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Jahresbericht des BAG für 2021: Gute sch­lechte Zahlen aus Erfurt

von Tanja Podolski

02.03.2022

Inken Gallner, neue Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, steht im Konferenzbereich des Bundesarbeitsgerichts.

Inken Gallner, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, während des Jahresmediengesprächs.  Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt

Weniger Eingänge, weniger Erledigungen, längere Verfahrensdauer: Die Zahlen des BAG haben sich im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert – das aber hat seine Gründe.

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Die erste Vorstellung des Jahresberichts des Bundesarbeitsgerichts (BAG) durch die noch neue Präsidentin Inken Gallner hätte mit besseren Zahlen daherkommen müssen, um eine Erfolgsgeschichte für das Gericht zu werden.

Die Anzahl der Erledigungen 2021 betrug 1.599, im Vorjahr waren es noch 2.266 Verfahren, die die Richterinnen und Richter in Erfurt erledigten - ein Rückgang um rund 30 Prozent. Gleichzeitig verlängerte sich die Verfahrensdauer, die - ebenfalls bis zum Vorjahr - seit einigen Jahren stets rückläufig und mit sechs Monaten und sieben Tagen im Jahr 2020 die (soweit ersichtlich) geringste aller Bundesgerichte war.

Im Jahr 2021 stieg die Dauer beim BAG wieder auf sieben Monate und sechs Tage an – das waren noch mal drei Tage mehr als im Jahr 2019. Allerdings: In diese Zahl einkalkuliert sind die Verfahren, die sich durch die Vorlage von Rechtsfragen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verlängern. Dort dauert ein Verfahren inzwischen rund eineinhalb Jahre - einst war es nur rund ein Jahr, betonte Gallner.

Viele Fälle liegen am EuGH

Diese Entwicklung vollständig erklären konnte Gallner zwar nicht, doch bei der Vorstellung des Jahresberichts des BAG, die zum zweiten Mal in Folge wegen der Corona-Pandemie in hybrider Form stattfand, lieferte sie mehrere mögliche Gründe für diese Entwicklungen.

So stünden viele Rechtsfragen inzwischen in einen europäischen Kontext, was eine steigende Zahl an Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH mit sich bringe. Die Kommunikation mit dem europäischen Gericht bewertet die sich selbst als "ausgesprochen unionsrechtsaffin" beschreibende Präsidentin als "auf Augenhöhe". Das deutsche Arbeitsrecht erfahre dadurch keinen Bedeutungsverlust. Bei den Vorlagefragen ging es zuletzt etwa um Urlaubsrecht, Befristung, Entgeltgleichheit, Massenentlassung oder auch Nachtzuschläge.

So liegen derzeit beim EuGH zwei Vorlagen des 10. Senats, denen rund 400 Verfahren um Nachtzuschläge zugrunde liegen. Der Senat hatte bereits im Jahr 2020 zwei Vorlagebeschlüsse verfasst. Hintergrund ist, dass nach Tarifverträgen aus der Lebensmittel- und Erfrischungsgetränkeindustrie die regelmäßige Nachtarbeit schlechter vergütet als unregelmäßige. Diese anhängigen Verfahren am BAG ziehen sich durch bis in die arbeitsrechtlichen Instanzgerichte: Rund 6000 Verfahren an den Arbeits- und Landesarbeitsgerichten seien ausgesetzt oder ruhend gestellt, bis der EuGH die Vorlagefragen beantwortet.

Überall weniger arbeitsrechtliche Verfahren

Insgesamt aber sei auch an den Instanzgerichten die Anzahl der Verfahren rückläufig, so Gallner – und der Trend setzt sich zwangsläufig bis ans BAG fort: Das Gericht verzeichnete mit 1.521 Verfahren rund ein Viertel weniger Eingänge als im Vorjahr (2041).

Erklärbar sei dies laut Gallner mit der – abgesehen von der Flugbranche – guten Konjunktur vor der Pandemie. Doch selbst aus der Zeit während der Pandemie seien bisher kaum Fälle von Kündigungen oder gar Massenentlassungen bis ans BAG gekommen. Offenbar hätten die Arbeitgebenden und ihre Beschäftigten auch Homeoffice-Regelungen weitgehend einvernehmlich gelöst - Fälle dazu gab es jedenfalls am BAG bisher nicht, so Gallners Beobachtung.

Die streitigen Fälle drehten sich im Vorjahr vielmehr noch um Plattformarbeit – ein Gebiet, auf dem sowohl der nationale wie auch europäische Gesetzgeber noch sehr aktiv sei, wie Gallner anmerkte -, den Mindestlohn von ausländischen Pflegekräften oder die Folgen der Betriebsschließungen im Lockdown.

Was im Jahr 2022 ansteht

In diesem Jahr werden die Richterinnen und Richter am BAG noch einige Fälle mit Corona-Bezug entscheiden: Eine Flötistin aus einem Orchester klagte wegen der Testpflicht, Reinigungskräfte machen einen Erschwerniszuschlag wegen der Pflicht zum Tragen einer Schutzmaske geltend. Zudem wird soll das BAG über die Darlegungs- und Beweislast bei Überstundenvergütung entscheiden.

Und vielleicht – und das ist zu erwarten – entscheidet auch der EuGH über die Vorlagen zur Nachtarbeit. Dann werden die Erledigungszahlen im kommenden Jahr wieder ansteigen.

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Jahresbericht des BAG für 2021: . In: Legal Tribune Online, 02.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47696 (abgerufen am: 21.05.2025 )

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