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Debatte um eine Reform der Unternehmensbesteuerung: Schadet die Haf­tungs­be­schrän­kung dem Unter­neh­mertum?

von Prof. Dr. iur. Dr. iur. habil. Caspar Behme

18.03.2024

Ein großer Handsymbolisiert Druck auf einen Unternehmer, der sich gegen unfaire Besteuerung und Haftungsbeschränkungen wehrt.

Illustration: Creativa Images - stock.adobe.com

Wolfgang Grupp appelliert an Unternehmer, das persönliche Haftungsrisiko auf sich zu nehmen, und fordert eine steuerliche Privilegierung. Caspar Behme hinterfragt die Thesen des früheren Trigema-Chefs. 

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Wolfgang Grupp ist kein Mann der leisen Worte. Ehemalige Konkurrenten oder Kunden, die den Wandel der Zeit nicht überlebt haben, sind für ihn Versager. Die Ursache des Versagens scheint ihm, der sein Unternehmen zuletzt als eingetragener Kaufmann führte, ebenfalls klar: Der fehlende Gleichlauf von Erfolg und Verantwortung und die fehlende persönliche Haftung der Unternehmer, deren Scheitern zu Lasten von Gläubigern, Arbeitnehmern oder – bei staatlichen Rettungsmaßnahmen – sogar der Allgemeinheit gehe. Sein Vorschlag: Unternehmer müssen für ihre Fehler mit dem Geschäfts- als auch mit dem Privatvermögen in Haftung gezogen werden. Wer – wie er selbst – dieses Haftungsrisiko auf sich nehme, solle dafür belohnt werden – durch eine geringere Einkommensteuerbelastung. 

Die Idee verdient Beachtung – gerade im Kontext der aktuellen Diskussion um eine Reform der Unternehmensbesteuerung. Aber stimmt die Prämisse, dass Unternehmer sich der persönlichen Haftung flächendeckend entziehen, obwohl eine solche persönliche Haftung ökonomisch wünschenswert wäre?

Persönliche Haftung findet sich selten

In der Tat ist die persönliche Haftung einer natürlichen Person – des Unternehmers – für die Verbindlichkeiten seines Unternehmens im gewerblichen Bereich die Ausnahme. Praktisch dominieren haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaften wie die GmbH oder deren kleine Schwester, die UG (haftungsbeschränkt). Zwar werden viele mittelständische Unternehmen als Kommanditgesellschaften (KG) betrieben, also in einer Rechtsform, in der zumindest ein Teil der Gesellschafter (die sog. Komplementäre) persönlich haften. Die Rolle des Komplementärs wird dann aber regelmäßig durch eine juristische Person ausgefüllt (sog. GmbH & Co. KG). Die Inhaber sind regelmäßig Gesellschafter der Komplementär-GmbH und Kommanditisten der KG. Eine persönliche Haftung ist damit nicht verbunden. KG mit einer natürlichen Person als Komplementär sind rar. 

Trigema ist ein solcher Ausnahmefall: Mit der Übertragung des Unternehmens auf die nächste Generation wurde Wolfgang Grupps Sohn Wolfgang Grupp jun. persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer der TRIGEMA W. Grupp KG (neben der Trigema Verwaltung GmbH, in der sein Vater weiterhin das Sagen hat). 

Aber ist die weite Verbreitung der Haftungsbeschränkung überhaupt ein Problem? Verteufelt Grupp sie zurecht? Auch hier muss man ihm zugestehen, dass tatsächlich die meisten der von Grupp als "Versager" gegeißelten Pleitiers in Unternehmensformen mit Haftungsbeschränkung operieren. Selbst wenn ein Imperium wie das eines René Benko zusammenbricht, bleibt der private Wohlstand der dahinterstehenden Gesellschafter im Grundsatz unangetastet. 

Richtig ist auch, dass die Haftungsbeschränkung dazu verleiten mag, unternehmerische Wagnisse einzugehen, die gesamtgesellschaftlich unerwünscht sind. Weil im Erfolgsfall davon wenige profitieren, im Fall des Scheiterns aber viele darunter leiden müssen. Vertragspartner haftungsbeschränkter Unternehmen können sich gegen solche Risiken (unter Inkaufnahme von Transaktionskosten) absichern, etwa durch Bürgschaften oder Garantien, die, sofern sie von den Gesellschaftern gestellt werden, die Haftungsbeschränkung ein Stück weit relativieren. Aber wer durch ein haftungsbeschränktes Unternehmen deliktisch geschädigt wird, kann dies nicht. 

Gleichwohl kann eine Volkswirtschaft ohne haftungsbeschränkte Gesellschaften nicht auskommen. Viele Unternehmer wagen erst aufgrund der Haftungsbeschränkung überhaupt die Gründung eines Unternehmens, und auch Investoren werden sich regelmäßig nur dann an Unternehmen beteiligen, wenn sie nicht mit ihrem Privatvermögen für sämtliche Verbindlichkeiten einstehen müssen. Großunternehmen, die Kapital an der Börse einsammeln, könnten ohne Haftungsbeschränkung überhaupt nicht existieren: Niemand würde Aktien kaufen, wenn mit der dadurch vermittelten Unternehmensbeteiligung Haftungsrisiken einhergingen.

Ferner kann die persönliche Haftung nicht alle Missstände beseitigen. Auch sie erfasst "nur" das Privatvermögen, nicht aber das Familienvermögen. Wer rechtzeitig Vermögen an Familienmitglieder überträgt, entzieht es dem Zugriff der Unternehmensgläubiger. Anfechtbar ist dies nur unter engen Voraussetzungen. Dies mag der Grund dafür sein, dass ein Anton Schlecker trotz seines unternehmerischen "Versagens", wie Grupp es ausdrücken würde, nach wie vor kein Leben in Armut führen muss.

Persönliche Haftung ist Mittel zur Risikosteuerung

Die Grupp’sche These, dass die Haftungsbeschränkung zum Zocken auf Kosten der Allgemeinheit verleitet und verantwortungsbewusste Unternehmer die persönliche Haftung wählen sollten, ist zu holzschnittartig. Sie hat aber einen berechtigten Kern: Zwar ist Haftungsbeschränkung nicht per se schädlich, sie ist teilweise sogar unverzichtbar. Trotzdem ist die persönliche Haftung ein starkes Signal für verantwortungsbewusstes Unternehmertum, und sie ist durchaus ein Mittel der Risikosteuerung: Wer persönlich haftet, agiert vorsichtiger. Zudem macht sie vertragliche Sicherheiten entbehrlich und spart die damit verbundenen Kosten. Man kann es somit durchaus als wünschenswert bezeichnen, dass Gründer die persönliche Haftung übernehmen, statt sich die Haftungsbeschränkung durch die Aufbringung eines Stammkapitals zu kaufen, das regelmäßig so gering ist, dass es für die Gläubiger der Gesellschaft ohne jede Relevanz bleibt. Daher lohnt es sich, den zweiten Teil von Grupps These – die Forderung nach steuerlicher Privilegierung – näher zu betrachten.

Kapitalgesellschaften zahlen auf ihre Gewinne Körperschaftsteuer (15 %) zzgl. Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer (Gewerbesteuermessbetrag i.H.v. 3,5 %, multipliziert mit einem Hebesatz, den die für die jeweiligen Betriebsstätten zuständigen Gemeinden festlegen; die effektive Belastung variiert zwischen 8,75 % und über 20 %). Zu einer Belastung der Gesellschafter kommt es erst, wenn Gewinne ausgeschüttet werden, und zwar mit 25 % Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag. Dagegen versteuern Einzelunternehmer ihre Gewinne mit der (progressiven) Einkommensteuer, ggf. zzgl. Solidaritätszuschlag. Personengesellschaften, deren Gesellschafter persönlich haften, ebenfalls: Es gilt das Transparenzprinzip; die Gewinne der Gesellschaft werden den Gesellschaftern zugerechnet. Die durch die Gesellschaft gezahlte Gewerbesteuer wird auf die Einkommensteuer angerechnet; allerdings nur bis zu einem Hebesatz von 380 % (also einer Gewerbesteuerbelastung von 13,3 %).

Ob Kapital- oder Personengesellschaften insgesamt günstiger besteuert werden, lässt sich nicht pauschal beantworten. Dies hängt von mehreren Faktoren ab: Zunächst der Höhe der Gewinne, die bei Personengesellschaften aufgrund der Progressivität über die Höhe der Einkommensteuer entscheidet. Zahlen die Gesellschafter den Spitzensteuersatz von 45 %, hält sich die Gesamtbelastung von Gesellschaften mit und ohne persönliche Haftung in etwa die Waage; eine niedrigere Einkommensteuer begünstigt die Wahl einer Gesellschaftsform mit persönlicher Haftung. Ein ganz wesentlicher Faktor ist zudem der Standort der Betriebsstätten: Nur Kapitalgesellschaften profitieren effektiv von einer geringen Gewerbesteuer (denn bei Personengesellschaften spielt es keine Rolle, ob 8,75 % oder 13,3 % mit der Einkommensteuer verrechnet werden; erst darüber macht die Höhe des Hebesatzes einen Unterschied).

(Noch) Kein Steuerprivileg bei persönlicher Haftung

Eine systematische Privilegierung von Unternehmen, deren Gesellschafter die persönliche Haftung übernehmen, gibt es demnach derzeit nicht. Grundlegende Modifizierungen des Einkommensteuertarifs oder der einkommensteuerlichen Freibeträge werden politisch kaum durchsetzbar sein; erst recht wird die Politik eine offensichtliche Besserstellung unternehmerischer Einkünfte gegenüber Arbeitseinkommen scheuen. Trotzdem gibt es Stellschrauben, an denen man ansetzen könnte, um zumindest gewisse steuerliche Anreize zur Wahl von Rechtsformen mit persönlicher Haftung zu schaffen:

Eine Möglichkeit wäre die unbegrenzte Anrechnung gezahlter Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer, also die Aufhebung der derzeitigen Anrechnungsgrenze von 13,3 %. Auf diese Weise würden jedenfalls Unternehmen an "unattraktiven" Standorten mit hoher Gewerbesteuerbelastung incentiviert, eine Gesellschaftsform mit persönlicher Haftung zu wählen, um den Effekt des hohen Gewerbesteuerhebesatzes abzumildern.

Auch die aktuell politisch diskutierte Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Unternehmen kommt Gesellschaften mit persönlicher Haftung überproportional zugute, da der Anteil des Solidaritätszuschlags an der Gesamtsteuerbelastung bei ihnen derzeit – wenn auch geringfügig – höher ist als bei Kapitalgesellschaften.

Der derzeitige Entwurf des Wachstumschancengesetzes sieht vor, dass sich künftig alle Personengesellschaften auf Wunsch steuerlich wie Kapitalgesellschaften behandeln lassen können. Nicht einsehbar ist, warum Einzelunternehmern dieses Optionsrecht verwehrt bleiben soll. Wollen sie wie Kapitalgesellschaften besteuert werden, werden sie förmlich dazu gezwungen, eine Kapitalgesellschaft zu gründen und damit die persönliche Haftung aufzugeben – ein steuerlicher Fehlanreiz bei der Rechtsformwahl, der überdies unnötige Kosten verursacht und daher behoben werden sollte.

Erwägenswert wäre schließlich eine echte steuerliche Haftungsprämie, die nicht für alle Personengesellschaften gilt, sondern dann greift, wenn eine natürliche Person – der Unternehmer selbst – die persönliche Haftung übernimmt. Das wäre wohl das eigentliche Anliegen von Wolfgang Grupp und in der Tat ein starkes Signal: Der Fiskus würde damit die Übernahme unternehmerischer Verantwortung privilegieren und so das Steuerrecht zur Risikosteuerung einsetzen. 

 

Caspar BehmeDer Autor, Prof. Dr. iur. Dr. iur. habil. Caspar Behme, ist Professor für Bürgerliches Recht, insbesondere Vertragsrecht und Vertragsgestaltung, mit Forschungsschwerpunkt Unternehmensrecht an der Frankfurt University of Applied Sciences. 

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Debatte um eine Reform der Unternehmensbesteuerung: . In: Legal Tribune Online, 18.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54135 (abgerufen am: 16.11.2025 )

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