Druckversion
Samstag, 17.05.2025, 15:20 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/gescheiterte-grossprojekte-kostspielig-baurecht-erklaerungsversuch-cheops-aegypter-pyramide
Fenster schließen
Artikel drucken
24807

Gescheiterte Großprojekte und das Baurecht: Was die Alten Ägypter besser gemacht haben

von Dr. Thomas Senff

03.10.2017

Pyramiden von Gizeh

© WitR - stock.adobe.com

Stuttgart 21, Flughafen BER, Elbphilharmonie – Beispiele für kostspieligen Stillstand auf der Baustelle kennt Deutschland mittlerweile zur Genüge. Thomas Senff mit dem baurechtlichen Erklärungsversuch.

Anzeige

Was wäre passiert, wenn Cheops vor ungefähr 4.500 Jahre gewusst hätte, dass der Bau der Großen Pyramide weit über 20 Jahre dauern und unvorstellbare Kosten verursachen wird? War dem Pharao klar, dass die Ägypter dafür 2,3 Millionen tonnenschwere Steinquader in den weit entfernten Steinbrüchen aus dem Fels schlagen und teils hunderte Kilometer über den Nil transportieren mussten, um sie schließlich in Gizeh passgenau in schwindelerregende Höhen spitz aufzutürmen? Ahnte der Gottkönig, dass die Große Pyramide jede bis dahin gültige Vorstellung von Bauzeit und Kosten um ein Vielfaches übertreffen wird?

Die Antwort darauf ist einfach. Denn nach allem was wir wissen, hatte Cheops keine Zweifel darüber, was auf ihn zukam – und dennoch hat der Pharao dieses großartige Bauprojekt in Auftrag gegeben. Können wir daraus heute etwas lernen? Zweifellos. Denn Cheops hat so Einiges richtig gemacht.

Ähnlich wie damals das Alte Ägypten steht die im Vergleich noch recht junge Bundesrepublik vor atemberaubenden Herausforderungen was die Planung und den Bau von großen Infrastrukturprojekten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten angeht. Die Reformkommission Bau von Großprojekten, eingesetzt vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, schätzt in ihrem Endbericht vom 29. Juni 2015, dass der Bund alleine für Hochbauten etwa zwei Milliarden Euro und für Verkehrswege elf Milliarden Euro mit deutlich steigender Tendenz ausgeben wird - und zwar pro Jahr. Die Zahlen dürften heute noch weit höher liegen. Stromtrassen, Autobahnen, Flughäfen, Eisenbahnlinien und nicht zuletzt die Schaffung eines leistungsfähigen, flächendeckenden Internets sind nur einige Stichworte in diesem Zusammenhang.

Können die Deutschen überhaupt noch bauen?

Und immer wird es um ein Großbauprojekt gehen, was bei allen Beteiligten nach den Erfahrungen mit Stuttgart 21, dem Berliner Flughafen BER, der Elbphilharmonie und neuerdings dem Umbau der Kölner Philharmonie nicht nur Freude am Projekt, sondern wahrscheinlich auch das eine oder andere mulmige Gefühl hervorrufen wird.

Doch für Letzteres besteht kein Anlass. Es gibt kein Naturgesetz, nach welchem die Kosten und Terminpläne bei Großbauvorhaben zwangsläufig nach kurzer Zeit explodieren. Es haben keine Naturgewalten in Stuttgart und Berlin gewütet, die weltweit die Skepsis darüber haben aufkommen lassen, ob die Deutschen überhaupt noch in der Lage dazu sind, Flughäfen und Bahnhöfe zu bauen. Vielmehr kann jedes Projekt zum Erfolg geführt werden, wenn man die notwendigen Vorkehrungen hierfür trifft. Dass dennoch zum Teil erhebliche Probleme bei Großbauprojekten auftreten, sollte niemanden überraschen.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass es nicht eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, diese Probleme von vorneherein zu minimieren und – was mindestens genauso wichtig ist – sich auf geeignete Konfliktlösungsmechanismen zu einigen, die im Fall der Fälle sofort greifen können. Wer allerdings gleichsam blind in ein Großbauvorhaben hineinstolpert, darf sich nicht wundern, wenn nach kurzer Zeit die Anfangseuphorie verflogen ist und die Projektbeteiligten sich in einer Art Stellungskrieg wiederfinden. Dann ist die Baustelle nach dem Fachjargon verbrannt, also durch endlose und kostenfressende Auseinandersetzungen bedroht, lahmgelegt zu werden.

Die Krux mit der "baubegleitenden Planung"

Was kann man tun? Erneut fällt die Antwort hierauf leichter als man meinen möchte. Zunächst sollte klar sein, was eigentlich gebaut werden soll. Als Cheops den Bau der Großen Pyramide in Auftrag gab, stand die Planung. Die Steinmetze in den dreihundert Kilometer entfernten Tura-Steinbrüchen wussten genau, wie sie jeden einzelnen Quader zu fertigen hatten. Die Baumeister hatten das immense statische Problem der Grabanlage vollständig gelöst, bevor auch nur das Baufeld abgesteckt wurde. Die Pyramide war fertig in den Sand gezeichnet, bildlich gesprochen. Nennenswerte Änderungen nicht vorgesehen.

Dies kann man hingegen nicht von jedem Großbauprojekt in Deutschland sagen. Unter Profis ist die baubegleitende Planung ebenso gefürchtet wie alltäglich. Dabei werden Bauvorhaben begonnen, obwohl die Planung noch gar nicht vollständig vorliegt. Das Ganze soll dann irgendwie während der Bauausführung geheilt werden. Es mag harmlos klingen, dass während der Bauausführung noch weiter geplant wird. In der Praxis stellt dies alle Projektbeteiligten aber vor kaum lösbare Zielkonflikte.

Termin- und Kostensicherheit setzen Planungssicherheit voraus. Das wusste nicht nur Cheops, sondern weiß auch der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA), welcher die für nationale Bauprojekte ganz überwiegend maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB Teil B) gestaltet. Nicht zufällig findet sich in § 3 Abs. 1 VOB Teil B die klare Festlegung, dass der Bauherr die Planungsverantwortung und der Bauunternehmer die Ausführungsverantwortung zu tragen hat.

Seite 1/2
  • Seite 1:

    Die gefürchtete "baubegleitende Planung"

  • Seite 2:

    "Claimgebirge" im Krieg um die Baustelle

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Gescheiterte Großprojekte und das Baurecht: . In: Legal Tribune Online, 03.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24807 (abgerufen am: 17.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Bau- und Architektenrecht
    • Bebauungsplan
    • Projektmanagement
Ein durchschnittlich modernes Hänge-WC 04.04.2025
Mietwohnung

VG Berlin erlaubt Gebäudemodernisierung:

Ein durch­schnitt­li­ches Hänge-WC führt nicht zu Gen­tri­fi­zie­rung

Hänge-WC, Handtuchheizkörper und kleine Balkone sind auch in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig. Das hat das VG Berlin festgestellt. Es handele sich dabei um zeitgemäße Ausstattung, die keine erhöhte Gentrifizierungsgefahr mit sich bringe.

Artikel lesen
Ein niedliches Mini-Schwein sitzt zwischen gelben Löwenzahnblüten, symbolisiert möglicherweise rechtliche Herausforderungen im öffentlichen Baurecht. 26.02.2025
Bebauungsplan

OVG Koblenz zum öffentlichen Baurecht:

Die süßen Mini­schweine müssen wir­k­lich weg

Die süßen Minischweine müssen weg bleiben. Ihre Haltung in einem allgemeinen Wohngebiet ist bauplanungsrechtlich unzulässig, wie das OVG Koblenz bestätigte.

Artikel lesen
Das Bordell "Artemis" 04.12.2024
Städtebau

Nach Ortstermin beim Bordell:

Das "Ar­temis" darf sich ver­grö­ßern

Ein Berliner Bordellbetreiber möchte sein Etablissement ausbauen. Das Bezirksamt stört das, es versagte die Zustimmung - zu Unrecht, wie das örtliche VG nun entschieden hat. Wen könnte ein Bordell in einer abgelegenen Ecke schon stören?

Artikel lesen
Dönerspieß 11.11.2024
Gewerbe

CDU zieht Antrag zurück:

Keine Döner-Ober­g­renze in Heil­b­ronn

Die Debatte über Obergrenzen von Döner- und Barber-Shops in Heilbronn ist beendet. Parteiübergreifend wird die Stadt ein Entwicklungskonzept für die Innenstadt aufsetzen. Das Thema bietet viel Stoff für eine Prüfung im Baurecht.

Artikel lesen
Ein Minischwein 12.09.2024
Tiere

VG Neustadt an der Weinstraße zum Bauplanungsrecht:

Die süßen Mini­schweine müssen weg

Ein Ehepaar hielt in seinem Garten in Haßloch zwei Minischweine – sehr zum Ärger der Nachbarn. Das VG Neustadt hat klargestellt: Die Haltung von Minischweinen in einem allgemeinen Wohngebiet ist trotz des "dörflichen Charakters" unzulässig.

Artikel lesen
Waschbär 07.03.2024
Tierschutz

VG Minden weist Klage einer Tierretterin ab:

"19 Wasch­bären sind zu viel für ein Dorf"

Um verletzte Waschbären besser versorgen zu können, wollte eine Frau einen Stall zur Pflegestation umfunktionieren. Der Plan scheitert nun aber an baurechtlichen Vorgaben. So viele Waschbären im Wohngebiet seien nicht passend, meint das VG.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von orka Partnerschaft mbB
Rechts­an­walt (m/w/d/*) im Be­reich Im­mo­bi­li­en­recht

orka Partnerschaft mbB , Düs­sel­dorf

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Neu­rup­pin

Logo von CLIFFORD CHANCE Partnerschaft mbB
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter*in­nen (m/w/d) - Frank­furt

CLIFFORD CHANCE Partnerschaft mbB , Frank­furt am Main

Logo von GvW Graf von Westphalen
As­so­cia­te (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches Bau­recht/Um­welt- und Pla­nungs­recht

GvW Graf von Westphalen , Ham­burg

Logo von orka Partnerschaft mbB
Rechts­an­walt (m/w/d/*) im Be­reich Im­mo­bi­li­en­recht

orka Partnerschaft mbB , Ber­lin

Logo von CMS Deutschland
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) für den Be­reich Ver­ga­be­recht und öf­f­ent­li­ches...

CMS Deutschland , Frank­furt am Main

Logo von RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Logo von RBB & Partner mbB
Rechts­an­walt (m/w/d) Schwer­punkt Bau- und Ar­chi­tek­ten­recht

RBB & Partner mbB , Öh­rin­gen und 1 wei­te­re

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Matchwinner Verfahrensrecht

26.05.2025

Der Umgang mit Betriebsprüfern und Steuerfahndern

28.05.2025

Logo von Leuphana Universität Lüneburg
Triff Möhrle Happ Luther auf der FOR YOUR CAREER in Lüneburg

27.05.2025, Lüneburg

Krisenland. Finanzielle Restrukturierung durch StaRUG-Verfahren.

05.06.2025, Frankfurt am Main

Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fortbildung Sozialrecht im Selbststudium/ online

30.05.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH