Ein Gericht nach dem anderen verbannt ältere Diesel aus den Städten. Doch wie soll im nächsten Jahr überhaupt kontrolliert werden, ob sich betroffene Fahrer an Verbote halten? Eine automatische Datenerfassung stößt jedenfalls auf Bedenken.
Die Fahrverbote für Dieselautos summieren sich. Etwa 100.000 betroffene Wagen sind es im kommenden Jahr in Köln, 70.000 in Frankfurt, 60.000 in Stuttgart, 40.000 in Essen. Berlin kommt sogar auf mehr als 200.000 potenziell ausgesperrte Fahrzeuge, wenn dort Verbote auf verschiedenen Straßenabschnitten greifen. Weitere Städte mit Beschränkungen dürften folgen.
Die Zahlen der zugelassenen Selbstzünder mit Abgasnorm Euro 5 oder darunter stammen vom Kraftfahrt-Bundesamt (Stand Januar 2018). Durch Ausnahmen etwa für Handwerker dürften sie etwas sinken. Doch hinzu kommen noch unzählige Pendler aus dem Umland, die wohl ebenfalls ausgeschlossen werden.
Eine Frage brennt den Behörden nun besonders auf den Nägeln: Wie soll man so umfassende Verbote kontrollieren? Bisher sind händische Stichproben-Kontrollen vorgesehen - ein neues Bundesgesetz könnte aber die automatisierte Analyse ermöglichen. Und hiergegen gibt es Bedenken.
Kürzlich kam die Frage der Kontrollierbarkeit von Fahrverboten schon vor dem Kölner Verwaltungsgericht zur Sprache. Ein Vertreter des Regierungsbezirks sagte, die Einschränkungen wären nur "mit erheblichem Aufwand" zu überprüfen. "Das wird meiner Meinung nach dazu führen, dass die Überwachung nicht so intensiv sein wird, und damit wird es im hohen Maße eine Missachtung geben", schätzte er.
Könnte heißen: An Fahrverbote würde sich ohnehin kaum jemand halten - dann sollte man das doch besser ganz lassen. Der Richter folgte diesem Argument aber nicht und ordnete später ein Zonen-Verbot an.
Bisher nur Kontrolle durch Polizei und Ordnungsamt
Kontrollen "per Hand" von einzelnen Ordnungshütern werden zum Beispiel in Hamburg praktiziert, der einzigen Stadt, in der bereits Fahrverbote gelten. Dort gibt es Schwerpunkteinsätze und anlassbezogene Kontrollen im täglichen Dienst. Wenn also etwa ein altes Fahrzeug auffällt, überprüft das die Streife. Allerdings ist die Situation in der Hansestadt insgesamt nicht so gravierend, weil das Verbot dort nur für Teile zweier Durchfahrtsstraßen gilt.
In Stuttgart ist hingegen das Stadtgebiet betroffen - Anfang 2019 zunächst Euro-4er, später auch Euro-5er. Die Polizei soll Papiere im Rahmen ihrer normalen Kontrollen überprüfen. Das tut sie, wenn dies durch äußere Merkmale naheliegt, oder wenn gegen die Halter ohnehin ein Bußgeldverfahren wegen eines Verstoßes läuft. Parkt also ein Autofahrer mit seinem Euro-4-Diesel ohne Ausnahmegenehmigung falsch und bekommt ein Knöllchen, gibt es wegen des Fahrverbots eins oben drauf. 80 Euro werden beim Verstoß gegen das Fahrverbot fällig.
In Hamburg kommt man glimpflicher davon, dort sind es 20 Euro für Pkw. Auch in Frankfurt laufen Vorbereitungen für Kontrollen. Klar ist bisher: Die Behörden setzen auf altbewährte Verfahren.
Bedenken gegen automatische Nummernschildüberwachung
Vielleicht müssen individuelle Kontrollen gar nicht sein - zumindest, wenn man davon ausgeht, dass die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur automatisierten Nummernschild-Überwachung durch Bundestag und Bundesrat bekommt. In dem unlängst beschlossenen Text heißt es, die Behörden sollten "im Rahmen von Kontrollen bestimmte Daten, auch automatisiert, erheben, speichern und verwenden sowie auf die Daten des Zentralen Fahrzeugregisters zugreifen können". Das Nummernschild, Bild des Fahrers und anderes sollen erfasst und gespeichert werden.
Datenschutz-Aktivisten wie Markus Beckedahl von netzpolitik.org lehnen das als Eingriff in die Privatsphäre ab. Auch bei den Grünen herrscht Kopfschütteln. Die Einhaltung der Verbote müsse zwar "möglichst effektiv kontrolliert werden", sagt der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz. Der Gesetzesvorschlag schieße aber weit übers Ziel hinaus: "Die Installation einer solchen, vollautomatisierten Infrastruktur zur Aufdeckung von möglichen Ordnungswidrigkeits-Verstößen ist unverhältnismäßig und auch verfassungsrechtlich äußerst bedenklich."
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) macht sich hingegen keine Sorgen wegen des Datenschutzes. "Man muss sicherstellen, dass nur Aufnahmen von den Fahrzeugen gespeichert werden, mit denen ein Regelverstoß begangen wurde", sagt Vize-Chef Arnold Plickert. Nach der Aufnahme sollte ein Datenabgleich erfolgen, danach sollten nur Diesel-Sünder gespeichert werden. Daten zur großen Masse der Autos würden nach den Vorstellungen des Gewerkschafters also gar nicht erst nicht festgehalten.
Im Gesetzesentwurf steht aber etwas anderes. Zwar heißt es, dass Daten von berechtigten Fahrern "unverzüglich" zu löschen seien. Zugleich ist jedoch die Rede von einer "absoluten Löschungsfrist von sechs Monaten" - in dieser Zeit müsse festgestellt werden, "ob das Fahrzeug an der Teilnahme am Verkehr im Gebiet mit Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverboten berechtigt oder nicht berechtigt ist".
Ist die Kennzeichenerfassung verhältnismäßig?
Ob das Gesetz aber vor deutschen Gerichten, in letzter Konsequenz womöglich auch vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Bestand haben könnte, ist für Michael Kamps, Partner im Kölner Büro der Wirtschaftskanzlei CMS und dort vor allem mit datenschutzrechtlichen Fragen befasst, noch unsicher. Viel hängt davon ab, ob die Überprüfung auch anders zu bewerkstelligen wäre, wie Kamps im LTO-Gespräch erklärt: "Die rechtliche Problematik dreht sich letztlich darum, ob die Maßnahme verhältnismäßig ist oder es ein milderes Mittel gibt", so Kamps. "Das ist im Grunde eine tatsächliche Frage: Können die Fahrzeuge auch anders - durchaus auch automatisiert - überprüft werden?"
Sollte das Gesetz zustande kommen und irgendwann gerichtlich überprüft werden, so könnten Richter hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit durchaus strenger nachfragen und u. U. auch erweiterte Vorgaben zur technischen Gestaltung machen, meint Kamps. Aus dem derzeit vorliegenden Entwurf sei noch nicht klar erkennbar, wie das Verfahren genau ausgestaltet werden solle.
Was zulässig sein könnte und was nicht, deutete bereits eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) an, nach der eine automatische Kennzeichenerfassung zum Abgleich mit Fahndungslisten durchgeführt werden darf. In diesem Fall war ein wesentlicher Aspekt der Umfang der vollautomatisierten Datenverarbeitung, wie Kamps erläutert: "Das Gericht hat die Zulässigkeit des Kennzeichenabgleichs vor allem damit begründet, dass in einem ersten Verfahrensschritt die Kennzeichendaten ausschließlich automatisiert gegen Listen abgeglichen wurden", so Kamps. "Je größer der Umfang der möglichen Kenntnisnahme durch eine Behörde außerhalb der vollautomatisierten Verarbeitung ist, desto höher die Anforderungen an die rechtliche Rechtfertigung dieses Grundrechtseingriffs. In jedem Fall muss gewährleistet sein, dass die Daten nur für die Gesetz genannten Zwecke verwendet würden."
BMVI betont "unverzügliche" Löschung
Unterdessen kommt sogar aus Bayern Kritik am CSU-geführten Bundesverkehrsministerium (BMVI). In einem Schreiben des Innenministeriums in München an das zuständige Berliner Referat vom 30. Oktober heißt es, es bestünden "hinsichtlich der anlasslosen Datenverarbeitung datenschutzrechtliche Bedenken". Unbehagen im Freistaat löst auch aus, dass nicht nur das Fahrzeug - also das Nummernschild -, sondern auch der Fahrer fotografiert werden soll.
Das zuständige BMVI betont, die Daten von berechtigten Fahrern sollten "unverzüglich" gelöscht werden. Der Gesetzentwurf sei nur ein Angebot an die zuständigen Behörden in den Bundesländern, um Kontrollmöglichkeiten vor Ort zu verbessern. Die Datenerhebung diene ausschließlich der Feststellung, ob gegen die Fahrverbote verstoßen werde, so das Ministerium.
dpa/mam/acr/LTO-Redaktion
Diesel-Fahrverbote und Datenschutz: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32197 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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