Druckversion
Donnerstag, 12.06.2025, 12:40 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/integrations-und-partizipationsgesetz-fuer-berlin-diskriminierung-durch-integration
Fenster schließen
Artikel drucken
766

Integrations- und Partizipationsgesetz für Berlin: Diskriminierung durch Integration?

Christian Oberwetter

18.06.2010

Ein Gesetzentwurf für das Land Berlin will mehr Chancengleichheit für Personen mit Migrationshintergrund. Statt einer Quote definiert er Anforderungen an Bewerber auf Positionen im öffentlichen Dienst - die viele Deutsche nicht erfüllen können. Christian Oberwetter über positive Ungleichbehandlung und viel Arbeit für Arbeitsrechtler.

Anzeige

Der Berliner Senat bereitet ein Integrations- und Partizipationsgesetz für das Land Berlin vor.  Der Gesetzentwurf soll für mehr Chancengleichheit von Personen mit Migrationshintergrund sorgen. Der öffentliche Dienst und die landeseigenen Unternehmen sollen Migranten bevorzugt einstellen.

Das soll allerdings nicht per Quote erfolgen, vielmehr soll der Einstieg dadurch erleichtert werden, dass für Jobs bei der Feuerwehr, der Polizei und der Verwaltung zum Beispiel Fremdsprachenkenntnisse auf Muttersprachenniveau oder interkulturelle Kompetenz zum Anforderungsprofil gehören. Ist ein solches Gesetz zulässig? 

Benachteiligung oder Bevorzugung kann begründet sein

Zunächst einmal liegt ein Verstoß gegen das Grundgesetz nahe. Nach Art. 3 Abs. 3 GG darf niemand wegen seiner Abstammung oder seiner Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden.
Allerdings darf durchaus jemand bevorzugt eingestellt werden, der über Fähigkeiten verfügt, die eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen. Das ist in § 8 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bereits niedergelegt. Die Wiederholung dieser Norm in dem Integrations- und  Partizipationsgesetz wäre überflüssig.
Sollte das Gesetz darüber hinausgehen, wäre es verfassungswidrig. Entweder stellt eine Fähigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung an eine Tätigkeit dar oder nicht.

(Mutter-) Sprachkenntnise oder interkulturelle Kompetenz als Grund?

Es mag sein, dass  bei bestimmten Bereichen in Polizei oder Verwaltung Kenntnisse in den Sprachen der typischen Einwanderungsruppen erforderlich sind.

Werden jedoch Sprachkenntnisse dort verlangt, wo sie für die Ausübung der Tätigkeit nicht oder nur von geringer Relevanz sind, so werden unzulässige Schranken für alle errichtet, die über diese Kenntnisse nicht verfügen, im Übrigen jedoch besser für die Tätigkeit geeignet sind.

Gleiches gilt für den dehnbaren Begriff der interkulturellen Kompetenz, die nicht bereits durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe gewährleistet ist.

Die Initiatoren des Gesetzes sind augenscheinlich der Auffassung, eine Diskriminierung ethnischer Deutscher sei nicht möglich, beziehungsweise sie nehmen an, dass die Diskriminierung gerechtfertigt sei, da Migranten nicht entsprechend ihrem tatsächlichen Bevölkerungsanteil in Behörden und Verwaltung vertreten seien.

Positive Ungleichbehandlung nur unter strengen Voraussetzungen

Der EuGH hat zwar im Jahre 1995 in Bezug auf die sogenannte Frauenquote entschieden, dass eine positive Ungleichbehandlung  grundsätzlich zulässig sei – Voraussetzung ist jedoch eine Unterrepräsentation der bevorzugten Gruppe im Unternehmen, die gleiche Eignung in Bezug auf die Mitbewerber und die Berücksichtigung gegenläufiger Gesichtspunkte.

Das Gesetz wird sich an den Kriterien des EuGH messen müssen und es steht zu befürchten, dass dies misslingt. Eine gleiche Eignung lässt sich nicht dadurch herstellen, dass automatisch bestimmten Fähigkeiten eine Vorrangstellung eingeräumt wird.

Es handelt sich um eine Vision von Theoretikern, die nur  - aber auch immerhin - den Arbeitsrechtsanwälten Vorteile in Form von Mandaten bringen wird.

Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Hamburg und Verfasser zahlreicher Publikationen auf diesen Gebieten.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Christian Oberwetter, Integrations- und Partizipationsgesetz für Berlin: . In: Legal Tribune Online, 18.06.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/766 (abgerufen am: 12.06.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Arbeitsrecht
    • Berufs- und Standesrecht
    • Gleichstellung
    • Integration
Noch immer gibt es in Kanzleien und Unternehmen deutlich weniger Frauen als Männer in Führungspositionen. 26.05.2025
Gleichstellung

Diversität in Kanzleien und Unternehmen:

Wie Frau­en­netz­werke von Män­nern pro­fi­tieren können – und umge­kehrt

Frauennetzwerke sind entscheidend für den beruflichen Erfolg von Frauen in Kanzleien und Unternehmen. Doch auch Männer müssen eingebunden werden – oder sich aktiv einbringen. Katerina-Maria Bröscher zeigt, wie das funktionieren kann.

Artikel lesen
Tauziehen zwischen Frau und Mann 27.04.2025
Gleichberechtigung

"Männer und Frauen sind gleichberechtigt":

Der frühe Streit um Lohn­g­leich­heit

Vor 70 Jahren brachte das Bundesarbeitsgericht die Revolution und fällte ein zentrales Urteil zur Lohngleicheit zwischen Frau und Mann. Warum die Geschlechterungleichheit danach dennoch nicht endete, erzählt Martin Rath. 

Artikel lesen
Integrationskurs 04.02.2025
Asyl

EuGH zu niederländischer Praxis:

Inte­g­ra­ti­ons­prü­fung für Geflüch­tete grund­sätz­lich zulässig

Schutzberechtigte dürfen dazu verpflichtet werden, an Integrationskursen teilzunehmen und Abschlussprüfungen zu absolvieren. Bei Nichtbestehen darf es aber keine pauschalen Bußgelder geben, so der EuGH in einem Fall aus den Niederlanden.

Artikel lesen
Kommunikation zwischen zwei Frauen 16.10.2024
Gleichstellung

BAG zu Diskriminierung von intergeschlechtlicher Person:

Dürfen nur Frauen Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte sein?

Ein intergeschlechtlicher Mensch bewarb sich in Schleswig-Holstein als Gleichstellungsbeauftragte. Den Job bekam eine Frau. Auch da die Stelle nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben war, gab es eine Entschädigung. Nun ist das BAG dran.

Artikel lesen
Ein Mann und eine Frau stehen auf gestapelten Münzen 30.09.2024
Frauenquote

Frau klagt auf Equal Pay:

Wie viel Geld muss Daimler einer Abtei­lungs­lei­terin nach­zahlen?

Frauen werden in Deutschland schlechter bezahlt als Männer – offenbar auch bei Daimler. Eine Führungskraft hat laut ArbG einen Anspruch auf Ausgleich. Wie der berechnet wird, soll nun das LAG klären.

Artikel lesen
Lia Thomas 14.06.2024
trans

Internationaler Sportgerichtshof:

Trans­gender-Schwim­merin Lia Thomas von Wett­kämpfen aus­ge­sch­lossen

Als erste Transgender-Schwimmerin siegte Lia Thomas bei College-Meisterschaften. Wenig später schloss der Welt-Schwimmverband Trans-Athletinnen aus. Mit ihrer Klage dagegen scheiterte Thomas nun vor Gericht.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Simmons & Simmons
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter für den Be­reich Em­p­loy­ment in Frank­furt...

Simmons & Simmons , Frank­furt am Main

Logo von RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Logo von HEUKING
Ar­beits­recht - Rechts­an­wäl­te w/m/d mit ers­ter Be­ruf­s­er­fah­rung oder...

HEUKING , Ham­burg

Logo von HESSEN­METALL Verband der Metall- und Elektro-Unter­nehmen Hessen e. V.
Voll­ju­rist / Syn­di­kus­rechts­an­walt (m/w/d) im Be­reich Ar­beits- und...

HESSEN­METALL Verband der Metall- und Elektro-Unter­nehmen Hessen e. V. , Kas­sel

Logo von Deutscher Gewerkschaftsbund - DGB Bundesvorstand
Re­fe­rats­lei­ter*in (d/w/m) Ab­tei­lung Recht und Viel­falt

Deutscher Gewerkschaftsbund - DGB Bundesvorstand , Ber­lin

Logo von Dentons
Rechts­an­walt (m/w/d) Ar­beits­recht

Dentons , Ber­lin

Logo von Loschelder Rechtsanwälte
Rechts­an­walt (m/w/d) im Ar­beits­recht

Loschelder Rechtsanwälte , Köln

Logo von Wolters Kluwer
Ju­rist als Pro­dukt­ma­na­ger im Be­reich Con­tent - Ar­beits­recht (m/w/d)

Wolters Kluwer , Hürth

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Unternehmensumwandlungen: Aus der GmbH - rein in die Personengesellschaft

19.06.2025

Logo von White & Case
Skyline Event Düsseldorf

03.07.2025, Düsseldorf

Logo von HEUKING
A Taste of HEUKING meets Hemmer ZPO-Examenskurs

26.06.2025, Stuttgart

LinkedIn-Lunch: Die wichtigsten 2025er LinkedIn-Updates für ambitionierte Juristinnen

20.06.2025

Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fachanwaltslehrgang Gewerblicher Rechtsschutz im Fernstudium/ online

20.06.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH