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Massenentlassungen nach Insolvenz: Air Berlin-Kün­di­gungen im zweiten Anlauf wirksam

08.11.2022

Die Fluggesellschaft Air Berlin ist seit 2017 insolvent. Foto: Markus Mainka/stock.adobe.com

Im ersten Anlauf waren die Massenentlassungen bei Air Berlin noch unwirksam. Die neuerlichen Kündigungen des Kabinenpersonals sind laut Bundesarbeitsgericht nunmehr wirksam.

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Die Nachkündigungen gegenüber dem Kabinenpersonal der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin sind wirksam. Das entschied der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) am Donnerstag (Urt. v. 8.11.2022, Az. 6 AZR 15/22).

Die klagende Flugbegleiterin war bei Air Berlin in Düsseldorf beschäftigt. Wegen der Stilllegung des Flugbetriebs war ihr Arbeitsverhältnis zunächst im Januar 2018 gekündigt worden. Wie das BAG noch im Mai 2020 (Urt. v. 14.5.202, 6 AZR 235/19) entschied, war jedoch die gemäß § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erforderliche Massenkündigungsanzeige fehlerhaft und die Kündigung damit gemäß §§ 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam. Die Anzeige, zu der Arbeitgeber in Deutschland verpflichtet sind, wenn sie einer großen Anzahl von Arbeitnehmern zu kündigen beabsichtigen, war bei einer ört­lich un­zu­stän­di­gen Agen­tur für Ar­beit er­folg­t.

In einem zweiten Anlauf kündigte der Insolvenzverwalter des Flugunternehmens im August 2020 daraufhin dem verbliebenen Kabinenpersonal erneut. Die Flugbegleiterin hatte auch diese Kündigung unter anderem wegen formeller Mängel gerichtlich angefochten, die Vorinstanzen wiesen ihre Kündigungsschutzklage allerdings ab. 

Die hiergegen gerichtete Revision der Frau hatte nun vor dem Sechsten Senat des BAG keinen Erfolg. Das Gericht stellte in seiner Entscheidung fest, dass die Kündigung vom August 2020 das Arbeitsverhältnis beendet hat. Aufgrund der Stilllegung des Flugbetriebs sei diese auch sozial gerechtfertigt. Die Anforderungen an das nach § 17 Abs. 2 KSchG mit der Personalvertretung durchzuführende Konsultationsverfahren seien erfüllt worden, insbesondere sei die Personalvertretung ausreichend über den Zeitraum der beabsichtigten Entlassungen informiert worden. Die Massenentlassungsanzeige sei gemäß § 17 Abs. 3 KSchG bei der weiterhin zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf vollständig erstattet worden. Eine Unwirksamkeit der Kündigung ergebe sich auch nicht aus anderen Gründen.

"Das Urteil fügt sich in die jüngere Rechtsprechungslinie des BAG zu den formalen Anforderungen an Massenentlassungen und insbesondere zur örtlichen Zuständigkeit der Agenturen für Arbeit bei der Erstattung von Massenentlassungsanzeigen ein. Örtlich zuständig für eine Massenentlassungsanzeige ist nach dem BAG die Agentur für Arbeit, in deren Region der von Kündigungen betroffene Betrieb belegen ist – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber diesen zuletzt noch betrieben hat oder nicht", kommentierte Dr. Daniel Dommermuth, Associated Partner bei der Kanzlei Noerr in München und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Die Entscheidung werde im Rahmen künftiger Personalabbaumaßnahmen zu beachten sein: "Die gravierenden Folgen, die formale Fehler im Rahmen von Massenentlassungen nach sich ziehen, erfordern es, entsprechende Maßnahmen und insbesondere alle formalen Schritte einer Massenentlassung sorgfältig und frühzeitig zu planen. Sofern betriebliche Mitbestimmungsgremien zu beteiligen sind, ist das entsprechende Unterrichtungs- und Konsultationsverfahren rechtzeitig einzuleiten und durchzuführen."

pab/dpa/LTO-Redaktion

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Massenentlassungen nach Insolvenz: Air Berlin-Kündigungen im zweiten Anlauf wirksam . In: Legal Tribune Online, 08.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50109/ (abgerufen am: 25.09.2023 )

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