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Psycho-Tests beim HSV: Wonach Trainer fragen dürfen

von Christian Oberwetter

30.09.2013

HSV-Spieler beim Spielerwechsel

Bild: JOHANNES EISELE / AFP

Der HSV hat einen neuen Trainer und der möchte erst einmal wissen, was für Männer seine Spieler so sind. Ein Persönlichkeitstest mit Fragen rund um Sexualität, Familie und Ernährung soll ihm dabei helfen. Christian Oberwetter bezweifelt, dass das viel bringen wird. Denn die Fußballer seien keineswegs dazu verpflichtet, die Wahrheit zu sagen.

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Feststellungen über sexuelle Interessen wie "Ich habe viele erotische Phantasien" oder "Ich will jeden Sex, den ich bekommen kann" vermutet man am ehesten in einer Hotelbar zu vorgerückter Stunde und in intimer Runde. Dagegen kann man sich kaum einen neugierigen Chef vorstellen, der seiner Belegschaft solche Geständnisse entlocken möchte.

Unmöglich ist das jedoch nicht: Der neue Trainer des HSV, Bert van Marjwik, möchte seine Spieler einem Persönlichkeitstest unterziehen, indem sie sie sich nicht nur zu ihren sexuellen Vorlieben, sondern auch zu anderen Lebensbereichen wie zum Beispiel ihrer Familie und ihren Ernährungsgewohnheiten äußern sollen. Medienberichten zufolge haben die Spieler damit kein Problem. Aber sind sie tatsächlich dazu verpflichtet, ihr Privatleben derart offen zu legen?

Das Privatleben ist immer tabu

Jeder hat ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das heißt, er kann frei darüber entscheiden, ob und wem er persönliche Sachverhalte mitteilt. Vollkommen schweigsam darf ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz allerdings nicht sein, denn ein Unternehmen hat ein berechtigtes Interesse, bestimmte Informationen von seinen Beschäftigten zu erhalten.

So besitzt der Arbeitgeber selbstverständlich das Recht, einen Bewerber oder Arbeitnehmer nach Einzelheiten seiner beruflichen Qualifikation zu fragen, damit er diesen auf einem passenden Arbeitsplatz gewinnbringend einsetzen kann, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits in den 90ern (Urt. v. 10.09.1995, Az. 8 AZR 828/93).

Andere Informationen, die den Arbeitgeber interessieren, aber den persönlichen Lebensbereich des Mitarbeiters betreffen, sind tabu. Unzulässige Fragen sind ein unberechtigter Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines Bewerbers oder Arbeitnehmers. In solchen Fällen dürfen die Betroffenen sogar lügen (BAG, Urt. v. 05.10.1995, Az. 2 AZR 923/94).

Trainer darf nach Essgewohnheiten fragen

Werden persönliche Daten wie heutzutage üblich automatisiert verarbeitet, ist § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zu beachten, wonach Daten der Beschäftigten nur genutzt werden dürfen, wenn dies für die ausgeübte Tätigkeit notwendig ist.

Welche Fragen erlaubt sind und welche verboten, lässt sich nicht einheitlich beantworten, es kommt immer auf die Tätigkeit an. Ein Büroangestellter muss seinem Chef nicht Rede und Antwort zu seinen Ernährungsgewohnheiten stehen. Ganz anders im Profifußball: Ein Trainer darf sehr wohl danach fragen, ob sich seine Spieler ausschließlich von Burgern und Pommes ernähren.

Fragen nach den persönlichen Lebensumständen sind allerdings generell unzulässig. Die Familienplanung von Mitarbeitern geht den Chef ebenso wenig an wie deren sexuelle Orientierung.

Persönlichkeitstest nur durch Psychologen

Möchte ein Unternehmen seine Mitarbeiter einem Persönlichkeitstest unterziehen, muss es ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an einem solchen Test für die Besetzung der Arbeitsplätze haben. Den Mitarbeitern muss erläutert werden, was der Test eigentlich erkunden soll. Ein Persönlichkeitstest ist außerdem nur dann zulässig, wenn er wissenschaftlich anerkannt ist und von fachkundigen Psychologen durchgeführt wird, die einer Schweigepflicht unterliegen.

Neben der Tatsache, dass die HSV-Spieler intime persönliche Daten preisgeben sollen, ist daher zudem problematisch, dass die Daten von dem Co-Trainer ausgewertet werden.

Am Ende bleibt es aber dabei: Kein Spieler muss Angaben zu seinem Privatleben machen und schon gleich gar nicht zu seinen sexuellen Vorlieben. Die Fußballer können schweigen oder lügen, dass sich die Balken biegen. Rechtliche Nachteile dürfen ihnen daraus nicht erwachsen.

Möglicherweise ist also das Testergebnis das Papier nicht wert, auf dem es steht. Bert van Marjwik sollte lieber den Fußballgrundsatz des Bundesliga-Trainers Adi Preißler beherzigen: "Grau ist alle Theorie – entscheidend is auf'm Platz."

Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Hamburg.

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Christian Oberwetter, Psycho-Tests beim HSV: Wonach Trainer fragen dürfen . In: Legal Tribune Online, 30.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9705/ (abgerufen am: 08.06.2023 )

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