Anwälte, die in Vermögensverfall geraten, verlieren in der Regel die Anwaltszulassung. Die Gefahr, dass sie mit fremdem Geld nicht sorgfältig umgehen, ist groß. Dies gilt auch für Strafverteidiger, so der BGH. Martin W. Huff berichtet.
Der Vermögensverfall ist der häufigste Grund dafür, dass die Rechtsanwaltskammer die Zulassung als Rechtsanwalt ohne dessen Zustimmung widerruft. Auch Rechtsanwälte, die ausschließlich als Strafverteidiger tätig sind, verlieren in diesem Fall in aller Regel ihre Anwaltszulassung. Das geht aus einem am Freitag veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) hervor (Beschl. v. 11.05.2023, Az. AnwZ (Brfg) 33/22).
Ein Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet worden oder er in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 882b ZPO eingetragen ist. Dies ist dann der Fall, wenn er bei Zwangsvollstreckungen einer Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen ist oder nach deren Abgabe nichts mehr beim Schuldner zu holen ist, so kann man § 882c ZPO zusammenfassen. Kurzum: Der Rechtsanwalt ist nicht mehr in der Lage, seine Schulden zu begleichen.
Häufigste Ursachen dafür sind Zahlungsrückstände bei Versorgungswerken oder Sozialversicherungsträgern, also Krankenkassen und der Rentenversicherung. Bis es hier zu erfolglosen Zwangsvollstreckungen kommt, dauert es meist lange. Und die Rechtsanwaltskammern geben dem Betroffenen in der Regel noch die Gelegenheit seine finanziellen Angelegenheiten rasch zu regeln, dann bleibt die Zulassung auch erhalten.
Zweck: Schutz der Vermögensinteressen des Mandanten
Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist der Schutz der Vermögensinteressen der Mandanten. Hier sieht der BGH in seiner ständigen Rechtsprechung (s. zuletzt beispielhaft Beschl. v. 03.11.2021, Az. AnwZ (Brfg) 29/21 und Beschl. v. 14.10.2022, Az. AnwZ (Brfg) 17/22 m. w. Nachw.) eine Gefahr, die nur in ganz seltenen Fällen ausgeschlossen werden kann. Dies etwa dann, wenn der Rechtsanwalt nur als Angestellter tätig ist und keinerlei Zugriff auf Mandantengelder hat und dies auch deutlich abgesichert ist. Die Hürden hierfür sind aber hoch. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Rechtsanwalt seine Zulassung wieder erhält, sobald er es schafft, die Eintragung im Schuldnerverzeichnis zu löschen.
Jetzt hat der BGH klargestellt, dass dies auch dann gilt, wenn der Rechtsanwalt ausschließlich als Strafverteidiger tätig ist.
Kläger: Widerruf der Zulassung ist unverhältnismäßig
Der Fall: Ein Rechtsanwalt, der nahezu ein Vierteljahrhundert beanstandungsfrei als Strafverteidiger tätig gewesen war, geriet in Vermögensverfall. Die Rechtsanwaltskammer widerrief daher die Zulassung. Der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen in Hamm hielt dies für rechtens (Urt. v. 23.09.2022). Auch der Antrag des Rechtsanwalts auf Zulassung der Berufung hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Das Argument des Anwalts: Als Strafverteidiger gehe er grundsätzlich nicht mit Fremdgeld um, es gäbe keine Gefahr für die Mandantschaft. Seine Arbeitsweise und seine Büroabläufe seien überhaupt nicht darauf ausgerichtet, zivilrechtliche Mandate zu bearbeiten. So könnte er gar kein zivilrechtliches Mandat annehmen und damit, so seine Argumentation, mit einem lukrativen Fall nicht einmal theoretisch seine finanziellen Probleme lösen. Wo keine Fremdgelder seien, könnten sie auch nicht von seinen Konten weggepfändet werden, der Widerruf sei also unverhältnismäßig.
BGH: Teilwiderruf der Zulassung nicht möglich
Den Anwaltssenat des BGH konnte er damit nicht überzeugen. Der Senat in Karlsruhe sieht in der Tatsache, dass der Anwalt nur als Strafverteidiger tätig ist, keinen Sonderfall, in dem die Interessen der Rechtsuchenden ausnahmsweise nicht gefährdet wären. Eine bloße Selbstbeschränkung auf Verteidigermandate und die Absichtserklärung, man werde sich nicht an Fremdgeldern vergreifen, reicht dem BGH nicht aus.
Es müsst eine sichere Prognose möglich sein, dass keine Gefahr für die Mandanten bestünde. Dies sei bei einer reinen Aussage, man könne keine anderen Mandate führen, nicht gegeben. Bei einem Vermögensverfall sei es, so der BGH, egal, auf welchem Rechtsgebiet der betroffene Rechtsanwalt tätig sei. Ein Teilwiderruf der Zulassung käme als milderes Mittel, wie es der klagende Rechtsanwalt vor dem BGH vertreten hat, nicht in Betracht. Die Anwaltszulassung sei nicht teilbar. Die Gefahr für die Rechtssuchenden müsse effektiv ausgeschlossen sein, dafür habe der Rechtsanwalt keine Möglichkeiten genannt, wie er dies erfüllen könne. Da daher ein Teilwiderruf nicht möglich sei, müsse es bei dem Widerruf der Zulassung bleiben. Alles andere sei, so kann man aus dem Beschluss herauslesen, überhaupt nicht überprüfbar.
Auch Strafverteidiger gehen mit fremdem Geld um
Dieser Sichtweise des BGH ist zuzustimmen. Schon das Argument, ein Strafverteidiger ginge nicht mit fremdem Geld um, ist unzutreffend. Zum einen nehmen Strafverteidiger oft Kautionen entgegen, damit die Mandanten aus der Haft entlassen werden können. Sie wickeln zudem Zahlungen an Opfer als Schadensersatz ab. Auch hier wird mit Fremdgeld umgegangen.
Zutreffend ist auch, dass niemand überprüfen kann, welche Mandate ein Rechtsanwalt übernimmt. Die Rechtsanwaltskammern haben keinerlei Überwachungsmöglichkeiten, etwa sich regelmäßig Mandatslisten vorlegen zu lassen oder selbst die Einhaltung von Regeln in der Kanzlei zu kontrollieren. Hier wäre einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
Solange ein Rechtsanwalt im Schuldnerverzeichnis steht, verliert er seine Zulassung, dabei sollte es im Interesse der Mandanten auch bleiben.
BGH zum Vermögensverfall bei Anwälten: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52215 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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