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20136

EuGH zu Amazon-AGB: Rechts­wahl­klau­seln für Online-Shops: sinnlos oder unwirksam

von Prof. Niko Härting

28.07.2016

Frau beim Online-Shopping (Symbolbild)

© Andrey Popov - Fotolia.com

Rechtswahlklauseln in den AGB von Online-Shops sind entweder unwirksam oder sinnlos. Daran hat sich durch das heutige Urteil des EuGH zu den Amazon-AGB nichts geändert.

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Online-Händler, die europaweit tätig sind, müssen das Verbraucherschutzrecht aller Mitgliedsstaaten der EU beachten. Rechtswahlklauseln, die die Anwendbarkeit des Rechts des Händlerstaates festlegen ("Es gilt ausschließlich deutsches Recht") sind unwirksam. Der EuGH hat dies in seinem heutigen Amazon-Urteil bestätigt (v. 28.07.2016, Az. C-191/15).

Welches Recht auf grenzüberschreitende Verbraucherverträge anwendbar ist, ist in Art. 6 der Rom I-Verordnung geregelt. Zur Rechtswahl trifft Art. 6 Abs. 2 Rom I-Verordnung eine paradoxe Regelung. Einerseits heißt es, dass die Rechtswahl zulässig ist. Dies würde bedeuten, dass Amazon mit Verbrauchern die Anwendung luxemburgischen Rechts vereinbaren kann. Andererseits jedoch gibt es in Art. 6 Abs. 2 Rom I-Verordnung die Einschränkung, dass trotz der Rechtswahl das gesamte zwingende Recht des Staates anwendbar bleibt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Anwendbar bleibt somit das gesamte Verbraucherschutzrecht des Aufenthaltsstaates – vom AGB-Recht bis zum Recht des Verbrauchsgüterkaufs.

Shop-AGB berühren immer zwingendes nationales Verbraucherrecht

Die paradoxe Regelung zur Rechtswahl führt dazu, dass es für Online-Händler faktisch keine rechtssichere Möglichkeit der Rechtswahl gegenüber Verbrauchern gibt. Um überhaupt eine Chance zu haben, dass Gerichte die Rechtswahl für wirksam erachten, muss man die gesetzliche Einschränkung in die Klausel aufnehmen ("Es gelten die zwingenden Vorschriften des Rechts, in dem Sie sich gewöhnlich aufhalten. Im Übrigen gilt deutsches Recht."). Ob eine solche Klausel für Otto Normalverbraucher verständlich ist, ist fraglich, sodass der Einwand der Intransparenz droht (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies gilt umso mehr, als der EuGH in seinem heutigen Urteil auf den "geringeren Informationsstand" des Verbrauchers verweist und daraus die Notwendigkeit einer weiten Auslegung des Transparenzgebots ableitet.

Selbst wenn es gelingen sollte, eine "wasserdichte", transparente Rechtswahlklausel zu formulieren, ist dem Online-Händler damit kaum geholfen. In durchschnittlichen Shop-AGB wird man kaum eine Klausel finden, die nicht zwingendes Recht des Verbrauchers berührt.

Wenig Neues zu Datenschutz und Rechtswahlklausel

Auch zum Datenschutz findet sich in dem heutigen EuGH-Urteil wenig Neues. Der österreichische Oberste Gerichtshof wollte wissen, ob es für die Anwendbarkeit österreichischen Datenschutzrechts ausreicht, dass Amazon mit österreichischen Verbrauchern Geschäfte macht. Der EuGH hat dies verneint. Es reiche nicht aus, dass Amazon seine Geschäftstätigkeit (auch) auf Österreich ausrichtet.  Österreichisches Datenschutzrecht sei vielmehr nur dann anwendbar, wenn Amazon eine Niederlassung in Österreich unterhält. Dies zu prüfen, sei Sache der österreichischen Gerichte.

Hierzulande ändert sich durch das heutige EuGH-Urteil wenig. Der BGH hat bereits 2012 entschieden (Urt. v. 19.07.2012, Az. I ZR 40/11), dass Rechtswahlklauseln in Verbraucherverträgen in aller Regel unwirksam sind. Derartige Klauseln waren somit bereits vor dem heutigen Tag hochriskant. Auch die Maßgaben des EuGH zum anwendbaren Datenschutzrecht sind nicht neu. Die Notwendigkeit einer Niederlassung hatte der EuGH bereits in seinem Weltimmo-Urteil betont (v. 01.10.2015, Az. C-230/14).

Der Autor Niko Härting ist Rechtsanwalt in Berlin (HÄRTING Rechtsanwälte) und Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR Berlin).

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Zitiervorschlag

Niko Härting, EuGH zu Amazon-AGB: Rechtswahlklauseln für Online-Shops: sinnlos oder unwirksam . In: Legal Tribune Online, 28.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20136/ (abgerufen am: 16.01.2021 )

Infos zum Zitiervorschlag
Kommentare
  • 28.07.2016 20:31, Ruinierter Händler

    Mich würde der Sachverhalt, welches Recht gilt auch im Hinblick der Händler interessieren. Mir wurde aufgrund von Verifikation mein Händlerkonto entzogen, ohne weitere Gründe. Das hat den Verlust der Existenzgrundlage bedeutet. Außerdem hat Amazon mich aufgefordert das Lager auf meine Kosten aufzulösen. Ich sehe das nicht ein. Meiner Meinung sind sowohl der Amazon Paymentsvertrag als auch der Amazon Business Vertrag nicht nur in Deutschland sondern auch in Luxembourg sittenwidrig. Es steht fast in jedem Absatz das Amazon jedes Konto und jeden Service fristlos ohne Gründe Kündigen darf. Zur Zeit habe ich eine Beschwerde bei der CSSF und bei der Wettberbszentrale liegen. Amazon schickt jeden Monat 1000 Händler in Deutschland aufgrund von Verifikation in die Insolvenz. Meiner Meinung hat der Händler überhaupt keine Recht und ich glaube, dass nicht ein Händler vermutet, dass er grundlos eine Kündigung bekommt. Habe ich auch nicht vermutet, aber es passiert. Ich finde auch da sollte es ein Grundsatzurteil geben, welches die Kündigungsgründe und Fristen für Händler regelt. Es wäre auch toll, wenn die runinierten Händler Schadensansprüche gegen Amazon gelten machen könnten.

    Ruinierter Händler
  • 29.07.2016 10:29, Reibert

    Ein interessanter Artikel, aber vielleicht ein bischen kurz.

    Was mich interessieren würde ist, ob § 38 ZPO auch zum zwingenden nationalen Verbraucherrecht gehört?
    Instinktiv würdeich dieses verneinen wollen, schon aus systhematischen Erwägungen.

    Unterstellt man, dass das ausländisches IPR grundsätzlich von der Anwendung des jeweilig inländischen Rechts und der Zuständigkeit der jeweils inländisch zuständigen Gerichte ausgeht, könnte sonst über die Rechtswahl zumindest ein forum shopping erreicht werden.

    Ganz konkret: Amazon wählt in seinen AGB luxenburgisches Recht und trifft dann eine Gerichtsstandsvereinbarung zu Gunsten luxenburgischer Gerichte. Ob das nach luxemburgischen Rechts zulässig ist, kann ich nicht beurteilen. Nach deutschen Recht würde es indessen an der nach § 38 II 2 ZPO vorgeschriebenen Schriftform fehlen.

    Reibert
    • 29.07.2016 14:30, Erik Neumann

      Die Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung beurteilt sich m.W. nach Art. 25 EuGVVO, der in Abs. 4 iVm Art. 19 die Gerichtsstandswahl ggü. Verbrauchern im Wesentlichen ausschließt. Die Form würde sich ebenfalls nach Art. 25 Abs. 1 EuGVVO richten.

  • 29.07.2016 19:46, equality

    Es ist vllt gar nicht schlecht wenn jetzt ein paar händler auf die Schnauze fallen und begreifen, was Amazon für Geschäftspraktiken hat, auch wenn das im Einzelfall bedauerlich ist. Amazon macht den Markt kaputt, auf zig Ebenen. Amazon zahlt in D keine Steuern. Und so weiter. Eigentlich verbietet es sich von selbst, mit so einem Unternehmen Geschäfte zu machen.

    equality
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