Wenn bekannte Meinungsmacher in sozialen Netzwerken Produkte testen und positiv bewerten, kann es sich auch um kennzeichnungspflichtige Werbung handeln. So musste kürzlich Youtuber Flying Uwe 10.500 Euro Bußgeld zahlen. Von Martin Gerecke.
Kennzeichnungspflichten beim sogenannten Influencer-Marketing oder Native Advertising sind aktuell in aller Munde. Unternehmen nutzen dabei die Reichweite bekannter Blogger, Youtuber und ähnlicher Social-Media-Stars, um für ihre Produkte besonders effektive Werbung in einer ganz bestimmten Zielgruppe zu machen. Ob diese Reklame als solche gekennzeichnet werden muss, ist häufig strittig.
So hat zuletzt der Fall des Youtubers "Flying Uwe" gezeigt, dass die Landesmedienanstalten bei diesem Thema unnachgiebig sind: Der YouTuber, der einen Kanal zum Thema Kampfsport und Fitness betreibt, wurde von ihr wegen einer nicht gekennzeichneten Dauerwerbung mit einer hohen Geldbuße belegt
Und auch Verbraucherverbände mahnen vermehrt Zielgruppen-Influencer wie Flying Uwe ab. Zwar sind Social Media längst kein rechtsfreier Raum mehr, doch bislang herrscht sehr oft noch Unsicherheit darüber, wann Produktpräsentationen solcher Meinungsmacher als Werbung zu kennzeichnen sind.
Wann man Werbung als solche kennzeichnen muss
Kennzeichnungspflichten können sich neben § 6 des Telemediengesetzes (TMG) sowohl aus dem Rundfunkstaatsvertrag (§ 58 RStV) als auch aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Nr. 11 d. Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG, § 5a Abs. 6 UWG) ergeben. Die gesetzlichen Regelungen bestehen nebeneinander. Für deren Durchsetzung sind jeweils unterschiedliche Institutionen zuständig: Verstöße gegen den RStV ahndet die Aufsichtsbehörde (Landesmedienanstalt oder eine staatliche Behörde). Wegen Verletzung des UWG können Mitbewerber, Wettbewerbsverbände oder Verbraucherschutzvereine vorgehen. Dabei haften auch die Unternehmen, die Meinungsmacher zu Werbezwecken beauftragen, für die fehlende oder falsche Kennzeichnung.
Es gibt Konstellationen, in denen Kennzeichnungspflichten unstreitig bestehen. Wenn der Blogger für die werbliche Präsentation des Produktes auf seinem Social-Media-Kanal ein Entgelt von dem Unternehmen erhält, wenn er eine ähnliche Gegenleistung (zum Beispiel ein kostenloses Testprodukt) erlangt oder eigene Produkte bewirbt, so wie es Flying Uwe getan hat, dann muss der Post als Werbung – oder im Fall von "Flying Uwe" als "Dauerwerbesendung" – gekennzeichnet werden.
Ungeklärt ist jedoch bislang der Fall der werblichen Präsentation von Produkten, die sich der Influencer selbst kauft und dann in einem Video seinen Zuschauern und Kanalabonnenten vorstellt (sogenannter Eigenkauf). Häufig wird vertreten, die werbliche Darstellung selbst gekaufter Produkte sei nicht kennzeichnungspflichtig. Auch die Landesmedienanstalten geben Entwarnung und verneinen bisher eine Kennzeichnungspflicht nach dem RStV - allerdings nur unter Hinweis auf die eigene Meinung, die der Blogger zu dem selbstgekauften Produkt äußert.
Wann auch beim Eigenkauf gekennzeichnet werden muss
Doch auch beim Eigenkauf können Kennzeichnungspflichten bestehen – sowohl nach dem RStV als auch nach dem UWG.
Hat der Beitrag, in dem das Produkt vorgestellt wird, einen klar werblichen Charakter, der aufgrund der übermäßig positiven Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information überschreitet, kann Schleichwerbung i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV vorliegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 09.06.2011 klargestellt (Az. C-52/10), dass für die Annahme von Schleichwerbung ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung an den Blogger keine Voraussetzung ist. Umso höher der werbliche Charakter des Posts, desto eher wird die werbliche Absicht angenommen. Konsequenterweise muss Schleichwerbung nicht nur in fernsehähnlichen Telemedien wie etwa YouTube, sondern in sämtlichen Telemedien über § 58 RStV verboten sein.
Auch unter Anwendung des § 5a Abs. 6 UWG ist Schleichwerbung als unlautere Handlung beim Eigenkauf möglich, ohne dass es darauf ankommt, ob der Blogger ein Entgelt oder ein Testprodukt erhalten hat. Nach § 5a Abs. 6 UWG handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
2/2: Auf die Verbraucherperspektive kommt es an
Die übermäßig positive Erwähnung oder Darstellung von selbst gekauften Produkten auf Social-Media-Kanälen ist eine geschäftliche Handlung zur Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens, auch wenn der Blogger nicht im Namen oder im Auftrag des Unternehmers handelt. Nicht immer wird der kommerzielle Zweck der Produkterwähnung dem Verbraucher dabei unmissverständlich deutlich.
Häufig wird der Nutzer zunächst einmal von einer privaten Meinungsäußerung des Bloggers ausgehen. Getarnte Werbung, also die mangelnde Kennzeichnung des tatsächlichen kommerziellen Zwecks, ist dann stets geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung (Kauf) zu veranlassen und damit unlauter. Es ist dabei unerheblich, was der Blogger tatsächlich beabsichtigt: Es kommt nur auf die objektive Wahrnehmung des Verbrauchers an. Dieser soll nämlich in seiner Entscheidungsfreiheit vor einer unzulässigen Verschleierung des Werbecharakters geschützt werden.
Dabei ist nicht entscheidend, wer das Produkt gekauft hat, sondern ob die Botschaft, die der Blogger übermittelt, getarnte Werbung darstellt, also unter dem Deckmantel einer privaten scheinbar neutralen Äußerung auftritt, obwohl sie tatsächlich Werbung ist. Verkürzt gesagt: Entscheidend ist nicht die Herkunft des Produkts, sondern ob am Ende getarnte Werbung steht.
Natürlich stellt nicht jede Erwähnung eines selbstgekauften Produktes Werbung dar. Kennzeichnungspflichten nach dem UWG bestehen nur bei geschäftlichen Handlungen. Rein private (werbliche) Empfehlungen an Freunde (auf dem privaten Blog) sind nicht kennzeichnungspflichtig. Für die professionelle Bloggerszene und die dahinter stehenden Unternehmen ist das Influencer-Marketing allerdings längst ein Business, auch wenn (oder gerade weil) es nicht danach aussieht.
Der Einfluss des Influencer-Marketings auf potentielle Kunden ist aufgrund der hohen Authentizität mittlerweile größer als bei Anzeigen- oder Bannerwerbung. Nicht wenige Blogger verdienen sehr viel Geld mit ihrer Tätigkeit. Mit steigender Follower-Zahl und Professionalität muss aber auch wachsende Verantwortung einhergehen.
Aber wo fängt Werbung an?
Wann die Grenze von der Meinung zur Werbung überschritten wird, ist nicht immer leicht zu beurteilen. Schleichwerbung kann nur angenommen werden, wenn der Beitrag klar werblich ist und sich von einer sachlichen Berichterstattung und der bloßen Meinungsäußerung abhebt.
Indizien für eine getarnte Werbung sind eine reklamehafte Sprache, die Übernahme von Bildmaterial des Produktherstellers, die Beschreibung der Ware im reklamehaften Stil, Kaufempfehlungen oder die Übernahme von Produkt- und Markenslogans. Entscheidend ist das "Wie" der Darstellung. Der unabhängige und neutrale Produkttest muss im Rahmen des Bloggens kennzeichnungsfrei bleiben. Gleiches gilt natürlich dann, wenn ein Produkt negativ bewertet wird. Insgesamt besteht ein nicht leicht zu durchdringendes Spannungsfeld zwischen der freien Meinungsäußerung und dem Schutz des Verbrauchers vor unlauterer Einflussnahme durch verschleierte Werbung.
Die derzeitige Rechtslage ist in Teilen unübersichtlich und deshalb insbesondere für die Blogger unbefriedigend, die Gefahr laufen, abgemahnt zu werden. Risiken bestehen vor allem beim Eigenkauf. Dies zeigen bereits die Abmahnungen der Verbraucherverbände in diesem Bereich. Die Influencer-Szene changiert aktuell zwischen Unkenntnis und pauschaler Kennzeichnung von allen Posts, egal ob Werbung oder Meinung. Es mangelt bisher an Rechtsprechung, die dringend notwendig wäre für die weitere Rechtsfortbildung.
Dr. Martin Gerecke ist Rechtsanwalt bei CMS in Deutschland und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht.
Dr. Martin Gerecke, M. Jur. (Oxford), Kennzeichnungspflichten beim Influencer-Marketing: Urteilst Du noch oder wirbst Du schon? . In: Legal Tribune Online, 24.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23274/ (abgerufen am: 28.05.2023 )
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