Ein Langzeitarbeitsloser, der überraschend doch noch einen Job bekommen hatte, konnte diesen nicht antreten, weil er sich die Mietkaution am neuen Arbeitsort nicht leisten konnte. Sozialwidrig gehandelt hat er dadurch nicht, so das LSG.
Nimmt ein Arbeitsloser einen Job nicht auf, weil das Jobcenter ihm nicht die nötige Hilfe leistet, so liegt kein "sozialwidriges Verhalten" vor, das eine Rückzahlung von Leistungen rechtfertigen könnte. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen mit nun veröffentlichtem Urteil (v. 26.01.2023, L 11 AS 336/21) entschieden.
Konkret geht es um den Fall eines Langzeitarbeitslosen aus Osnabrück, der bis 2003 als Buchhalter gearbeitet hatte. Hiernach folgten Zeiten der Arbeitslosigkeit und verschiedene Hilfsarbeiten in Lagerwirtschaft, Gebäudereinigung und Supermarkt. Viele Jahre bewarb sich der Mann erfolglos auf Stellen als Buchhalter, bis das Jobcenter schließlich ab 2017 keine weiteren Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen mehr übernahm. Überraschend erhielt er dann 2019 doch noch einen Arbeitsvertrag als Buchhalter bei einer Behörde in Düsseldorf. Da das Jobcenter sich aber weigerte, die Mietkaution zu übernehmen, und der Mann deshalb nicht umziehen konnte, trat er den Job nicht an.
2020 machte das Jobcenter dem Mann gegenüber dann eine Erstattungsforderung wegen sozialwidrigen Verhaltens geltend, da er nicht zum Einstellungstermin erschienen sei und damit vorsätzlich das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhindert habe. Er müsse daher Grundsicherungsleistungen von rund 6.800 Euro erstatten. Hiergegen klagte er, denn den fehlenden Arbeitsantritt habe nicht er zu verschulden gehabt.
Mann hat seinen Jobantritt nicht in zu missbilligender Weise selbst vereitelt
Das LSG gab dem arbeitslos gebliebenen Mann Recht. Zwar müssen nach § 34 Sozialgesetzbuch (SGB) II Betroffene, die ihre Hilfebedürftigkeit selbst herbeiführen, sie verschärfen oder nicht verringern, sämtliche erhaltenen Leistungen für bis zu drei Jahre zurückzahlen. Dafür sei jedoch erforderlich, dass sich der Betreffende – im Sinne eines objektiven Unwerturteils – in zu missbilligender Weise in die Lage gebracht hat, existenzsichernde Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen, so das LSG. Gerade das sei hier aber nicht der Fall gewesen.
Denn auch nach Auffassung des Gerichs wäre aufgrund der weiten Entfernung zwischen dem bisherigen Wohnort in Osnabrück und der Arbeitsstelle in Düsseldorf ein Umzug für den Mann notwendig gewesen. Es stelle deshalb kein sozialwidriges Verhalten dar, wenn der Mann den Job nur deshalb nicht antritt, weil er am künftigen Beschäftigungsort keine Wohnung anmieten kann, da ihm selbst die Mittel für die Mietkaution fehlen und das Jobcenter die Übernahme der Kaution abgelehnt habt. Entsprechend habe das Jobcenter keinen Anspruch auf Rückzahlung der Grundsicherungsleistungen.
pab/LTO-Redaktion
LSG rügt Jobcenter: . In: Legal Tribune Online, 15.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51316 (abgerufen am: 14.12.2024 )
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