Am Donnerstag begann der NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag mit der Anhörung von Sachverständigen. Dabei ging es um die Frage, ob Europa- und Völkerrecht Ansatzpunkte bieten, um gegen die massenhafte Überwachung der Bürger durch ausländische Geheimdienste vorzugehen. Die zu Rate gezogenen Experten zeigten sich dabei uneinig.
Der Untersuchungsausschuss des Bundestages soll den Spähskandal um den US-Nachrichtendienst NSA und den britischen Geheimdienst "durchleuchten". Erstmals wurden nun Sachverständige zur Frage angehört, mit welchen europa- und völkerrechtlichen Mitteln gegen die massenhafte Ausspähung von Bundesbürgern vorgegangen werden kann.
Der Londoner Völkerrechtsprofessor Douwe Korff sah Chancen in einer Staatenklage gegen Großbritannien vor dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof, einer Einrichtung des Europarats, und in einer Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg, einer EU-Instanz.
Aus Sicht Korffs stellt die global angelegte Überwachung durch die NSA und die Briten einen "massiven Verstoß gegen fundamentale Prinzipien der Menschenrechte" dar. Anders als das Anzapfen internationaler Datenkabel, die über britisches oder US-Gebiet laufen, bedeute die in großem Stil angelegte Ausspähung der Telekommunikation in der Bundesrepublik einen unrechtmäßigen Eingriff in das deutsche Hoheitsgebiet und einen "klaren Verstoß gegen das Völkerrecht". Zwar könnten Bürgerrechte eingeschränkt werde, wenn es um Belange der nationalen Sicherheit gehe. Wirtschaftsspionage oder das Abhören des Handys der deutschen Kanzlerin fielen jedoch nicht unter die nationale Sicherheit.
Experten: Zwischen massivem Verstoß und erlaubter Spionage
Skeptischer stuften der Bonner Völkerrechtsprofessor Stefan Talmon und Helmut Philipp Aust, Rechtswissenschaftler an der Berliner Humboldt-Uni, die Möglichkeiten ein, über internationales Recht dem Schutz der Bürgerrechte bei der Spionage Geltung zu verschaffen.
Sie wiesen darauf hin, dass das Völkerrecht Spionage nicht verbiete. Gegen eine Überwachung, die vom Ausland aus erfolge, gebe es keine rechtliche Handhabe, erläuterte Talmon. Ein Verstoß gegen internationale Regeln liege nur dann vor, wenn Botschaften oder Militärstandorte im ausgespähten Land für Spionage genutzt würden. Zwar habe der Staat die Belange der Bürger zu schützen, doch gebe es bei der Abwägung von Grundrechten und Sicherheitserfordernissen einen Ermessensspielraum, sagte der Bonner Professor. Der Generalbundesanwalt sei jedenfalls wegen der NSA-Überwachung nicht zur Einleitung von Ermittlungen verpflichtet.
Möglichkeiten zu einem gerichtlichen Vorgehen gegen Ausspähung verortete Talmon in einer Klage vor dem Menschenrechtsgerichtshof gegen Großbritannien, wobei er dem Gang nach Straßburg keine großen Chancen einräumte.
Die aktuelle Befragung war bereits das zweite Hearing von Rechtsexperten zum Thema. Bereits Ende Mai hatte der Untersuchungsausschuss drei Verfassungsrechtler - darunter zwei ehemalige Verfassungsrichter - dazu befragt, was der deutsche Gesetzgeber zum Schutz seiner Bürger gegen ausländische Geheimdienste unternehmen könne. Die damals befragten Experten hatten konkrete Maßnahmen durch den Gesetzgeber gefordert.
hib/mbr/LTO-Redaktion
NSA-Untersuchungsausschuss befragt Rechtsexperten: . In: Legal Tribune Online, 06.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12198 (abgerufen am: 10.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag