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BAG zur Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung: Ren­ten­nähe ist bei Kün­di­gung berück­sich­ti­gungs­fähig

09.12.2022

Brief, Kündigung, Rente

Bei betriebsbedingten Kündigungen muss eine Sozialauswahl erfolgen - die Kriterien hat das BAG nun erneut präzisiert. Foto: contrastwerkstatt - stock.adobe.com

Die Berücksichtigung des Alters ist bei Kündigungen sehr genau abzuwägen. Auch die Rentennähe kann dabei eine Rolle spielen, wie das BAG jetzt entschieden hat - anders als zuvor noch beide Vorinstanzen.

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Arbeitnehmer, bei denen der Renteneintritt nicht mehr weit entfernt ist, können bei betriebsbedingten Kündigungen als Folge von Firmenpleiten schlechte Karten haben. Bei der sozialen Auswahl sei neben anderen Kriterien auch die Rentennähe zu berücksichtigen, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Donnerstag in Erfurt (Urt. v. 08.12.2022, Az. 6 AZR 31/22). "Bei der Gewichtung des Lebensalters kann hierbei zu Lasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass er bereits eine (vorgezogene) Rente wegen Alters abschlagsfrei bezieht", so das BAG.

Das gelte auch, "wenn der Arbeitnehmer rentennah ist, weil er eine solche abschlagsfreie Rente oder die Regelaltersrente spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen kann", so der 6. Senat. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen dürfe nicht berücksichtigt werden.

Geklagt hatte eine im Jahr 1957 geborene Frau, welcher der Insolvenzverwalter ihres Arbeitgebers unter anderem wegen ihrer Rentennähe gekündigt hatte. Sie gehörte zu 61 von knapp 400 Beschäftigten, die auf einer Namensliste zu kündigender Arbeitnehmer standen. Der beklagte Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht, die Frau sei in ihrer Vergleichsgruppe sozial am wenigsten schutzwürdig (§ 1 Abs. 3 S. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO)). Sie hätte die Möglichkeit, zeitnah im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis eine Altersrente für besonders langjährig Beschäftigte zu beziehen.

Lebensalter als ambivalentes Kriterium

Vor dem erstinstanzlichen Arbeitsgericht sowie auch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (dort Az. 16 Sa 152/21) hatte die Frau mit ihrer Kündigungsschutzklage noch Erfolg. Nun entschied das BAG anders. Der Senat erklärte das Auswahlkriterium Lebensalter für ambivalent. Die soziale Schutzbedürftigkeit nehme wegen schlechterer Arbeitsmarktchancen mit steigendem Lebensalter zu. Sie sinke aber wieder, wenn Arbeitnehmer spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses über ein Ersatzeinkommen in Form einer abschlagsfreien Rente verfügen könnten, erklärten sie. Die Betriebsparteien hätten bei einer Sozialauswahl somit einen Wertungsspielraum.

Dr. Johannes Allmendinger, Rechtsanwalt in der Arbeitsgruppe Arbeitsrecht bei Noerr, misst der Entscheidung zu betriebsbedingten Kündigungen über das Insolvenzverfahren hinaus Bedeutung zu. Den vom BAG bestimmten Zeitraum von zwei Jahren bewertet Allmendinger als "durchaus großzügig bemessen, wenn man bedenkt, dass ältere Arbeitnehmer aufgrund der typischerweise schlechteren Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt infolge der Kündigung für eine beachtliche Zeit auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen sein könnten." Weiter betont Allmendinger, dass Arbeitgeber bei der Sozialauswahl gleichwohl darauf zu achten hätten, weitere Kriterien wie Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers ausreichend zu berücksichtigen.

dpa/jb/LTO-Redaktion

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BAG zur Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung: . In: Legal Tribune Online, 09.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50423 (abgerufen am: 08.11.2025 )

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