Kanzleien tun gut daran, sich rechtzeitig auf die Generation Y einzustellen, denn die Millenials sind künftige Mitarbeiter und Mandanten. Liane Allmann und Alexandra Hickethiér-Balaschowa erklären, wie die richtige Ansprache gelingt.
Vorurteile, die wir regelmäßig aus dem Kanzleimarkt hören, lauten: Die neue Anwaltsgeneration "schaut mehr auf ihre Work-Life-Balance als auf die billable hours." Sie würde "am liebsten nur von 8:00 bis 16:00 Uhr" arbeiten, aber das reiche nun mal nicht, um Partner zu werden: "Wir sind doch keine Sachbearbeiter in der Verwaltung".
Ja, es stimmt. Die zwischen 1980 und 2000 Geborenen – die sogenannte Generation Y oder die "Millennials" – sind selbstbewusste, bestens ausgebildete und digital affine High Potentials, die nun auf den Bewerbermarkt strömen und ihn sukzessive verändern.
Und ja, diese neue Generation an Bewerbern und potentiellen Mandanten hat ein anderes Wertekonstrukt. Sie arbeiten, um zu leben - nicht umgekehrt. Sie wollen anders geführt werden, und sie werden selbst zukünftig anders führen. Geprägt durch ein besonderes soziales und technologisches Klima spricht die Generation Y eine andere Sprache – eine Sprache, die die eigenen Werte formuliert: Millennial eben.
Der Wertewandel kommt
Die Kluft zwischen den alten und neuen Wertewelten scheint unüberbrückbar. Warum sollten sich Kanzleien Gedanken um diese neue Generation mit ihren vermeintlich völlig unrealistischen Vorstellungen machen? Warum sich anpassen und die Sprache der Generation Y lernen?
Der Grund ist simpel: Wir werden alt und damit abhängig von den Jungen. Die Babyboomer-Generation der 1950er und 1960er Jahre verabschiedet sich bald in den Ruhestand und wird eine große Lücke hinterlassen. Niedrige Geburtenraten, ein wachsender Dienstleistungssektor und zunehmende Globalisierung sowie Kostendruck verschärfen die Situation.
Der Wettbewerb steigt auch in der Rechtsberatungsbranche. Das äußert sich schon jetzt im "war for talents" und wird sich im "war for clients" weiter verschärfen. Noch liegt der Anteil der 20- bis 35jährigen "Ypsiloner" an der erwerbstätigen Bevölkerung nach letzten Daten des Statistischen Bundesamtes bei knapp 20 Prozent. Experten und zahlreiche Studien erwarten, dass die Generation Y im Jahr 2020 bereits 50 Prozent der weltweiten Arbeitskräfte ausmachen wird. 2020 – das sind noch vier Jahre! Wie sollte eine Kanzlei nun auf diesen bevorstehenden Generationswechsel reagieren?
Meditative Geduld und erhabenes Lächeln?
Als Vertreter eines alt hergebrachten und ehrwürdigen Berufsstandes könnten Sie sich in gewohnter Weise gegen den Wandel, die Digitalisierung und die neuen Anforderungen der künftigen Nachwuchsentscheider und Bewerber sperren. Weitermachen wie bisher und das Problem aussitzen! Die Generation Y wird sich schon einkriegen, wenn sie merkt, dass man von Luft, Liebe und Work-Life-Balance nicht leben kann.
Folgendes Szenario könnte dann aber eintreten: Die Partnerriege lichtet sich, denn die Partner gehen nach und nach in Rente. Neue Bewerber sind Fehlanzeige, kaum einer der Nachwuchsjuristen will auf den Partner-Track. Als erste Maßnahme wird das Gehalt erhöht. Geld zieht immer! Dennoch: Bewerber auf die Associate-Stellen passen mit ihren hohen Erwartungen – Teilzeit auch für Partner, Home Office, ausgeklügelte Weiterbildungsprogramme – nicht mehr zur Kanzlei.
Auch die neuen Geschäftsführer und Entscheider auf Mandantenseite haben sich verändert. Sie wollen per WhatsApp auf den aktuellen Stand gebracht werden und sind bei Rückfragen selbst schon "im Freizeit-Modus". Wie soll man da Business betreiben? Im besten Fall kommen jetzt erste Zweifel auf. Wenn der Zug nicht ohne die eigene Kanzlei abfahren soll, gilt es aufzuspringen.
2/3 Die Zeiten ändern sich
Es gibt kein Entrinnen; die Generation Y gibt den Ton an. Mit dieser Erkenntnis kommt das wohlwollende und positiv belegte Bewusstsein, dass eine neue Generation mit neuen Wertvorstellungen, Anforderungen und Erwartungen auch Chancen birgt. Zeiten ändern sich – Arbeitnehmer und Mandanten auch.
Warum Mandanten? Die Generation Y tangiert nicht nur die eigene Bewerberauswahl und das Personalmanagement, sondern hat auf kurz oder lang auch Auswirkungen auf das Mandatsgeschäft. Künftige General Counsel, Geschäftsführer, Vorstände und Entscheider gehören den "Ypsilonern" an. Untersuchungen des Marktforschungsinstituts Red Brick Research ergaben, dass 33 Prozent der Generation Y sich bereits jetzt in einer Führungsposition befinden. Die Hälfte aller Befragten sieht sich in zehn Jahren in einer Führungsrolle.
Das Magazin Capital hat inzwischen zum achten Mal in einem Ranking die junge Elite der Management-Talente gewählt. Darunter sind Geschäftsführer, Finanzvorstände, Global Heads von u.a. BMW, Henkel, Sixt, Google, SAP, Merck, ThyssenKrupp oder Rossmann. Durchschnittsalter 35, Durchschnittsjahrgang: 1981.
Haben Sie eine Wahl?
Zugegeben, für Traditionalisten kostet dieses Umdenken Überwindung – aber es zahlt sich aus. Nelson Mandela formulierte: "Es scheint immer unmöglich, bis es getan ist." Also rein in den Perspektivwechsel und her mit der Empathie. Her mit Überlegungen zu Employer Branding, flexiblen Arbeitszeitmodellen und Office-Yoga. Unternehmenskultur hinterfragen, Mandantenbefragung durchführen, Website optimieren, Social Media einbauen und das erste YouTube-Video drehen!
Interessierte und talentierte Bewerber werden aufmerksam, Mandanten freuen sich über Augenhöhe und Verständnis. Jetzt noch die Richtigen aus den Besten durch "cultural-fit" identifizieren und der nächste M&A-Deal kann mit der Mannschaft gestemmt werden. Läuft! "The war is over – the talents have won"?
Als rechtsberatender Dienstleister ist man gut beraten, sich den Chancen und Neuerungen zu öffnen. Es tut gut, über seinen eigenen, traditionellen Schatten zu springen und sich ein Stück weit in diese neue, unbekannte Welt der künftigen Generation zu begeben. Sie bleiben wettbewerbsfähig, denn Darwins Theorie gilt auch für Unternehmen und Kanzleien: Es wird der überleben, der sich am besten anzupassen vermag.
Hören Sie auf die Wünsche der Generation Y!
Die Millennials treten der Wirtschafts- und Arbeitswelt mit veränderten Wertevorstellungen, Prioritäten, hohen Erwartungen und Hoffnungen gegenüber. Sie sind skeptischer und reflektieren Althergebrachtes. Zunehmend mehr High-Potentials und angehende Führungskräfte betrachten ihre Arbeit als Teil ihrer persönlichen Entwicklung und sind auf der Suche nach einer Tätigkeit, die aus ihrer Sicht sinnhaft ist und durch die sie sich selbst verwirklichen können. Diesen Sinn müssen Sie vermitteln: Warum macht es stolz, in Ihrer Kanzlei zu arbeiten?
Übrigens: Für jene, die glauben Millenials seien "Freizeitoptimierer" und "Egotaktiker", die anstatt an ihrer Karriere zu arbeiten lieber pünktlich Feierabend machten oder sich gleich ins Sabbatical verabschieden, lautet die guten Nachricht: Die Generation Y ist durchaus bereit hart zu arbeiten und will auch entsprechend gut vergütet werden. Doch die Höhe des Gehalts ist nicht mehr die wichtigste Entscheidungsgrundlage bei der Arbeitgeberpräferenzwahl bzw. für Arbeitgeberloyalität.
Karriere wird zunehmend verbunden mit persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten, der Möglichkeit seine eigenen Stärken und Interessen zu entfalten und sich selbst zu verwirklichen. Macht und Status spielen für diese Generation eine untergeordnete Rolle.
3/3 Vertrauen aufbauen, Ängste abbauen
Wenn Sie als Arbeitgeber und/oder beratende Kanzlei ernstgenommen werden wollen, müssen Sie Vertrauen aufbauen. Interessieren Sie sich ernsthaft für die Jungen. Hinterfragen Sie Bedürfnisse. Formulieren Sie Ihre Wertewelten und kommunizieren Sie Ihre Kanzleikultur. Wenn Sie bisher keine haben, bauen Sie sie auf oder machen Sie sich diese bewusst.
Stellen Sie eine verständnisvolle Kommunikation sicher. Formulieren Sie die Bedürfnisse Ihrer künftigen Mitarbeiter und auch Mandanten in Ihr Angebot hinein. Ankommen soll die Botschaft: Wir haben Sie verstanden!
Formulieren Sie Vorurteile und Ängste, die Sie kennen und bauen Sie diese ab. Angst vor Freiheitsverlust? Wir sind flexibel. Angst vor Unterdrückung? Wir sehen in Ihnen einen Partner.
Bauen Sie gezielt Vertrauen auf: Belohnen Sie Mitarbeiter durch anspruchsvolle Tätigkeiten, übertragen Sie ehrlich und echt Kompetenzen. Liefern Sie Mandanten schnell und zuverlässig beste Qualität, und unterschätzen Sie Ihre Zielgruppe nicht.
Gar nicht weit weg von der eigenen Wertewelt?
Wenn Sie Ihre potentielle Mandantschaft verstehen und zukünftige Mitarbeiter schon jetzt schätzen, formulieren Sie das auch. Bedienen Sie mit klaren Botschaften alle relevanten Kanäle in der jeweils richtigen Art. Scheuen Sie sich nicht vor Sozialen Medien, seien Sie auch mal mutig (ohne unglaubwürdig auszuflippen). Und bei allem gilt: Seien Sie ehrlich!
Denn wenn man die Sache genau betrachtet, liegt die Generation Y vielleicht gar nicht so weit weg von Ihrer eigenen Wertewelt, die Sie auf dem steinigen Weg der Karriere ein Stück weit aufgegeben haben. Öffnung tut gut, und eventuell wundern Sie sich über das wunderbare Gefühl, nicht mehr Einzelkämpfer sein zu müssen, sondern zu einem echten, dynamischen Team zu gehören, das durch starke Werte verbunden ist. Diese Verbundenheit spüren Mandanten genauso wie Mitarbeiter.
Die Autorinnen:
Liane Allmann ist Inhaberin von Kitty & Cie., Strategische Kommunikationsberatung & Vertriebsmanagement für Anwälte.
Alexandra Hickethiér-Balaschowa LL.B. arbeitet als Client Services Manager bei der Arbeitsrechtskanzlei Ogletree Deakins, ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind Business Development und Marketing für Kanzleien und Rechtsanwälte.
Liane Allmann, Generation Y als Mitarbeiter und Mandant: Sprechen Sie "Millennial"? . In: Legal Tribune Online, 11.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20827/ (abgerufen am: 28.09.2023 )
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