisch und unverantwortlich!", sagte Oberbürgermeisterin Constance Arndt.

*Aktualisert um die Rechtsmittelentscheidung der Stadt Zwickau am Tag der Veröffentlichung um 16.26 Uhr

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

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VG Chemnitz zu "Hängt die Grünen"-Wahlplakate: Mit 100 Meter Abstand erlaubt . In: Legal Tribune Online, 14.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46010/ (abgerufen am: 26.03.2023 )

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