Facebook, Zalando, Uber. Welcher Anwalt wünscht sich nicht solche namhaften Internetunternehmen mit hohem Beratungsbedarf als Mandanten? Kein Wunder also, dass immer mehr Wirtschaftsanwälte in der Start-up-Szene auf Kundenfang gehen.
Sascha Leske hat das geschafft, wovon viele träumen. Der Berliner Noerr-Partner ist Stammberater von Rocket Internet, einer Holding, der rund hundert Unternehmen, Gruppen und Gesellschaften, darunter etwa Helpling oder Home24, angehören. Der für Donnerstag geplante Börsengang dürfte Rocket Internet zwischen 1,2 und 1,6 Milliarden Euro in die Kassen spülen.
Begonnen hat das Unternehmen vor gerade einmal sieben Jahren als Start-up der aus Köln stammenden Brüder Oliver, Alexander und Marc Samwer. Solche Mandanten wünschen sich viele Anwälte, und gehen deshalb in der Start-up-Szene auf die Suche nach der Nadel im Heuhaufen: dem nächsten Jungunternehmer mit einer genialen Geschäftsidee und möglichst hohem Beratungsbedarf.
Einige Kanzleien sind schon viele Jahre gut in der Gründerszene verankert. Dazu zählen etwa Osborne Clarke, BMH Bräutigam & Partner oder das Berliner Venture-Capital-Team von King & Wood Mallesons SJ Berwin, das sich allerdings nach der Schließung des Büros in eigener Einheit selbstständig macht. Andere entdecken das Feld erst jetzt, wollen aber auch kräftig mitverdienen.
"Lange Zeit haben sich nur wenige Kanzleien ernsthaft darum bemüht, Gründer und Early-Stage-Investoren als Mandanten zu gewinnen", bemerkt Nicolas Gabrysch, Leiter der Venture-Capital-Praxis bei Osborne Clarke. "Mit zunehmender Bedeutung der deutschen Start-up Szene hat sich das geändert. Andere Kanzleien machen verstärkt Marketing in diesem Bereich."
So begeben sich immer mehr Anwälte der internationalen Großkanzleien auf ungewohntes Parkett. Sie tauschen den dunklen Maßanzug mit einem flotten Pullover und mischen sich bei den Veranstaltungen der Start-up-Szene möglichst unauffällig unters Volk. "Allerdings sieht man bei Einigen auf den ersten Blick, dass sie sich dabei unwohl fühlen und eigentlich gar nicht hier sein wollen", sagt einer, der sowohl die Kanzlei- als auch die Start-up-Welt gut kennt. Aber haben sie eine Alternative zu dieser Akquisetour? Aus den Jungunternehmern könnten Multimillionäre werden, mit erheblichem Bedarf an Rechtsberatung. Die Samwer-Brüder beweisen es.
Gentlemen’s Agreements und Honorar-Sponsoring
Ein gewaltiges Manko gibt es allerdings. Die Start-ups machen zumindest in der Anfangsphase kaum Umsätze, geschweige denn Gewinne. Wie sollen sie da die Großkanzlei-Stundensätze von mehreren hundert Euro bezahlen? Hier beweisen die Kanzleien eine Kreativität, von der ihre Industriekunden wohl kaum zu träumen wagen. "Stärker als in anderen Bereichen investieren wir am Anfang in eine Mandatsbeziehung", sagt Osborne-Clarke-Partner Gabrysch. Die Kanzlei berät die Gründer häufig zu Festpreisen, "um Budget und Leistungspaket transparent zu machen".
Tiefer lässt man sich bei Osborne Clarke nicht in die Honorargestaltung blicken, doch von anderen Kanzleien ist zu hören, dass durchaus Gentlemen’s Agreements geschlossen werden, wonach der Jungunternehmer zunächst nur die Hälfte des sonst üblichen Honorars bezahlt. Sobald die Umsätze steigen, steigt auch das Honorar des Anwalts. Denkbar sei auch eine Preisgestaltung, wonach die Kanzlei Honorare bis zu einer bestimmten Grenze, etwa 5.000 Euro, nicht einfordert, sondern als Sponsoring betrachtet, heißt es von anderer Seite. Gehe der Beratungsbedarf darüber hinaus, werde wie üblich abgerechnet.
Auf lange Sicht lohnt sich das für die Kanzleien offensichtlich. Obwohl der typische Start-up-Gründer durchaus das Klischee bedient und auch mal im Hoodie und Flip-Flops zum Gespräch mit den Investoren kommt, legt man in der Szene viel Wert darauf, gute Rechtsberater mit einem wohlklingenden Kanzleinamen zu haben. So dürfte sich das Investment der Kanzleien in die Start-ups spätestens dann auszahlen, wenn weitere Finanzierungsrunden anstehen oder das Unternehmen verkauft wird.
Auch Hengeler und Freshfields mischen mit
Allerdings schreibt nicht jede Neugründung eine derartige Erfolgsgeschichte wie Rocket Internet, und wenn doch, dann müssen die Start-up-Berater achtgeben, dass ihnen nicht andere Kanzleien die Mandanten abjagen.
Ein Blick in die Trackrecords der Top-Kanzleien zeigt, dass diese vor allem auf etablierte Internet-Unternehmen setzen, seltener auf Start-ups in der Gründungsphase. Der Fahrdienste-Vermittler Uber etwa mandatierte für seinen Markteintritt in Deutschland Hengeler Mueller. Freshfields Bruckhaus Deringer, die nicht unbedingt als tief verwurzelt in der Venture-Capital-Szene gelten, beraten den Online-Händler Zalando beim Börsengang. Und neben Noerr sind bekanntlich auch die Kapitalmarktrechtler von Sullivan & Cromwell beim IPO von Rocket Internet mandatiert.
Rocket Internet mag durchaus umstritten sein, weil die Gesellschaft im Wesentlichen erfolgreiche Internet-Geschäftsmodelle kopiert und in verschiedenen Ländern an den Markt bringt. Unstreitig ist aber der Geschäftssinn der Samwer-Brüder: Begonnen hatte deren Karriere vor rund 15 Jahren, als sie das Internetauktionshaus Alando gründeten und später mit hohem Gewinn an Ebay verkauften. Ähnliches ist ihnen mit dem Klingelton-Anbieter Jamba gelungen. 2008 finanzierten die Brüder dann die Gründung von Zalando wesentlich mit.
Einen solchen Geschäftssinn brauchen auch die Anwälte, die Start-ups beraten. "Dank unserer Erfahrung haben wir oft eine sehr klare Meinung zu den Erfolgsaussichten eines Start-ups, die wir auch sehr gerne den Gründern gegenüber kommunizieren", sagt Osborne-Clarke-Partner-Gabrysch, der seit mehr als zehn Jahren in der Szene aktiv ist. "Manchmal hilft das dem Start-up auch weiter."
Und wenn der Mandant die Gewinnzone trotzdem niemals erreicht? Gabrysch ficht das nicht an: "Es macht uns generell großen Spaß, jungen Entrepreneuren und ihren Start-ups zu helfen, auch wenn mal nichts daraus wird", sagt er. Den richtigen Riecher hatte Osborne Clarke etwa bei den Gründern von Daily Deal. "Die haben wir von der Gründung bis zum Verkauf an Google beraten."
Anja Hall, Start-ups und ihre Kanzleien: . In: Legal Tribune Online, 01.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13371 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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