Gefahrenabwehr durch Öffentlichkeitsarbeit: Achtung, Achtung, hier spricht die #Polizei

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Statt auf Megafone setzen manche Polizeistellen bei ihrer Arbeit mittlerweile verstärkt auf soziale Netzwerke. Im Streit um die Gefahrengebiete in Hamburg hat die Kommunikation mit den Bürgern allerdings nicht besonders gut geklappt. Das sollte die Polizei zum Anlass nehmen, ein klares Konzept für ihr Engagement im Internet zu formulieren und Regeln dafür aufzustellen.
Es war kein Lehrstück für gelungene Öffentlichkeitsarbeit, was die Hamburger Polizei während der Proteste gegen die Räumung der Roten Flora, die städtische Asylpolitik und den Abriss der Esso-Häuser ablieferte. Eine Straßenkarte mit dem Gefahrengebiet, das die Behörde Anfang Januar zum Schutz ihrer Beamten eingerichtet hatte, war in den Medien, nicht aber auf der Internetseite der Polizei zu finden. Wer dort suchte, konnte lediglich in einer kurz angebundenen Pressemitteilung nachlesen, dass es sich um "Teile von Hamburg-Altona, St. Pauli und Sternschanze" handele. Auch begründete die Polizei die Einrichtung des Gefahrengebietes unter anderem mit einem Angriff auf die Davidwache Ende Dezember. Kurze Zeit später musste sie einräumen, dass der Angriff so nicht stattgefunden hatte.
Im Web 2.0 ist die Hamburger Polizei noch nicht so richtig angekommen. Zwar hat sie einen Twitter-Account, der es auf knapp 1.000 Follower bringt – aber bisher auf keinen einzigen Tweet. Auf Facebook ist nur die Wassersportabteilung vertreten, die sich aber eher über Drachenbootrennen und die nächste Hummelregatta austauscht als über die Einrichtung und Aufhebung von Gefahrengebieten.
Die Kollegen in anderen Bundesländern sind da agiler. Als Vorreiter gilt die Polizei in Hannover. Sie fahndet über Facebook nach Verbrechern, kündigt Blitzmarathons an und informiert Fußballfans über Polizeieinsätze bei Lokalderbys mit Gewaltpotenzial. "Social Media findet sowieso statt, wir sind gut beraten, dabei zu sein", sagt Petra Holzhausen, die die Öffentlichkeitsarbeit der hannoverschen Polizei leitet. Ansonsten nutzen Behörden das Internet bisher vor allem, um Verbraucher zu warnen, etwa mit Lebensmittelregistern: vor Pferdelasagne, Gammelfleisch oder Bio-Eiern aus Käfighaltung.
Facebook statt Megafon
Der Juraprofessor Dirk Heckmann von der Uni Passau ist – entgegen der herrschenden Meinung und Praxis – davon überzeugt, dass der Staat zu dieser Art der Kommunikation mit dem Bürger sogar verpflichtet ist. "Früher musste man in einem Antrag begründen, warum man eine bestimmte Information will. Heute muss der Staat begründen, warum er etwas nicht herausgibt. Der nächste Schritt muss sein, dass Behörden von sich aus informieren."
Das heiße auch, dass die Behörden sämtliche technischen Möglichkeiten, insbesondere die neuen Medien, nutzen müssten. "In sozialen Netzwerken können sie die Menschen ja viel effektiver erreichen als das früher möglich war, als man noch mit einem Megafon durch die Innenstadt fuhr, um vor gesundheitsschädlichen Lebensmitteln zu warnen." Der Staat verliere dadurch die Aura des Unzugänglichen.
Die Verpflichtung zur Öffentlichkeitsarbeit leitet Heckmann aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Informationsöffentlichkeit ab: "Der Staat muss grundsätzlich ein öffentlicher Staat sein." Eine Konkretisierung dieser Verpflichtung in einem allgemeinen Gesetz, das gewisse Grundregeln festlegt, hält er für sinnvoll. "Das würde die Kräfteverschiebung, die in der Praxis teilweise schon stattgefunden hat, normieren und könnte zudem deutlich machen, was typische Geheimhaltungsinteressen sind." Spezialvorschriften – etwa für die Arbeit der Polizei – könnten anschließend nachgeschoben werden, soweit nötig.
Nicht der nette Kumpel von nebenan
Gute Öffentlichkeitsarbeit sei gerade für die Polizei sehr wichtig, so Heckmann. "Sie hat das Dilemma, dass sie einerseits unangenehme Maßnahmen treffen muss, um ihren Aufgaben gerecht zu werden, andererseits ist sie darauf angewiesen, dass die Bürger ihre Maßnahmen akzeptieren und mitspielen, damit eine Situation nicht eskaliert wie etwa in Hamburg." Gerade ein soziales Netzwerk wie Facebook biete aber gute Möglichkeiten, um für Akzeptanz zu werben und Dinge zu erklären. So sollte die Polizei nicht nur Informationen etwa über Gefahrengebiete online stellen, sondern auch zum Beispiel erklärende Videos nutzen, um umfassend über ihre Maßnahmen zu informieren.
Die Entdeckung von Facebook und Twitter stellt die Ordnungshüter aber auch vor neue Herausforderungen. Wenn sie sich auf informelle Kanäle einlässt, muss sie deren Sprache sprechen. Das beginne schon damit, dass die User bei Facebook sich duzen, sagt Wolfgang Schulte, der an der Deutschen Hochschule der Polizei den Nachwuchs auf Social Media vorbereitet. "Die Polizei ist aber gleichzeitig nicht der Kumpel von nebenan."
2/2: Regeln für Social Media ebenso notwendig wie für den Umgang mit Medien
Bisher erscheint die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei im Internet eher chaotisch. Manche Dienststellen nutzen Facebook und Twitter, andere aktualisieren nicht einmal ihre Internetauftritte. Die Proteste in Hamburg sollten nun Anlass genug sein, über eine Regelung der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei nachzudenken, so wie dies 1993 die Innenminister und Vertreter von Journalisten, Verlagen sowie Sendern für das Verhältnis von Polizei und Medien taten.
Vorausgegangen war damals das völlig außer Kontrolle geratene Geiseldrama nach einem Überfall auf eine Filiale der Deutschen Bank in Gladbeck. Die Polizei bekam die Situation nicht in den Griff, die Medien führten Live-Interviews mit einem der Täter, traten in Verhandlungen mit den Geiselnehmern und stiegen schließlich ins Fluchtauto ein, um den Entführern den Weg zur Autobahn zu zeigen. Am Ende waren zwei Menschen gestorben und sowohl die Polizei als auch die Medien hatten die Erkenntnis gewonnen, dass sie ihr Miteinander besser regeln sollten.
Zu einer vergleichbaren Katastrophe hat schlechte Öffentlichkeitsarbeit der Polizei noch nicht geführt. Die Situation um die Hamburger Gefahrengebiete war sicherlich keine Sternstunde, aber unkontrollierte Reaktionen wie der Lynchaufruf im Mordfall Lena sind eher ein Beispiel für missglückte Pressearbeit der Ermittlungsbehörden.
Dennoch sollte die Gefahr nicht unterschätzt werden: Hinter der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei stecken nämlich keine Social-Media-Manager oder PR-Berater. "95 Prozent der Leute, die da schreiben und twittern, sind ganz normale Polizeibeamte", erklärt Wolfgang Schulte. Der Sozialwissenschaftler hält es deshalb für eine ideale Lösung, zweigleisig zu fahren und ein Team von Polizeibeamten und Profis einzusetzen. Der Vorgänger der Polizeipressesprecherin in Hannover Petra Holzhausen war Reporter bei einer großen hannoverschen Zeitung.
Eigene Interessen dürfen nicht im Vordergrund stehen
In Niedersachsen gibt es bereits einen Runderlass zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei. Anders als in der gleichnamigen Richtlinie aus Nordrhein-Westfalen geht es darin tatsächlich auch um die Kommunikation mit der Bevölkerung und nicht nur um die Zusammenarbeit mit den Medien. "Offensiv, initiativ, zielgruppenorientiert und konzeptionell" soll die Öffentlichkeitsarbeit gestaltet werden und sich "moderner Methoden und Kommunikationstechniken" bedienen, heißt es. Besonders modern klingt es allerdings nicht, wenn es weiter um die Gestaltung von "elektronischen Medien (z.B. Internet)" geht. Newsletter, Broschüren und Plakate sind dann die offensivsten Methoden, die den Verfassern des Runderlasses einfallen.
Als Verhaltensregeln für die Öffentlichkeitsarbeit würde Heckmann vor allem festlegen, dass die Polizei nicht nur über einen Kanal berichten darf. "Exklusiv auf Facebook zu informieren, würde zu einem Anmeldezwang führen. Es muss deshalb immer eine frei zugängliche Alternative geben, etwa die Internetseite der Polizei." Außerdem müssten die Behörden beim Umgang mit personenbezogenen Daten vorsichtig sein. "Gerade Facebook ist ja datenschutzrechtlich durchaus problematisch."
Anders als ein privates Unternehmen dürfe die Polizei auch nicht ihre eigenen Interessen ins Zentrum ihrer Öffentlichkeitsarbeit rücken. "Die Erledigung konkreter Aufgaben muss immer im Vordergrund stehen. Die Polizei muss objektiv und sachlich informieren", so Heckmann. Eine gewisse PR für sich und ihre Arbeit sei dabei aber nicht ganz verboten. Nur reißerisch und manipulativ dürfe die Darstellung nicht werden.