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DAV-Verkehrsrechtler gegen Dieselfahrverbote: "Öko­no­mi­scher und öko­lo­gi­scher Wahn­sinn"

von Hasso Suliak

22.01.2019

Verkehr in Innenstadt (Symbol)

© Wellnhofer Designs - stock.adobe.com

Verkehrsrechtsanwälte des DAV sprechen sich mit überraschend deutlichen Worten gegen Dieselfahrverbote aus. Sie seien "ökonomischer und ökologischer Wahnsinn". Mit DAV-Präsident Schellenberg war das offenbar nicht abgesprochen.

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Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hat sich im Vorfeld des Verkehrsgerichtstages (VGT) ausgesprochen deutlich gegen die Verhängung von Diesel-Fahrverboten positioniert. Sie seien "ökonomischer und ökologischer Wahnsinn", heißt es in einer im Namen des DAV versandten Pressemitteilung. In erster Linie träfen die Fahrverbote "den kleinen Mann und die kleine Frau und schränken zahlreiche Menschen und Gewerbetreibende in ihrer persönlichen und beruflichen grundgesetzlich garantierten Freiheit ein", erklärt Rechtsanwalt Andreas Krämer, einer der Regionalbeauftragten der AG Verkehrsrecht im DAV. Dies geschehe, ohne dass es eine wirkliche ökologische Rechtfertigung gäbe.

DAV-Präsident Ulrich Schellenberg distanzierte sich allerdings auf Nachfrage von den Äußerungen der eigenen Experten: "Die Aussage aus der Pressemitteilung 'Dieselfahrverbote sind ökonomischer und ökologischer Wahnsinn' ist keine Position von Herrn Schellenberg, sondern eine der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht", sagte eine Sprecherin des DAV gegenüber LTO. 

Gesetzlicher Grenzwert "irrational"

DAV-Verkehrsrechtler Krämer bezeichnete auch den aktuell geltenden gesetzliche Grenzwert von 40 Mikrogramm " als "irrational". Er sei "vollkommen willkürlich gewählt, obgleich die Gesundheitsgefahren bei Überschreiten des Grenzwertes überhaupt nicht feststünden", so der Verkehrsrechtler aus Gießen.

"Zahlreiche Arbeitsplätze haben eine um ein Vielfaches höhere Belastung und müssten – nimmt man die gesundheitliche Belastung ernst – sofort verboten werden. Selbst Küchen mit klassischem Gasherd müssten geschlossen werden, da dort bei einem aufwendigen Kochen leicht bis zu 4.000 Mikrogramm zusammenkommen", erklärte der Verkehrsrechtler aus Frankfurt. Selbst der noch vor wenigen Wochen mit vier Kerzen leuchtende Adventskranz produziere über 200 Mikrogramm, ohne dass dadurch irgendjemand nachweisbar gesundheitlich zu Schaden komme.

Fraglich sei außerdem, ob der Grenzwert allein durch Fahrverbote für Diesel-Pkw überhaupt zu erreichen sei: "Erst wenn dies zweifelsfrei feststeht, kann ein solches Verbot allenfalls als ultima ratio betrachtet werden", erklärt Krämer. Auch die Gleichbehandlung mit anderen "Verschmutzern" müsse gewahrt bleiben.

"Kein Mensch hält sich über Stunden an einer vielbefahrenen Straße auf"

Vor diesem Hintergrund begrüßen die Verkehrsanwälte des DAV in ihrer Mitteilung den jüngsten Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH). Die Richter hätten "ernstliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit der vorinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Urteile angemeldet und seien der Ansicht, "dass aus den selbst von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) im Eilverfahren vorgelegten Unterlagen keine Gefahr für die Einwohner beweiskräftig hervorgeht". So lasse sich "mit der gebotenen Eindeutigkeit" nur entnehmen, "dass über die gesundheitlichen Auswirkungen des Gases NO2 eine nur unsichere Datengrundlage besteht und die Studien deshalb durchweg zu dem Ergebnis kommen, dass weitergehende Forschungen notwendig sind."

Weder das Immissionsschutzgesetz noch die zugrunde liegende EU-Richtlinie enthielten ein allgemeines Minimierungsgebot für Schadstoffe, so der hessische VGH, referieren die Anwälte. Die Regelungen verpflichteten nur dazu, einen gemittelten Stickstoffdioxid-Grenzwert einzuhalten. "Die Überschreitung der Grenzwerte genügt deshalb nicht schon für die Verhängung von zonenbezogenen Fahrverboten" zitieren sie aus dem hessischen Urteil.

Weiterhin habe der VGH die derzeit gängigen Messungsmethoden gerügt. Die müssten die Lebenswirklichkeit widerspiegeln, während gerade in Deutschland die Messstationen direkt an den meistbefahrenen Straßen aufgestellt würden. "Es hält sich jedoch kein Mensch über viele Stunden an einer vielbefahrenen Straße auf", so Verkehrsrechtler Krämer. Messstationen gehörten an Orte, wo sich Menschen wirklich überwiegend und für längere Zeit an frischer Luft aufhalten und bewegen, um glaubhafte Ergebnisse zu liefern. "Nur dann können sie eine Rechtfertigung dafür sein, Freiheit einschränkende Maßnahmen, wie Dieselfahrverbote, zu verhängen."

Unterdessen will die DUH trotz heftiger Kritik an ihrem Vorgehen in ihren Bemühungen nicht nachlassen. Nach der Entscheidung des VGH hatte DUH-ChefJürgen Resch angekündigt, dass die Organisation weitere Klagen für Diesel-Fahrverbote prüfe. Man sei zwar mit den bisher 34 eingereichten Klagen "sehr beschäftigt", es stünden jedoch noch 22 Städte mit Überschreitung des EU-Grenzwertes für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid aus.

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DAV-Verkehrsrechtler gegen Dieselfahrverbote: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33383 (abgerufen am: 15.11.2025 )

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