Druckversion
Freitag, 7.11.2025, 16:52 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/saatgut-eu-verordnung-handel-zulassungsverfahren
Fenster schließen
Artikel drucken
8674

EU plant Saatgutverordnung: Schlechte Aussichten für die Evolution

von Prof. Dr. Wolfgang Voit

06.05.2013

Sämling

© kazoka303030 - Fotolia.com

Am Montag legte die EU-Kommission den Entwurf für eine Verordnung zum Saatgutrecht vor, die den gewerblichen Handel mit Saatgut regeln soll. Kleine Samenhändler fühlen sich dadurch gegenüber internationalen Konzernen benachteiligt. Die geplanten Regelungen könnten tatsächlich das Aus für kleine Händler und damit möglicherweise auch für seltene, alte Sorten bedeuten, meint Wolfgang Voit.

Anzeige

Die geplante Verordnung soll an die Stelle der derzeit geltenden Richtlinien treten. Die Kommission will damit den Saatgutmarkt noch weiter vereinheitlichen. Dafür schlägt sie ein Genehmigungsverfahren für alle gewerblichen Saatguthändler und ein Zulassungsverfahren für alle Sorten vor.

Erst im Juli 2012 traf der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine wichtige Entscheidung zum Saatgutrecht. Die gemeinnützige Association Kokopelli, die sich für den Erhalt seltenen Saatguts einsetzt, hatte nicht zugelassenes Saatgut für alte und seltene Sorten französischen Gärtnern geliefert. Die Graines Baumaux SAS, die kommerziell mit Saatgut handelt, hatte sie aufgefordert dies zu unterlassen. Kokopelli machte dagegen geltend, ihre alten Sorten könnten gar keine Zulassung nach der Richtlinie 2002/55 bekommen, weil sie die Kriterien der Unterscheidbarkeit, der Homogenität und der Beständigkeit nicht erfüllen könnte. Auch die Voraussetzungen der Ausnahme nach der Richtlinie 2009/145 könne sie nicht erfüllen.

Der Rechtsstreit landete schließlich in Luxemburg und ging zulasten der gemeinnützigen Organisation aus. Der Gerichtshof betonte in seinem Urteil neben dem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers vor allem die Bedeutung der Sortenregelungen für die Ernährungssicherheit, die nur mit ertragsstarken Sorten sichergestellt werden könnte (Urt. v. 12.07.2012, Az. C 59/11).

Keine Nahrungskrise in Europa zu befürchten

Global betrachtet kann man dieser überaus hohen Wertschätzung der Ernährungssicherheit gewiss etwa abgewinnen. Etwa mit Blick auf das starke Bevölkerungswachstum. 2050 werden über neun Milliarden Menschen auf der Erde leben – so die Prognosen.

Es geht aber um Europa. Und dort haben wir uns jahrelang Prämien für die Stilllegung landwirtschaftlicher Flächen geleistet. Unsere Äcker sind in weiten Bereichen keine Kornfelder mehr, sondern dienen der Energiegewinnung. Es spricht also wenig dafür, dass wir in Europa ohne eine staatliche Sicherung ertragsstarker Sorten in eine Ernährungskrise stürzen werden. Vielfach setzen sich ertragsstarke Sorten schon deshalb durch, weil sie rentabler sind. Wenn Verbraucher künftig andere Sorten bevorzugen, wird die Landwirtschaft diese anbauen. Auch das hat dann einen guten Grund – die freie Marktwirtschaft.

Pflanzen könnten Fähigkeit verlieren, sich an Umwelt anzupassen

Angesichts der aktuellen Rechtsprechung des EuGH wird man allerdings kaum juristisch erfolgreich gegen die weitere Reglementierung der Saatgutlandschaft vorgehen können. Dabei sind die Beschränkungen für Händler und Verbraucher beträchtlich.

Soweit es um Einschränkungen des zulässigen Saatguts aus gesundheitlichen Gründen geht, wird man dagegen wenig einwenden können. Problematischer ist dagegen die Einschränkung des Handels auf Sorten, die den Kriterien der Unterscheidbarkeit, der Homogenität und der Beständigkeit entsprechen. Kleinzüchter befürchten, dass dies das Aus für seltene Sorten bedeuten könnte. Für diese ist ein Zulassungsverfahren nämlich gar nicht möglich, weil die einzelnen Samen in den Sorten variieren und es deshalb an der notwendigen Homogenität fehlt.

Gerade kleinere Züchter mit einer breiten Vielfalt an Sorten können außerdem schon das bestehende Zulassungsverfahren kaum bewältigen. In Gefahr ist in den Augen der Gegner auch die biologische Vielfalt. Die EU-Kommission misst dieser in der Tat einen deutlich geringeren Stellenwert zu als etwa bei Infrastrukturvorhaben.

Ein wichtiges Argument der Gegner des neuen Saatgutrechts liegt in dem Risiko, dass Pflanzen die Fähigkeit verlieren könnten, sich an geänderte Umweltbedingungen anzupassen. Homogenes Saatgut bietet nämlich schlechte Chancen für die Evolution. Dies würde den Konzernen in die Hände spielen, die dann neue anpassungsfähige Sorte technisch entwickeln könnten. Ob die Technik dafür aber tatsächlich geeigneter ist als die Natur, ist fraglich.

Hobbygärtner nicht betroffen

Bei aller Kritik an den Plänen der Kommission darf nicht verschwiegen werden, dass der Sortenschutz die Produktivität erheblich gesteigert hat, Pflanzen vor Schädlingen schützt und die strenge Klassifizierung der Sorten ihrer leichten Handelbarkeit und damit letztlich auch der Warenfreiheit dient. Die Kritik an dem Entwurf war auch häufig überzogen. Es droht weder ein Verbot, selbst Pflanzen zu vermehren und anzubauen, noch wird Hobbygärtner untersagt, Saatgut zu tauschen oder kostenlos abzugeben.

Die geplante Verordnung erfasst nur den kommerziellen Handel. Dies hat die Kommission in einer Presseerklärung Ende April noch einmal klargestellt, um die Wogen etwas zu glätten. Allerdings heißt es in derselben Erklärung auch, dass es für alle Unternehmer, auch für Kleinstunternehmer, ein Zulassungsverfahren und für alle Sorten, auch für seltene alte Sorten, ein Registrierungsverfahren geben soll. Dafür soll allerdings auf ältere Daten und Erfahrungswissen zurückgegriffen werden können, so dass keine neuen Tests verlangt werden müssen.

Es ist dennoch gut, dass die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner den Entwurf der Kommission kritisch diskutieren will. Deutschland wolle sich für eine weitere Entbürokratisierung des Marktzugangs einsetzen, heißt es. Die politische Auseinandersetzung sollte sich dabei nicht auf Anbauverbote und den privaten Kleingärtner beschränken – der nach dem Willen der Kommission ohnehin nicht von der Regelung betroffen sein soll – sondern die grundlegendere Frage nach dem Verhältnis zwischen Ernährungssicherheit und Sortenvielfalt aufgreifen.

Der Autor Prof. Dr. Wolfgang Voit ist Sprecher der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebens- und Futtermittelrecht an der Philipps-Universität Marburg.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Wolfgang Voit, EU plant Saatgutverordnung: . In: Legal Tribune Online, 06.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8674 (abgerufen am: 11.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Europa- und Völkerrecht
    • Agrarrecht
    • Europa
    • Landwirtschaft
Illegal entsorgter Müll 05.11.2025
Umweltschutz

Bekämpfung von Umweltkriminalität:

Das Umwelt­straf­recht als Tür­öffner für höhere Ver­bands­geld­bußen

Das BMJV geht die Umsetzung der EU-Umweltstrafrechtrichtlinie an. Neben Änderungen im Strafgesetzbuch soll der Höchstbetrag für Verbandsgeldbußen vervierfacht werden – auch für Straftaten ohne Umweltbezug.

Artikel lesen
Ex-EGMR-Vizepräsidentin Angelika Nußberger am 20.11.2020 bei einer Podiumsdiskussion zum 75. Jahrestag der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse 04.11.2025
Menschenrechte

75 Jahre Europäische Menschenrechtskonvention:

"Wich­tiger denn je, dass Europa zusam­men­hält"

Angesichts von Kriegen und autoritären Regimen stehen Menschenrechte unter Druck. Europa muss gerade jetzt zusammenhalten, so Angelika Nußberger. Sie wirft einen Blick zurück auf 75 Jahre EMRK und reflektiert über die künftige Entwicklung.

Artikel lesen
Icons verschiedener Messenger-Dienste 03.11.2025
Überwachung

Kompromiss auf EU-Ebene:

Umfas­sende Chat­kon­trolle vom Tisch

Die EU-Kommission wollte Nachrichten bei WhatsApp & Co. automatisch prüfen lassen, um gegen Kinderpornografie vorzugehen. Nach Kritik aus Deutschland und anderen Ländern wird es erstmal keine anlasslose Chatkontrolle geben.

Artikel lesen
Das Bild zeigt die markanten Kuppeln der Russisch-Orthodoxen Kirche in Estland, umgeben von kulturellen Symbolen. 01.11.2025
Religion

Streit um die Russisch-Orthodoxe Kirche in Estland:

Ein­fluss­nahme im Namen Gottes?

Estland hat ein Gesetz verabschiedet, um den Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche auf das geistliche Leben in dem baltischen EU- und Nato-Land zu regulieren. Doch dem Präsidenten geht das zu weit, er hat das Staatsgericht angerufen.

Artikel lesen
Geldscheine und Schriftzug Asyl auf einer Deutschlandkarte 31.10.2025
Flüchtlinge

Angemessener Lebensstandard in Dublin-Verfahren:

"Mehr als ein Recht auf Über­leben"

Ein junger Afghane sollte keine Leistungen mehr erhalten, weil Rumänien für seinen Asylantrag zuständig sei. Der Generalanwalt am EuGH hält das Vorgehen für europarechtswidrig. Der junge Mann müsse einen angemessenen Lebensunterhalt bekommen.

Artikel lesen
Italienische Polizisten in Neapel folgen Eintracht-Fans durch die Straßen, Jahr 2023 30.10.2025
Fußball

Champions League-Begegnung am 4. November:

Aus­schluss von Ein­tracht-Fans ver­stößt gegen EU-Recht

Immer häufiger kommt es im europäischen Spitzenfußball zum Ausschluss von Gästefans. Was vermeintlich dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dient, ist aber rechtswidrig, meinen Nico Halkenhäuser und Tim Weingärtner.

Artikel lesen
lto karriere logo

LTO Karriere - Deutschlands reichweitenstärkstes Karriere-Portal für Jurist:innen

logo lto karriere
Jetzt registrieren bei LTO Karriere

Finde den Job, den Du verdienst 100% kostenlos registrieren und Vorteile nutzen

  • LTO Job Matching: Finde den Job & Arbeitgeber, der zu Dir passt.
  • Jobs per Mail: Verpasse keine neuen Job-Angebote mehr.
  • One-Klick Bewerbung: Dein Klick zum neuen Job, einfach und schnell.
Das Passwort muss mindestens 8 Zeichen lang sein und mindestens einen Großbuchstaben, einen Kleinbuchstaben, eine Zahl und ein Sonderzeichen enthalten (z.B. #?!@$%^&*-).
Pflichtfeld *

Nur noch ein Klick!

Wir haben Dir eine E-Mail gesendet. Bitte klicke auf den Bestätigungslink in dieser E-Mail, um Deine Anmeldung abzuschließen.

Weitere Infos & Updates einfach und kostenlos direkt ins Postfach.

LTO Karriere Newsletter

Das monatliche Update mit aktuellen Stellenangeboten & Karriere-Tipps.

LTO Daily

Jeden Abend um 18 Uhr die wichtigsten News vom Tag.

LTO Presseschau

Jeden Morgen um 7:30 Uhr die aktuelle Berichterstattung über Recht und Justiz.

Pflichtfeld *

Fertig!

Um die kostenlosen Nachrichten zu beziehen, wechsle bitte nochmal in Dein Postfach und bestätige Deine Anmeldung mit dem Bestätigungslink.

Du willst Dein Bewerberprofil direkt anlegen?

Los geht´s!
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von ARNECKE SIBETH DABELSTEIN
Rechts­an­walt (m/w/d) Offs­ho­re-Wind, ma­riti­mes Wirt­schafts­recht (Cor­po­ra­te)...

ARNECKE SIBETH DABELSTEIN , Ham­burg

Logo von DLA Piper UK LLP
Pro Bo­no Re­fe­ren­dar (m/w/x)

DLA Piper UK LLP , Frank­furt am Main

Logo von DLA Piper UK LLP
Pro Bo­no Re­fe­ren­dar (m/w/x)

DLA Piper UK LLP , Ham­burg

Logo von Bird & Bird LLP
Rechts­an­walt (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht (Ver­ga­be­recht)

Bird & Bird LLP , Mün­chen

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
As­so­cia­tes - Tra­de, Com­p­li­an­ce & In­ves­ti­ga­ti­on - Ber­lin

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Ber­lin

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Düs­sel­dorf...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Düs­sel­dorf

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Mün­chen Früh­jahr...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Mün­chen

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Mid-Le­vel As­so­cia­tes | Tra­de, Com­p­li­an­ce & In­ves­ti­ga­ti­on | Ber­lin

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Ber­lin

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Digitale Kamingespräche: Wie arbeitet man eigentlich im DFG-Fachkollegium Privatrecht?

19.11.2025

§ 15 FAO - AGB- und Vertragsrecht für Praktiker:innen

18.11.2025, Hamburg

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Hoch hinaus und großes Spiel: Privates Baurecht am Beispiel von Hochhäusern und Fußballstadien

27.11.2025, Frankfurt am Main

Powerworkshops: Erfolgsfaktor Personal Branding

18.11.2025

Die energierechtliche Beratung im Immobilienbereich (§15 FAO)

18.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH