Es ist das Ende einer Ära. Der BGH hat in einem Urteil vom Dienstag sämtliche früheren, gegenwärtigen und zukünftigen Rechtsfragen zu Schönheitsreparaturen beantwortet. Das Gericht legte Wert auf die Feststellung, dass es keinesfalls auf die Besonderheiten des Einzelfalls ankomme und eine Interessenabwägung nicht geboten sei. Experten bewerten die Entscheidung in ersten Stellungnahmen als fair, einleuchtend und ausgesprochen simpel.
Der für das Mietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat mit seinem am Dienstag ergangenen Urteil eine seit Langem heftig umstrittene Rechtsfrage von der juristischen Landkarte getilgt (Urt. v. 01.04.2014, Az. VIII ZR 420/12).
Gegenstand des Verfahrens war die Vornahme von Schönheitsreparaturen durch den Mieter. In welchem Ausmaß, mit welcher Frequenz und in Bezug auf welche Gebäudeteile er hierzu verpflichtet werden kann, stand immer wieder im Zentrum juristischer Auseinandersetzungen und wurde von den Instanzgerichten trotz zahlreicher höchstrichterlicher Entscheidungen bislang uneinheitlich gehandhabt.
"Damit ist jetzt Schluss", zeigte sich Gerichtssprecher T. Rolle auf Anfrage von LTO zuversichtlich. Der BGH habe in seiner aktuellen Entscheidung klare Maßstäbe entwickelt, anhand derer nicht nur das aktuelle, sondern auch sämtliche künftigen Verfahren einer interessengerechten Lösung zugeführt werden könnten.
Justiz lief Gefahr, sich lächerlich zu machen
"Seien wir doch mal ehrlich", führte Rolle weiter aus, "wir reden hier über ein paar Pinselstriche und etwas Bodenpollitur. Wie schwierig kann es bitteschön sein, sämtliche Rechtsfragen in diesem Kontext abschließend zu beantworten?". Die zahlreichen Streitigkeiten zu Fristenplänen und Quotenregelungen habe man über die letzten Jahre zwar mit viel Erheiterung verfolgt, aber irgendwann laufe die Justiz doch Gefahr, sich lächerlich zu machen, wenn sie mit solchen Problemen nicht fertig werde.
Der Senat sprach bei der Urteilsverkündung denn auch davon, dass die nun gefundene Entscheidung so universell anwendbar sei wie weiße Wandfarbe und Lücken in der bisherigen Judikatur so zuverlässig schließe wie Kaugummi alte Bohrlöcher. Auf die Umstände des Einzelfalls komme es absolut nicht an, auch eine Interessenabwägung sei nicht geboten.
Als Handreichung an die Instanzgerichte regt der BGH daher an, sämtliche Streitigkeiten über Schönheitsreparaturen künftig an den Rechtspfleger zu delegieren und die Hälfte der für mietrechtliche Verfahren vorgesehenen Richterstellen zu streichen.
Anwaltschaft rechnet mit Insolvenzwelle
Der Mieterbund wie auch der Eigentümerverband Haus & Grund zogen nach der Urteilsverkündung ein positives Fazit. Beide Vereinigungen lobten insbesondere die ausgewogene Art, mit der der BGH auch den Belangen der jeweiligen Gegenseite Rechnung getragen habe.
Bei der Anwaltschaft findet das Urteil hingegen ein eher kritisches Echo. "Ich verdiene immerhin meinen Lebensunterhalt mit der unnötigen Verkomplizierung simpelster Alltagsprobleme", äußerte ein Fachanwalt für Mietrecht ungehalten, während er das Klingelschild von seiner Kanzlei abschraubte. "Wegen dieser Entscheidung kann ich mein Büro dicht machen. Das einzig Gute daran ist, dass ich nun exakt weiß, in welchem Zustand ich es zu hinterlassen habe."
Doch nicht alle Kollegen sind nach der Entscheidung so zerknirscht. Ein anderer Mietrechtler gab an, er müsse in Zukunft zwar voraussichtlich Hartz IV beziehen, doch darin liege kaum eine Änderung zu seiner bisherigen Einkommenslage als selbständiger Anwalt. Zudem hätten sämtliche Justizprüfungsämter bereits angekündigt, neue Stellen für das Verfassen von Examensklausuren schaffen zu wollen; immerhin sei ihre verlässlichste Quelle soeben weggebrochen.
Constantin Baron van Lijnden, Überraschendes Grundsatzurteil: . In: Legal Tribune Online, 01.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11505 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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