Druckversion
Dienstag, 17.06.2025, 12:33 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/bgh-3str5220-tatbestandsirrtum-vereinsverbot-verbotsirrtum-vereinsgesetz-pkk
Fenster schließen
Artikel drucken
42209

BGH grenzt ab: Nicht jeder Irrtum über ein Verbot ist auch ein Ver­bot­s­irrtum

15.07.2020

Pforte des Bundesgerichtshofs

(c) stock.adobe.com - nmann77

Ist ein Verein verboten worden, so darf man sich nicht für ihn betätigen. Der BGH hat nun noch einmal klargestellt, dass man aber wenigstens grob wissen muss, dass ein Verein verboten ist, um vorsätzlich handeln zu können.

Anzeige

Irrt sich ein Täter über das Bestehen eines Verbots, so unterliegt er einem Tatbestandsirrtum, nicht etwa einem Verbotsirrtum. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung in Bezug auf eine Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot festgehalten (Beschl. v. 10.06.2020, Az. 3 StR 52/20). Um den Vorsatz bejahen zu können, müsse zumindest eine laienhafte Vorstellung von der Existenz eines Vereinsverbots vorliegen. 

Anlass war der Fall eines Demonstranten, der sich 2016 in Berlin einem spontanen Aufzug gegen die Bombardierung kurdischer Städte durch das türkische Militär angeschlossen hatte. Im Zuge dessen hatte der Demonstrant mit einer größeren Gruppe mehrmals "PKK" gerufen. "PKK" steht für die "Arbeiterpartei Kurdistans", diese hatte der Bundesinnenminister bereits 1993 mit einem vereinsrechtlichen Verbot belegt. Gilt für eine Vereinigung ein solches Verbot, so darf man sich auch nicht für sie betätigen. Dies habe er aber nicht gewusst, argumentierte der Demonstrant, nachdem er sich nach den Ereignissen vor Gericht wiederfand. 

Die Staatsanwaltschat ließ sich von diesem Argument aber nicht überzeugen und brachte den Fall bis vor den BGH. Die Bundesrichter sind jedoch der Ansicht des Landgerichts Berlin gefolgt und haben die Erfüllung des subjektiven Tatbestands verneint.

Abgrenzung zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum

Der in diesem Fall einschlägige § 20 Vereinsgesetz stellt die Strafvorschrift bei Zuwiderhandlung gegen Verbote des Vereinsrechts dar. Hierbei handle es sich um eine Blankettstrafvorschrift, die das tatbestandliche Unrecht nicht selbst beschreibe, sondern auf ein vollziehbares Verbot verweise, so der BGH. Regeln Strafnormen den Verstoß gegen eine solche behördliche Anordnung, so müsse deren Existenz vom Vorsatz umfasst sein. 

Der BGH hat an dieser Stelle zwischen einem – hier vorliegenden – Tatbestandsirrtum und einem Verbotsirrtum abgegrenzt. Hätte ein Irrtum über Bestehen, Gültigkeit, Anwendbarkeit, Inhalt und Reichweite der blankettausfüllenden Norm als solcher vorgelegen, so hätte ein Verbotsirrtum vorgelegen, befanden die Bundesrichter.

Sie haben weiterhin festgehalten, dass in Fällen wie diesem zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands zwar der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) genügt, der Täter aber mindestens in "laienhafter Parallelwertung eine hinreichend deutliche Vorstellung von der Existenz des Betätigungsverbots" haben muss. Nicht erforderlich sei hingegen die positive Kenntnis des Verbots. 

Der BGH hat den erforderlichen Vorsatz des Demonstranten damit als nicht gegeben angesehen, die Staatsanwaltschaft unterliegt mit ihrer Auffassung damit endgültig.

vbr/LTO-Redaktion 

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BGH grenzt ab: . In: Legal Tribune Online, 15.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42209 (abgerufen am: 17.06.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • BGH
    • Strafverfahren
    • Vereine
    • Vereinsverbot
  • Gerichte
    • Bundesgerichtshof (BGH)
RAV-Kongress 2025 Leipzig 17.06.2025
Rechtsstaat

Kongress des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein:

Im Ange­sicht der "lächelnden Guil­lo­tine"

"AufRecht – solidarisch in autoritären Zeiten": In Leipzig diskutiert die radikal-demokratische Anwaltschaft Strategien gegen repressive Machstrukturen in Staat und Justiz. Besondere Ehre widerfährt einer italienischen Strafverteidigerin.

Artikel lesen
Angeklagter Alaa M. bei der Urteilsverkündung am OLG Frankfurt 16.06.2025
Völkerstrafrecht

Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen:

Lebens­lange Haft und Siche­rungs­ver­wah­rung für Alaa M.

Das OLG Frankfurt hat den heute 40-jährigen Mediziner Alaa M. zu lebenslanger Haft verurteilt. Er war als Unterstützer des Assad-Regimes an Folterhandlungen beteiligt. Später hatte er lange als Orthopäde in Deutschland gearbeitet.

Artikel lesen
Fluchtministerin Josefine Paul (Bündnis 90/Die Grünen) bei einer Sondersitzung des Landtags zum Anschlag in Solingen im August 2024. 16.06.2025
Straftaten

Strafbarkeit von Politikern:

Wenn Minister ihre Chat­ver­läufe löschen

Minister mehrerer Parteien weigerten sich bereits, Chats offenzulegen. Fluchtministerin Paul will nach dem Solingen-Attentat nicht kommuniziert haben. Das kann strafbar sein, erläutern Konstantin Dicke und Dr. Leon Lohrmann.

Artikel lesen
Autos auf einer Straße 13.06.2025
Straftaten

Staatsanwaltschaft ließ Anklage teilweise fallen:

Ver­bo­tenes Kraft­fahr­zeug­rennen, kein ver­suchter Mord

Erst ein Streit mit den Chefs, dann eine Raserfahrt durch Darmstadt: Zunächst klagte die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Mordes an, ließ das aber fallen. Das LG verurteilte den Raser nun wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens.

Artikel lesen
Drei Personen in einem eleganten Raum, offenbar in Diskussion. Elegante Ausstattung und formelle Kleidung dominieren das Bild. 12.06.2025
Medien

Der zweite Tag im Compact-Prozess:

"Unsere guten alten Gast­ar­beiter"

Das rechtsextreme Magazin Compact versuchte vor dem BVerwG zu beweisen, dass es Ausländer gar nicht generell ablehnt. Die Diskussion um die Verhältnismäßigkeit des Verbots blieb wenig erhellend. Das Urteil wird noch im Juni verkündet.

Artikel lesen
Compact vor dem BVerwG 10.06.2025
Vereinsverbot

Compact-Prozessauftakt beim BVerwG:

Warten auf die "Blatt­schüsse"

Durfte das BMI das rechtsextreme Compact-Magazin verbieten? Wurde die Pressefreiheit ausreichend berücksichtigt? Was ist verfassungsfeindlich, was politisch legitime Kritik? Beim Bundesverwaltungsgericht hat nun das Verfahren begonnen. 

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Neu­rup­pin

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Frank­furt (Oder)

Logo von Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg
Voll­ju­rist:in­nen (m/w/d) - Trainee­pro­gramm für an­ge­hen­de...

Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg , Ham­burg

Logo von Wolters Kluwer
Ju­rist als Pro­dukt­ma­na­ger im Be­reich Con­tent - Straf­recht (m/w/d)

Wolters Kluwer , Hürth

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Pots­dam

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
RECHTS­AN­WALT (W/M/D) FÜR VER­KEHRS­RECHT

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Mün­chen

Logo von GvW Graf von Westphalen
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) Stand­ort Stutt­gart

GvW Graf von Westphalen , Stutt­gart

Logo von RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Webinar Weltraumrecht «Wettlauf ins All – Europas Rolle, Liechtensteins Beitrag»

17.06.2025

Webinar: RVG-Erhöhung 2025 – so rechnen Sie richtig ab!

18.06.2025

Webinar: RVG-Erhöhung 2025 – so rechnen Sie richtig ab!

18.06.2025

Logo von Fachseminare von Fürstenberg
Die RVG-Reform 2025 - so rechnen Sie richtig ab!

18.06.2025

Triff Möhrle Happ Luther auf der Stellenwerk Messe Hamburg

18.06.2025, Hamburg

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH