Ein Mandant bezahlt seinem Pflichtverteidiger 12.500 Euro Honorar. Dabei weiß er nicht, dass der auch für die Mindestvergütung aus der Staatskasse tätig werden muss. So geht es nicht, der Anwalt muss vorher aufklären, sagt der BGH.
Wenn der Mandant glaubt, den Anwalt noch zusätzlich bezahlen zu müssen, damit er ihn vertritt, darf der Anwalt das Geld durchaus annehmen. Vorher muss er den Klienten aber darüber aufklären, dass er ihn auch ohne Bonus weiterhin vertreten muss, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit kürzlich veröffentlichtem Urteil (Urt. v. 13.12.2018, Az. IX ZR 216/17).
In dem Fall, den der IX. Zivilsenat in Karlsruhe zu entscheiden hatte, war ein Anwalt, der einen Mann zunächst in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren und danach in einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren vertreten hatte, für das anschließende Strafverfahren zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Kurz darauf schloss er mit seinem Mandanten eine Honorarvereinbarung ab, die für ihn eine Vergütung von 12.500 Euro für "die Tätigkeit des Verteidigers im gesamten Ermittlungsverfahren sowie der kompletten ersten Instanz" vorsah.
Ein Pflichtverteidiger wird nicht nur mittellosen Angeklagten und Beschuldigten zur Seite gestellt, sondern soll auch ein ordnungsgemäßes Verfahren garantieren, wenn die Person sich nicht selbst um einen Anwalt kümmert. Seine Bestellung ist daher unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des Mandanten und die Vergütung darf sich unter bestimmten Voraussetzungen an den Gebühren eines Wahlverteidigers orientieren.
Honorarvereinbarung wirksam
Die Honorarvereinbarung zwischen Anwalt und Mandant enthielt auch den Hinweis, dass die Staatskasse im Zweifel nur die gesetzliche Vergütung erstatten müsse und das vereinbarte Honorar deutlich höher liege. Was sich dort dagegen nicht fand, war eine Klarstellung, dass ein Pflichtverteidiger ein höheres Honorar zwar durchaus vereinbaren, aber grds. nicht verlangen kann. Denn gem. § 49 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) muss er - einmal bestellt - die Verteidigung übernehmen, gleich ob der Mandant ihm einen Bonus zahlt oder nicht.
Das war dem Mandanten in diesem Fall allerdings nicht bekannt. Nachdem er es herasfand, forderte er den Anwalt auf, das bereits gezahlte, über die gesetzliche Mindesthöhe hinausgehende Honorar zurückzuerstatten.
Während das Landgericht der Klage stattgegeben hatte, versagte die Berufungsinstanz dem Mann den Rückzahlungsanspruch. Die Honorarvereinbarung, fand man dort, sei formell absolut korrekt gewesen. Ein Pflichtverteidiger müsse einen Mandanten darin nicht extra darauf hinweisen, dass er auch gegen eine geringere Vergütung tätig werden muss. Sie sei damit wirksam und taugliche Grundlage für die Honoraransprüche. Nichtigkeitsgründe, z. B. aufgrund von Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) lägen nicht vor.
BGH sieht Anspruch aus culpa in contrahendo
An diesen Feststellungen hatte der BGH denn auch erst einmal nichts auszusetzen. In der Tat dürfe ein Pflichtverteidiger - im Gegensatz zu einem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt - eine individuelle Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten schließen. Auch dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) sei nicht zu entnehmen, dass er auf die Verpflichtung zur Vertretung ohne Extra-Honorar hinweisen müsste. Nichtigkeitsgründe wie Sittenwidrigkeit sah der Senat ebenfalls nicht.
Allerdings griff der BGH dann noch einmal tief in die BGB-Kiste: Und hält einen Anspruch aus culpa in contrahendo für möglich (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 Bürgliches Gesetzbuch), der Pflichtverletzung bei der Vertragsanbahnung, aus der Schadensersatzansprüche nach dem Vertragsrecht resultieren können. Voraussetzung ist, dass eine der Vertragsparteien bei der Anbahnung des Vertrags, also etwa den Verhandlungen, ihre Pflicht verletzt, auf die Interessen und Rechtsgüter des anderen Rücksicht zu nehmen.
Dies habe das Berufungsgericht hier übersehen, monierten die Karlsruher Richter. Schließlich habe der Anwalt die Pflicht gehabt, vor Abschluss der Vergütungsvereinbarung eindeutig darauf hinzuweisen, dass er auch ohne diese zur Verteidigung verpflichtet sei: "Dies folgt aus der Stellung des Pflichtverteidigers, der (zumindest auch) die Interessen des Beschuldigten wahrzunehmen hat, und aus der erkennbaren Interessenlage des Beschuldigten."
BGH: im Zweifel aufklären
Allgemein haben Anwälte, so führt der BGH zur Begründung aus, diverse Hinweispflichten im Vorfeld einer Vertretung, bspw. wenn eine Rechtsverfolgung wirtschaftlich unsinnig erscheint oder dass trotz Bewilligung von Prozesskostenhilfe weitergehende Gebührenansprüche ihrer Sozietät auf den Mandanten zukommen könnten. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben müssten sie, so die Karlsruher Richter, im Zweifel auch ohne explizite Nachfrage Aufklärung leisten.
Eine solche Pflicht bejahten sie auch im vorliegenden Fall. Um entscheiden zu können, ob er eine Honorarvereinbarung mit dem Pflichtverteidiger abschließen wolle, müsse der potentielle Mandant, so der BGH, "die maßgeblichen Umstände kennen". Dazu gehöre nicht nur die Aufklärung darüber, dass das vereinbarte Honorar die gesetzlichen Gebühren übersteige und die Staatskasse dies nicht tragen werde. "Sachgerecht kann der Beschuldigte nur entscheiden, wenn er weiß, dass der Pflichtverteidiger auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung zur Verteidigung verpflichtet ist."
Von einem Beschuldigten kann nach Ansicht des Senats regelmäßig nicht erwartet werden, das zu wissen. Zudem befänden sich Personen, denen ein Strafverfahren bevorsteht, regelmäßig in einer besonderen psychischen Drucksituation. Gerade hier ist Vertrauen besonders wichtig, findet der BGH.
Damit verwies man die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Dazu stellten die Richter klar, der Mandant müsse nun aber auch beweisen, dass er sich im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung anders verhalten hätte.
BGH zur Aufklärungspflicht in Honorarvereinbarungen: . In: Legal Tribune Online, 21.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33351 (abgerufen am: 11.12.2024 )
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