Nach der Cannabis-Entkriminalisierung kommt es für die Konsumenten nun auch zu einer moderaten Liberalisierung im Straßenverkehr. SPD, Grüne und FDP verständigten sich auf einen höheren THC-Grenzwert – sowie ein strenges Alkoholverbot.
Die Ampelfraktionen haben sich im Nachgang zu der seit 1. April geltenden Cannabis-Freigabe, die den Besitz bestimmter Mengen von Cannabis zum Eigenkonsum straffrei stellt, nun auch auf Änderungen für Cannabis konsumierende Autofahrer verständigt. Das "Sechste Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften" soll am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten werden.
Der Entwurf, der LTO vorliegt, sieht neben einer Erhöhung des derzeit noch geltenden, von der Rechtsprechung geprägten Grenzwertes von 1,0 Nanogramm (ng) Tetrahydrocannabinol (THC) auf 3,5ng pro Milliliter Blutserum auch ein striktes Alkoholverbot für Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr vor. Außerdem kommt es zu einer besonderen Regelung betreffend Cannabis im Straßenverkehr für Fahranfänger.
Eine im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) eingesetzte unabhängige Expertengruppe hatte kürzlich vorgeschlagen, den THC-Wert im Blut, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet sei, auf 3,5ng/ml THC-Blutserum anzuheben und diesen erstmals im Straßenverkehrsgesetz (StVG) festzuschreiben. THC gilt als die psychoaktive Substanz des Hanfs und macht den Hauptteil der berauschenden Wirkung aus.
Unter der Einnahme von THC ist laut Gesetzesbegründung jeder Konsum von THC-haltigen Cannabisprodukten zu verstehen. Darunter falle nicht nur das Inhalieren von Marihuana oder Haschisch in Reinform oder vermischt mit Tabak, sondern auch die Einnahme von THC-haltigen Esswaren oder Getränken sowie das Inhalieren von THC-haltigen Ölen und Extrakten durch Verdampfer (Vaping).
Ampelfraktionen: "3,5ngml verhältnismäßig"
Konkret umgesetzt wird die Grenzwert-Anhebung nun in der Ordnungswidrigkeiten (Owi)-Vorschrift des § 24a StVG durch einen neuen Absatz 1a: Künftig handelt danach ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 3,5 ng/ml oder mehr THC im Blutserum hat. Bei Verstoß droht eine Geldbuße von bis zu 3.000 Euro. Erleichterungen gibt es allerdings für Menschen, die Cannabis aus medizinischen Gründen konsumieren. Für sie gelte die Owi-Vorschrift nicht, wenn das vorgefundene THC aus der "bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt".
Bei dem Wert von 3,5ng/ml handelt es sich nach Ansicht der Experten um einen konservativen Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. Im Gesetzentwurf heißt es: "Bei Erreichen dieses THC-Grenzwerts ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab welcher ein allgemeines Unfallrisiko beginnt."
Die Ampel ist davon überzeugt, dass der neue THC-Wert die Handlungsfreiheit des Einzelnen nur insoweit einschränkt, wie dies zur Gewährleistung der Straßenverkehrssicherheit als schützenswertes Gut der Allgemeinheit notwendig ist: "Die gesetzliche Festschreibung des Grenzwerts in dieser Höhe ist geeignet, erforderlich und angemessen und entspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit."
In der Praxis hat der bisher geltende niedrige THC-Wert für die Betroffenen oft fatale Auswirkungen: Selbst Autofahrer, deren Cannabis-Konsum schon länger zurückliegt und die sich nicht im berauschten Zustand ans Steuer begeben, müssen aktuell mit empfindlichen Sanktionen rechnen.
Mischkonsum Cannabis und Alkohol verboten
Das neue Gesetz sieht außerdem vor, dass in § 24a StVG durch einen neuen Absatz 2a ein Alkoholverbot für Cannabiskonsumenten und damit ein neuer OWi-Tatbestand eingeführt wird. Hierdurch soll der besonderen Gefährdung durch Mischkonsum von Cannabis und Alkohol durch eine gegenüber der Regelung in § 24a Abs. 1a StVG erhöhte Geldbuße Rechnung getragen werden. Nach § 24a Abs. 2a StVG handelt künftig ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr 3,5 ng/ml oder mehr THC im Blutserum hat und alkoholische Getränke zu sich nimmt oder die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung eines alkoholischen Getränks steht. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro geahndet werden. Durch diese Regelung trage das Gesetz zur Straßenverkehrssicherheit bei, heißt es im Entwurf.
Für Fahranfänger und Fahranfängerinnen bzw. junge Fahrer vor Vollendung des 21. Lebensjahres wird zudem das bestehende Alkoholverbot in § 24c StVG nunmehr um das Verbot von Cannabiskonsum ergänzt und hierfür der bisher von der Rechtsprechung festgelegte strenge Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum angesetzt.
Speicheltests als Vorscreening
In einer ersten Reaktion auf den geeinten Gesetzentwurf begrüßte die Bundestagsabgeordnete Swantje Michaelsen, Berichterstatterin von Bündnis 90/ Die Grünen für Verkehrssicherheit, gegenüber LTO das gefundene Ergebnis: "Mit dem neuen THC-Grenzwert für den Straßenverkehr schaffen wir erneut einen Paradigmenwechsel. Das ist ein Riesenerfolg. Mit 3,5 ng/ml THC im Blutserum legen wir nun einen echten Gefahrengrenzwert fest, der gleichzeitig sicher ist und fair."
Michaelsen wies auch auf die Neuerung hin, dass als Vorscreening bei Verdachtsfällen im Rahmen von Verkehrskontrollen in Zukunft Speicheltests angewendet werden können. "Diese eignen sich im Besonderen dafür, Konsum im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Fahrtantritt zu identifizieren", so die Abgeordnete.
Im Zweifel können derartige Drogenschnelltests Betroffene entlasten. Im Gesetzentwurf heißt es dazu: "Im Einzelfall kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei häufigerem Konsum die THC-Konzentration, trotz adäquater Trennung zwischen Konsum und Fahren, oberhalb des Wirkungsgrenzwertes von 3,5 ng/ml THC im Blutserum liegt. Daher sollten - soweit verfügbar - Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening zum Nachweis des aktuellen Konsums aus Gründen der Praktikabilität und zur Vermeidung der Erfassung eines länger zurückliegenden Konsums von den Kontrollbehörden der Länder eingesetzt werden." Das BMDV werde hierzu die Bundesanstalt für Straßenwesen beauftragen, die entsprechenden Details (z. B. notwendige Sensitivität) auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Ausland zu klären. Der Einsatz von Speicheltests bedürfe keiner Änderung des StVG.
Auch Änderung des Konsumcannabisgesetzes
Neben den Änderungen im Straßenverkehrsrecht soll am späten Donnerstagabend im Bundestag auch ein Gesetzentwurf beraten werden, der das gerade beschlossene Konsumcannabisgesetz (KCanG) wieder ändert. Hintergrund der Nachjustierung ist die Protokollerklärung, die die Bundesregierung im Rahmen der Sitzung des Bundesrates am 22. März 2024 zum Cannabis-Gesetz abgegeben hat.
Die Veränderungen sollen den Bedenken und Wünschen der Länder Rechnung tragen, heißt es. So soll die im KCanG vorgesehene Evaluation erweitert und die Kontrolle von Anbauvereinigungen durch die Länder flexibilisiert werden.
Änderungen im Straßenverkehrsrecht: . In: Legal Tribune Online, 14.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54541 (abgerufen am: 11.10.2024 )
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