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Bundestag beschließt Urheberrechtsreform: Neue Regeln fürs Netz

von Annelie Kaufmann

20.05.2021

Ein Smartphone mit Apps.

Julien Eichinger - stock.adobe.com

Union und SPD haben sich auf eine große Urheberrechtsreform geeinigt. In letzter Minute gab es noch ein Zugeständnis an die Fußballverbände – aber auch an die Netzcommunity.

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Es geht um die Musik für Tiktok-Videos und um Zitate aus Zeitungsartikeln, um Filmschnipsel und Memes: Die Reform des Urheberrechts soll regeln, wer welche Inhalte im Internet teilen darf – und wer was dafür bekommt.

Seit Jahren diskutierten, kritisierten und lobbyierten Youtube, Google, Zeitungsverlage, Fußballverbände, Musiker, Schauspieler, Netzaktivistinnen und viele andere für und gegen die einzelnen Regelungen, nun ist es soweit: Union und SPD haben sich auf letzte Änderungen am Regierungsentwurf für das neue Urheberrecht geeinigt, der Bundestag hat die Reform am Donnerstag beschlossen. 

Es wurde auch Zeit: Bis zum 7. Juni dieses Jahres muss Deutschland EU-Vorgaben umsetzen: Die hochumstrittene EU-Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (EU-RL 2019/790 vom 17. April 2019 "Digital Single Market", kurz DSM-Richtlinie) und die sogenannte Online-SatCab- Richtlinie (EU-RL 2019/789 vom 17. April 2019), bei der es um den EU-weiten Zugang zu Rundfunkinhalten geht

Memes und Zitate erlaubt, Fußballszenen nicht während des Spiels

Kern der Reform ist ein eigenes Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG). Upload-Plattformen sollen künftig für alle Inhalte, die sie zugänglich machen, grundsätzlich urheberrechtlich verantwortlich sein. Es gilt das Prinzip: Inhalte, die dort hochgeladen und geteilt werden, müssen lizenziert oder gesetzlich erlaubt sein. Ist das nicht der Fall, muss der Plattformbetreiber dafür sorgen, dass die Inhalte nicht verfügbar sind. 

Deshalb werden die Plattformen nicht darum herumkommen, die umstrittenen Uploadfilter einzusetzen. Vorgesehen ist allerdings ein mehrstufiges, relativ kompliziertes Verfahren, mit dem verhindert werden soll, dass Inhalte zu Unrecht gesperrt werden.

So gelten Inhalte als "mutmaßlich erlaubt", wenn sie nur sehr geringfügig andere Werke nutzen, das heißt: 15 Sekunden Film, 15 Sekunden Tonspur, 160 Zeichen Text oder bis zu 125 Kilobyte für ein Foto oder eine Grafik.  An diesen Grenzen – die teils als zu knapp bemessen kritisiert wurden – änderte sich im parlamentarischen Verfahren nichts. 

Ein Zugeständnis macht die große Koalition allerdings gegenüber der Netzcommunity: Während es bisher hieß, Zitate, Karikaturen, Parodien und Pastiche (Nachahmung) seien erlaubt, "sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt" ist, fällt diese Einschränkung nun weg. Auf die Bindung an einen bestimmten Zweck kommt es damit nicht mehr an, das dürfte die Verarbeitung von urheberrechtlich geschützten Werken erleichtern.

Neu ist auch eine Regelung, die vor allem den Sport- und Filmvermarktern entgegenkommt: Während etwa ein Fußballspiel oder eine Kinopremiere läuft, müssen die Plattformen alle Uploads sperren, die einen Inhalt daraus verwenden – auch wenn es sich nur um 15 Sekunden handelt. Das gilt allerdings nur, wenn der Rechteinhaber es verlangt und nur für die Dauer dieser Ausstrahlung. 

Bundesjustizministerin Lambrecht: "Fairer Ausgleich"

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte stets betont, dass sie eine möglichst ausgewogene Reform anstrebe, die die verschiedenen Interessen von Plattformen, Unternehmen, Kreativen und Nutzern berücksichtigt. Mit dem neuen Urheberrecht sei ein "fairer Ausgleich" gelungen, so Lambrecht am Donnerstag: "Wir stärken die Rechte der Kreativen, beteiligen die Rechtsinhaber fair an den Erlösen und wahren gleichzeitig die Kommunikations- und Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer im Internet."

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag Dr. Johannes Fechner betonte, die SPD habe durchgesetzt, dass Künstlerinnen und Künstler einen verbesserten Auskunftsanspruch gegenüber Plattformen und Streamingdiensten bekommen. "Diese dringend notwendige Transparenz über die gesamte Verwertungskette versetzt Kreative in die Lage, die ihnen zustehende angemessene Vergütung auch durchzusetzen. Zudem haben wir dafür gesorgt, dass der neue Direktvergütungsanspruch auch für ausübende Künstler gilt", so Fechner weiter. Die SPD wollte zudem ein Verbandsklagerecht schaffen, mit dem etwa Schauspielerverbände eine angemessene Vergütung hätten durchsetzen können – das sei jedoch mit der Union "leider nicht möglich" gewesen, so Fechner.

Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Dr. Jan-Marco Luczak sagte, mit einem direkten Vergütungsanspruch gegen die großen Plattformen sowie dem massiven Ausbau von Lizenzierungen im Netz schütze man das geistige Eigentum von Künstlern und Kreativen und stärke ihre wirtschaftlichen Interessen. "Zugleich verbessern wir den Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts, was angesichts von Zweckentfremdung von Inhalten etwa durch politische Interessengruppen längst überfällig war", so Luczak weiter. Overblocking dürfe es nicht geben.

Wie stark die Reform das Internet wirklich verändert, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Zudem ist klar, dass viele Fragen offen bleiben – etwa die, für welche großen Plattformen das Gesetz überhaupt gilt. Aus dem BMJV heißt es dazu, adressiert seien insbesondere Youtube, Facebook und Tiktok. Schon Twitter könnte allerdings ein Grenzfall sein. Im Zweifelsfall werden das die Gerichte klären müssen.

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Bundestag beschließt Urheberrechtsreform: Neue Regeln fürs Netz . In: Legal Tribune Online, 20.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45017/ (abgerufen am: 21.05.2022 )

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