Das Paris-Abkommen wird weltweit enthusiastisch begrüßt. Dabei sind seine Klimaschutz-Ziele bei genauem Hinsehen vage, die vereinbarten Mittel unambitioniert und am Ende nicht voll verbindlich, meint Felix Ekardt. Vor allem die EU habe versagt.
Am Wochenende haben sich die Staaten weltweit auf ein neues globales Klimaschutzabkommen geeinigt. Allseits wird dieses sogenannte Paris-Abkommen enthusiastisch begrüßt, besonders weil viele schon das Zustandekommen irgendeiner Vereinbarung im Vorfeld deutlich bezweifelt hatten.
Nun wird ab 2020 allen Staaten weltweit aufgegeben, sich mehr um den Klimaschutz zu kümmern. Die Haupt-, aber nicht die alleinige Verantwortung sollen weiter die Industriestaaten tragen. Ferner enthält das Vertragswerk Regelungen dazu, wie die teilweise nötige Anpassung an den Klimawandel finanziert sowie bereits entstandene Klimawandelfolgeschäden kompensiert werden können.
Ein Vertrag war auch bitter nötig, wäre ein fortlaufender Klimawandel doch existenziell und auch wirtschaftlich anerkanntermaßen verheerend für die Menschheit.
Vage Ziele
Das Paris-Abkommen schreibt vor, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, wobei – angesichts der drohenden Folgeschäden konsequent – sogar 1,5 Grad Celsius als noch wünschenswerter bezeichnet werden.
Ferner soll die Menschheit es in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts schaffen, ihre Emissionen vollständig zu neutralisieren. Ein klares Bekenntnis zu einem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen bei Strom, Wärme, Mobilität, Kunststoffen und Mineraldünger aber fehlt, obwohl genau hier die Ursache des Klimawandels liegt.
Der gruppendynamisch vielleicht verständliche kollektive Freudentaumel über das Abkommen verdeckt, dass all dies sicherlich symbolisch wertvoll ist, juristisch jedoch relativ wenig besagt.
Zudem kann schon die damit produzierte globale Energie- und Klimawende-Symbolik kontraproduktiv wirken, wenn man sich nunmehr entspannt zurücklehnt im Glauben, man habe die Herausforderung im Kern gemeistert. Das hat man nicht.
Viel sollen, wenig müssen
Jeder Staat darf freiwillig seine Emissionsziele festlegen. Die vor Paris eingereichten beabsichtigten nationalen Emissionsminderungen können, wenn man das Abkommen richtig liest, von den Staaten letztlich auch wieder relativiert werden, denn sie "sollen" lediglich Emissionen mindern. Und diese freiwilligen Ziele waren ohnehin schon bei weitem zu unambitioniert.
Überhaupt steht viel "sollen" und wenig "müssen" im Abkommen. Die nationalen Bemühungen sollen schrittweise verstärkt werden, die bisherigen Erfahrungen stimmen da jedoch wenig optimistisch. Und die Vorgabe, Emissionen zu neutralisieren, könnte statt eines Ausstiegs aus Öl, Gas und Kohle auch als Einladung zu Mogelpackungen wie – weithin überschätzten – Aufforstungen verstanden werden.
Oder sie könnten gar zu Technologien wie der Düngung der Meere einladen, die extrem teuer und in den Folgen nur schwer kontrollierbar wären. Klare Bekenntnisse zu Energieeffizienz und zu 100 Prozent erneuerbaren Energien sucht man in dem Paris-Abkommen vergebens.
2/2: Vage Finanz- und Verfahrensregeln
Der bekannte umweltvölkerrechtliche Missstand, dass wohlklingende Bekundungen mit sehr vagen konkreten Pflichten zusammentreffen, setzt sich auch bei den Verfahrens- und Finanzregelungen fort. Beispielsweise soll zwar global überprüft werden, ob die Staaten zumindest ihre freiwilligen laschen Emissionsminderungsbekundungen auch wirklich umsetzen.
Wie die Überprüfung laufen soll, bleibt jedoch unklar. Wenn es heißt, die Überprüfung solle nicht etwa bestrafend oder sonst irgendwie störend für die Staaten ausfallen, fragt man sich, was dann überhaupt noch mit Überprüfung gemeint ist.
Ebenso wolkig werden den ärmeren Ländern zwar Hilfen beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den teilweise nicht mehr zu verhindernden Klimawandel in Aussicht gestellt. Eventuell soll es sogar eine Kompensation für Klimawandelfolgeschäden geben. Konkrete Summen werden jedoch nicht rechtsverbindlich festgelegt. Und die unverbindlich avisierten Beträge bleiben weit unterhalb des Benötigten. Gleichzeitig werden individuelle Rechtsansprüche etwa der Entwicklungsländer auf Schadenskompensation sogar explizit juristisch ausgeschlossen.
Auch die künftige Einbeziehung der Schwellenländer wie China, Südafrika, Indien oder Brasilien bleibt vage. Zwar sind auch sie irgendwie zum Klimaschutz verpflichtet, für sie wird im Text aber noch stärker ein ständiger Angemessenheitsvorbehalt formuliert. Wie um dies noch weiter zu steigern, hat auch noch jeder Staat – wenn es denn überhaupt erst einmal allseits ratifiziert werden sollte – die Möglichkeit, aus dem Abkommen ohne Angabe von Gründen später wieder auszusteigen.
Die EU hat ihre Vorreiterrolle nicht ausgefüllt
Es war eben nicht mehr drin als dieses Pariser Abkommen, das stimmt zwar. Es verdeckt aber, dass beispielsweise die EU sich keineswegs mit Ruhm bekleckert hat.
Die Pro-Kopf-Emissionen in Europa liegen bei einem Vielfachen dessen, was die Erde vertragen könnte, wenn alle Menschen weltweit und auf Dauer so leben würden wie wir. Einschneidende Reduktionen bei Treibhausgasen hat auch die EU nicht angekündigt.
Und den entscheidenden Zug hat sie nicht gemacht: Hätten westliche Industriestaaten deutlich höhere Finanztransfers offeriert, wären auch klarere Klimaschutzverpflichtungen für die Staaten weltweit denkbar gewesen. Angemessen wäre das, denn die Industriestaaten sind nicht nur leistungsfähiger. Sie sind auch historisch in weit höherem Maße für den Klimawandel verantwortlich, befinden sich doch noch heute die Emissionen der frühen industriellen Revolution in der Atmosphäre.
Dabei wäre jetzt eine echte EU-Vorreiterrolle nötig. Allerdings birgt ein Ansetzen lediglich in einzelnen Lebensbereichen oder in einzelnen Ländern die Gefahr, die Emissionen nur zu verlagern.
Alternativen zu Paris
Die EU sollte deshalb mit einem Klimaschutzansatz vorangehen, der eine Perspektive zur Einbeziehung der übrigen Welt enthält. Durch einen völlig neu konzipierten und verschärften Emissionshandel – mit strengeren und sukzessive anziehenden Reduktionszielen – könnte man fossile Brennstoffe flächendeckend und endlich einmal ambitioniert bepreisen. Fossile Brennstoffe bei Strom, Wärme, Treibstoff und die vielen stofflichen Nutzungen würden so durch erneuerbare Energien, Effizienz und – sofern allein die technischen Neuerungen nicht ausreichen – auch durch genügsamere Lebensstile ersetzt.
Das lohnt sich wirtschaftlich schon kurz- und mittelfristig. Der Ansatz fördert durch den Preisdruck neue Wirtschaftszweige und macht sich von Energieimporten, steigenden Ölpreisen und zweifelhaften Gaslieferanten wie Russland unabhängig, jedenfalls dann, wenn man parallel Energiespeicher und Energieleitungen ausbaut. Man sichert langfristig die Energieversorgung und vermeidet gewaltsame und überdies äußerst teure Wettläufe und Konflikte um schwindende Ressourcen. Vor allem vermeidet man die auch ökonomisch fatalen Klimawandelfolgen.
Alle Staaten etwa in Südamerika oder Afrika könnten sich an dem System beteiligen. Die Einnahmen daraus könnte man für die sozial-ökologische Transformation in jenen südlichen Ländern einsetzen. Gegenüber unbeteiligten Staaten wie den USA oder China könnte man Ökozölle auf Im- und Exporte einführen, die Emissionsverlagerungen dorthin vermeiden. Welthandelsrechtlich ginge das. So könnte man schrittweise immer mehr Staaten weltweit doch noch zu mehr Klimaschutz bringen.
Felix Ekardt leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin und ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock.
Felix Ekardt, Ergebnisse der Pariser Klimakonferenz: Ohne Anspruch und Konzept . In: Legal Tribune Online, 14.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17853/ (abgerufen am: 01.12.2023 )
Infos zum Zitiervorschlag