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20309

Pokémon auf Privatgrundstücken: Ein Gegen­gift für Eigen­tümer?

von Dipl.-Jur. Nicolas Höbel

17.08.2016

Pokémon-Go-Spieler im Freien

© peter verreussel - Fotolia.com

 

Pokémon Go beschäftigt in den USA ein Gericht: Ein Bürger strengt eine Sammelklage gegen den Anbieter Niantic an, weil Spieler auf seinem Grundstück auf die Jagd gehen. Ob er damit in Deutschland Erfolg hätte? Von Nicolas Höbel.

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Das Spielprinzip der Monsterjagd von Pokémon Go ist simpel: Pokémon suchen, fangen und gegeneinander kämpfen lassen. Spannend wird es dadurch, dass die virtuelle Spielwelt mit der Realität verknüpft wird. Überall lassen sich Pokémon finden, die erst durch das "magische Auge" der Smartphone-Kamera sichtbar werden. Die meisten tauchen an sogenannten Pokéstops auf, die oft in Ortszentren oder nah bei Sehenswürdigkeiten liegen.

Viele der Wesen werden aber auch zufällig auf der Landkarte verteilt. So kommt es vor, dass sie auf Privatgrundstücken landen. Nicht alle Spieler – darunter viele Kinder  – hält das davon ab, das fehlende Pokémon ihrer Sammlung hinzuzufügen und dafür fremde Privatgrundstücke zu betreten. Davon hatte Jeffrey Marder aus Kalifornien genug: In einer 16-seitigen Klageschrift nimmt er den Pokémon-Go-Anbieter Niantic auf Unterlassung in Anspruch. Die virtuellen Monster sollen nicht mehr in seinem Haus und Garten zu fangen sein.

Alle Monster auf einmal loswerden

Wer in Deutschland aufdringlichen Pokémon-Trainern gegenüber steht, kann sich zunächst gegen den einzelnen Spieler wehren. Dazu steht ihm der Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Seite. Auch das Strafrecht hilft: Wer befriedetes Besitztum ohne Einwilligung betritt, begeht einen Hausfriedensbruch nach § 123 Strafgesetzbuch (StGB).

Doch das ist mühsam. Leichter wäre es, wie Marder direkt gegen Niantic vorzugehen, damit gar nicht erst Pokémon auf dem eigenen Grundstück auftauchen.

Tatsächlich kämen ohne die Pokémon an Ort und Stelle nur wenige Spieler auf die Idee, Privatgrundstücke zu betreten. Niantic wird damit als "mittelbarer Störer" nach deutschem Recht gemäß § 1004 Abs. 1 BGB heranzuziehen sein. Es genügt, dass der Anbieter den Anreiz für andere schafft, die räumlichen Grenzen fremder Grundstücke zu überschreiten. Zumindest aber müsste das Unternehmen alles in seiner Macht Stehende tun, um die Störungen durch seine Spieler abzustellen.

Davon ist momentan aber wenig zu sehen. Die Pokémon-Go-Internetseite empfiehlt zwar, bei Pokémon auf privatem Gelände anderswo weiterzusuchen – richtig deutlich ist das aber nicht. Es gibt auf der Internetseite von Niantic auch ein Formular, mit dessen Hilfe ungünstig gelegene Pokéstops abgeschaltet werden können. Das hilft aber nicht gegen die "wilden" und zufälligen Erscheinungen außerhalb dieser Stationen, die private Grundstücke betreffen können.

Eine Klage, wie sie Jeffrey Marder vor dem District Court anstrengt, dürfte damit auch hierzulande nicht aussichtslos sein.

Kein Spielverderber sein

Allerdings muss es noch eine Möglichkeit geben, ein Spiel in dieser Größenordnung zu realisieren, ohne jedes einzelne Privatgrundstück auf der Welt auszunehmen. Der Aufwand dafür dürfte sich ansonsten für keinen Anbieter rechnen. Beeinträchtigungen ließen sich aber eindämmen.

So könnte das Erscheinen von Pokémon auf den Rand öffentlicher Straßen begrenzt werden. Das lässt sich dank GPS und Navigationstechnik relativ leicht erreichen. Wo im Spiel ein Pokémon zu finden ist, wird über die softwareeigenen Geokoordinaten und die des Spielers bestimmt. In der Programmierung müsste lediglich sichergestellt werden, dass die Koordinaten der Pokémon in zugänglichen Bereichen liegen. Daten hierfür liefert zum Beispiel der offene Kartendienst "OpenStreetMap", in dem neben Straßen auch Fuß- und Radwege verzeichnet sind. Damit bliebe auch die Monstersuche im Wald möglich.

Vor allem aber könnte Niantic seine Spieler eindringlicher davon abhalten, bei der Jagd vom rechten Weg abzukommen. Ein vorsichtiger Hinweis, wie er bisher auf der Internetseite versteckt ist, genügt dazu nicht. Besser wäre es, mit Nachrichten beim ersten Start des Spiels und in den Ladebildschirmen zu unterstreichen, dass Trainer auf keinen Fall fremde Grundstücke betreten sollen.

Umgekehrt sollte Eigentümern, die ungewöhnliches "Ungeziefer" im eigenen Garten finden, ein virtuelles Rattengift zur Verfügung stehen. So wie sich Pokéstops melden und abschalten lassen, müssten auch einzelne Monster wirksam entfernt werden können.

Die Rechtsfragen, die sich jetzt rund um Pokémon Go stellen, werden sicher in Zukunft noch relevanter. Die Smartphone-Technologie unterstützt solche "Augmented-Reality"-Spiele schon lange, doch bislang hat es am erfolgreichen Produkt gefehlt. Pokémon Go ist nur das erste, aber sicherlich nicht letzte seiner Art.

Der Autor Dipl.-Jur. Nicolas Höbel ist zurzeit Rechtsreferendar am OLG München mit Interessenschwerpunkt im Urheber- und Medienrecht.

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Zitiervorschlag

Dipl.-Jur. Nicolas Höbel , Pokémon auf Privatgrundstücken: Ein Gegengift für Eigentümer? . In: Legal Tribune Online, 17.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20309/ (abgerufen am: 08.06.2023 )

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