Die AfD-Fraktion hatte Bedenken an der Vereinbarkeit des Corona-Sondervermögens in Rheinland-Pfalz mit der Verfassung. In einzelnen Teilen gab der VerfGH ihr Recht – aber größtenteils nicht.
Teile des rheinland-pfälzischen Corona-Sondervermögens weisen keinen Zusammenhang mit der Pandemie auf und sind daher verfassungswidrig. Der überwiegende Teil ist jedoch mit der Verfassung vereinbar, so der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) Rheinland-Pfalz (Urt. v. 01.04.2022, Az. VGH N 7/21).
Wie die meisten Bundesländer brachte Rheinland-Pfalz nach Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 per Gesetz ein Sondervermögen "Zur nachhaltigen Bewältigung der Corona-Pandemie" auf den Weg. Damit sollten verschiedene Maßnahmen unter anderem in den Bereichen Breitbandausbau, Gesundheitsvorsorge, Wirtschaftsförderung, Klimaschutz und Schulbetrieb bis längstens 2023 finanziert werden. Dazu sind 1,1 Milliarden Euro sowie weitere Mittel des Bundes hinzugeführt worden. Zeitgleich verabschiedete der Landtag das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2020, das eine Nettokreditaufnahme von knapp 3,5 Milliarden Euro veranschlagte.
Mittel für Digitalisierung waren schon eingeplant
Einen Teil der neuen Schulden nahm der Haushaltsgesetzgeber unter Berufung auf eine Bestimmung in der rheinland-pfälzischen Verfassung auf, die als Ausnahme von der seit dem Jahr 2020 geltenden Schuldenbremse eine Kreditaufnahme bei Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notsituationen zulässt – und bei der Corona-Pandemie handele es sich um eine solche außergewöhnliche Notsituation, fand der Haushaltsgesetzgeber. Die AfD-Fraktion des Landtags sah das anders und setzte ein Normenkontrollverfahren in Gang. Darin machte sie einen Verstoß gegen die Schuldenregel der Landesverfassung sowie gegen mehrere haushaltsverfassungsrechtlichen Grundsätze geltend.
In Teilen gab der VerfGH der AfD-Fraktion nun Recht. Das Gericht bemängelte bei einigen Maßnahmen einen hinreichenden Veranlassungszusammenhang zur Corona-Pandemie. Nicht jede Ausnahmesituation erlaube eine Kreditaufnahme. Es komme darauf an, dass zwischen der Notsituation und der Kreditaufnahme ein Veranlassungszusammenhang besteht, so die Pressemitteilung. Neue Schulden dürften nur für solche Maßnahmen aufgenommen werden, die gezielt und zweckgerichtet auf die Überwindung der Notlage gerichtet seien. Zudem liegen die Voraussetzungen einer notsituationsbedingten Kreditaufnahme nicht vor, wenn eine Ausgabe bereits vor der Notsituation eingeplant war.
Konkret fehle es beim Corona-Sondervermögen bei den Ausgaben für die Unternehmensförderung im Umweltbereich und beim Ausbau der digitalen Infrastruktur an diesen Voraussetzungen. Der Haushaltsgesetzgeber habe bereits vor der Pandemie hohe Mittel für die digitale Infrastruktur veranschlagt und eingeplant. Bei der Unternehmensförderung im Umweltbereich fehle ein zeitlich-inhaltlicher Zusammenhang zur Corona-Pandemie.
"Schockstarre" erforderte schnelles Handeln
Die übrigen Maßnahmen aus den Bereichen Medizin, Bildung, Wirtschaft und Kommunalfinanzen weisen nach dem VerfGH allerdings den erforderlichen Veranlassungszusammenhang auf. Das Corona-Sondervermögen verletze auch das Budgetrecht des Landtags nicht, so das Gericht.
Die neun Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter unter dem Vorsitz von Lars Brocker folgten damit in weiten Teilen den Argumenten von Landesregierung und Landtag. Beide hatten das Sondervermögen in der mündlichen Verhandlung mit der Notwendigkeit verteidigt, angesichts einer absehbaren Schockstarre der Wirtschaft schnell und entschieden zu handeln und ein entsprechendes Signal an Märkte und Bevölkerung zu senden. Hingegen hatte die haushaltspolitische Sprecherin der AfD-Fraktion, Iris Nieland, kritisiert, das Sondervermögen sei ein Verstoß gegen die Schuldenbremse, gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot und gegen den Haushaltsgrundsatz der Jährigkeit. Bedenken trug auch der Rechnungshof Rheinland-Pfalz bei der mündlichen Verhandlung Anfang März vor.
sl/pdi/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
VerfGH Rheinland-Pfalz: . In: Legal Tribune Online, 01.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48019 (abgerufen am: 05.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag