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Pkw-Maut nur für Ausländer: "Ein Tiefschlag gegen die europäische Idee"

von Claudia Kornmeier

06.09.2013

Deutsche Bundesautobahn

© Markus Langer - Fotolia.com

Während Horst Seehofer auf einer Vignette nur für Ausländer beharrt, hat sich Angela Merkel klar gegen eine Pkw-Maut ausgesprochen. Experten halten den Streit für bedeutungslos, da die Pläne des CSU-Chefs europarechtlich ohnehin nicht umzusetzen wären. Wir haben bei Stephan Mayer, dem rechtspolitischen Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, nachgefragt, was seine Partei den Kritikern entgegnet.

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Seehofer bleibt dabei. Ausländer sollen in Deutschland eine Pkw-Maut zahlen. Denn wo kommen wir denn hin, wenn immer nur die Deutschen im Ausland zahlen müssen, Ausländer in Deutschland aber nie zur Kasse gebeten werden? Europarechtliche Bedenken wischt der CSU-Chef einfach weg. Im Zweifel müsse eben das Unionsrecht geändert werden.

Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) könnte einer Pkw-Maut nur für Ausländer nämlich entgegenstehen. Dort heißt es: Im Anwendungsbereich der europäischen Verträge ist jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Lässt sich dieses sogenannte Diskriminierungsverbot mit Seehofers Plänen vereinbaren?

"Nein", lautet die eindeutige Antwort des Europarechtlers Volker Boehme-Neßler. "Eine Pkw-Maut, die die Deutschen nicht zahlen müssen, würde EU-Ausländer benachteiligen und gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Das wäre ein Tiefschlag gegen die Grundidee der Europäischen Union überhaupt." Eine Maut nur für Nicht-EU-Ausländer wäre hingegen möglich. Aber wie viele Chinesen fahren schon mit ihren Wagen auf deutschen Autobahnen?

Verrechnung mit Kfz-Steuer wäre mittelbare Diskriminierung

Seehofers Vorschlag zur Güte für alle europarechtlichen Bedenkenträger: Alle Autofahrer sollen künftig eine Vignette auf ihre Windschutzscheibe kleben müssen. Auch die Deutschen. Im Gegensatz zu den Ausländern, soll der deutsche Autofahrer die Vignette aber gratis mit dem Steuerbescheid für die Kfz-Steuer bekommen. Denn über die Kfz-Steuer leiste er ja schon seinen Beitrag zum Erhalt unserer Straßen.

Auch das wäre aber eine Diskriminierung, wenngleich eine versteckte, so Boehme-Neßler. "Art. 18 AEUV bezieht sich auf jede faktische Ungleichbehandlung. Und es ist europarechtlich irrelevant, was Deutsche im Inland für Steuern zahlen." Vignette und Kfz-Steuer könnten also nicht gegengerechnet werden.

Eine Kfz-Steuer ist außerdem als Steuer nicht zweckgebunden. Sie fließt gemeinsam mit allen anderen Steuern in den Bundeshaushalt und kann für die Reparatur von Schlaglöchern genauso wie für Panzer der Bundeswehr oder die nächste Exzellenzinitiative ausgegeben werden. Eine Vignette könnte der Gesetzgeber dagegen beispielsweise als Gebühr für eine konkrete Gegenleistung – nämlich die Benutzung der Straße – ausgestalten. Ihre Höhe hinge dann von den tatsächlichen Kosten des Straßenbaus ab.

Rechtfertigt Interesse des Allgemeinwohls Diskriminierung?

Stephan Mayer, der rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, sieht zwar auch, dass hinter diesem Modell eine mittelbare Diskriminierung steckt. Ganz verabschieden möchte er sich von der Idee dennoch nicht. "Das müssen wir noch europarechtlich prüfen", heißt es von seiner Seite. Der Europäische Gerichtshof lasse nämlich auch mittelbare Diskriminierungen zu, wenn ein zwingendes Interesse des Allgemeinwohls diese rechtfertige. Und was ist der Zustand unserer Autobahnen, wenn nicht ein zwingendes Interesse des Allgemeinwohls?

Vorsichtshalber, für den Fall, dass die europarechtliche Prüfung doch nicht im Sinne der Seehofer'schen Pläne ausfallen sollte, hat Mayer aber noch eine Alternative in petto: eine Vignette für alle – Ausländer und Deutsche. Damit "der deutsche Autofahrer" damit nicht über Gebühr belastet wird, soll gleichzeitig die Mineralölsteuer gesenkt werden. Das Benzin soll also billiger werden. Dafür müssen dann nur noch die Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber mitspielen.

Übrigens: Mayer bevorzugt eine Vignette gegenüber einer Maut. Und auch Seehofer sprach zuletzt von einem Pickerl – wie es die Österreicher nennen. "Eine Pkw-Maut wird es mit mir nicht geben", hatte dagegen Angela Merkel am vergangenen Sonntag im TV-Duell mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück klargestellt. Eine Vignette schon?

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Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Pkw-Maut nur für Ausländer: "Ein Tiefschlag gegen die europäische Idee" . In: Legal Tribune Online, 06.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9509/ (abgerufen am: 30.05.2023 )

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