Nach dem Tod eines SEK-Beamten ertönte der Ruf nach einem schärferen WaffenG. Das ist auf EU-Ebene aber längst auf den Weg gebracht und der deutsche Begriff der Zuverlässigkeit regelt bereits alles, was nötig ist, meint Hans Scholzen.
Auf Grund des bekannt gewordenen Vorfalls, dass ein sogenannter Reichsbürger einen SEK-Beamten erschossen hat, forderte der Hessische Innenminister eine Verschärfung des Waffenrechts und die Umsetzung des Bundesratsbeschlusses zur Verschärfung des Waffenrechts. Zur Begründung bezieht er sich darauf, dass die Zuverlässigkeitsvoraussetzungen des Waffengesetzes reformbedürftig seien.
Das mehrfach geänderte und verschärfte Bundeswaffengesetz (WaffG) regelt den Zugang zu Schusswaffen und zur Erlangung einer entsprechenden Waffenbesitzkarte: Der Antragsteller muss das 18. Lebensjahr vollendet haben, die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und die persönliche Eignung (§ 6 WaffG) sowie die erforderliche Sachkunde (§ 7 WaffG) besitzen und ein Bedürfnis nachgewiesen haben (§ 8 WaffG).
Dezidierte Regelungen zur Zuverlässigkeit
Als Bedürfnisgrund ist anerkannt, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende persönliche oder wirtschaftliche Interessen, vor allem als Jäger, Sportschütze, Brauchtumsschütze, Waffen- oder Munitionssammler, Waffen- oder Munitionssachverständiger, gefährdete Person, als Waffenhersteller oder- händler oder als Bewachungsunternehmer glaubhaft gemacht sind.
Dabei wird bei jedem Antragsteller die Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG dahin überprüft, ob der Antragsteller, der Waffen erwerben möchte, bereits vorbestraft ist. Hierzu holt die zuständige Behörde eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister ein sowie aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister. Zudem werden Stellungnahmen der örtlichen Polizeibehörde eingeholt, ob dort Bedenken gegen die Zuverlässigkeit bekannt sind.
Die Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern wird verneint, wenn die Voraussetzungen in § 5 WaffG vorliegen. Zwingend umzuverlässig sind Personen, die rechtskräftig wegen eines Verbrechens oder wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt wurden, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung noch nicht zehn Jahre verstrichen sind.
Zweifel an der Zuverlässigkeit bestehen, wenn der Waffenbesitzer oder Antragsteller bei einer vorsätzlichen Straftat oder bei fahrlässigen Straftaten wegen Verstoß gegen das WaffG, das Kriegswaffenkontrollgesetz, Sprengstoffgesetz oder Bundesjagdgesetz zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens 2 mal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt wurde. Darüber hinaus kann die Unzuverlässigkeit -ohne dass eine Verurteilung erfolgt ist- auch dann vorliegen, wenn der Waffenbesitzer wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der vorbezeichneten Spezialgesetze verstoßen hat.
Negative Zukunftsprognose und Gesinnungsprüfung
Eine weitere Variante führt ebenfalls zum Ausschluss der Zuverlässigkeit: Wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwendet werden, mit diesen Dingen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgegangen wird oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahrt werden, sowie Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. Diese Variante wird als negative Zukunftsprognose bezeichnet.
Daneben wird eine sogenannte "Gesinnungsprüfung" vorgenommen. Dies trifft etwa den hier erwähnten Fall des Reichsbürgers: Wer Mitglied in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbarem Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt oder in einer Partei war, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind, ist nicht zuverlässig.
Die Unzuverlässigkeit wird auch angenommen, wenn jemand einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind oder durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter diesen Varianten sind auch die Reichsbürger einzuordnen, wie einer aktuell hierzu ergangenen innenministeriellen Anweisung des Landes Bayern zu entnehmen ist.
Die ohne entsprechende Berücksichtigung dieser schon sehr dezidierten Regelung des WaffG geforderte Verschärfung des Zuverlässigkeitsparagraphen und die Behauptung, diese Voraussetzungen seien reformbedürftig, gehen ins Leere.
Auch bei weitergehenden Forderungen, die kürzlich noch bei einem Antrag vom 21. September 2016 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhoben worden und die einen Handlungsbedarf im Waffenrecht für mehr öffentliche Sicherheit zu erkennen glauben, fehlt ganz schlicht die Sachkenntnis.
2/3: Verschärfungen greifen jetzt schon ins Leere
Denn die Europäische Union (EU) hat bereits im November 2015 ein Maßnahmepaket verabschiedet, dass den Erwerb von Feuerwaffen und auch den Umbau von deaktivierten Schusswaffen in den Mitgliedstaaten erschweren soll. Da aber diese EU-Feuerwaffenrichtlinie sich zurzeit noch in der Diskussion befindet, ist bisher auch der entsprechende Bundesratsbeschluss zur Verschärfung des Waffenrechts noch nicht umgesetzt worden.
Die insofern geforderten Verschärfungen greifen ohnehin teilweise ins Leere, weil Sie offensichtlich ohne genaue Kenntnis der gesetzlichen Vorschrift ergangen sind. So wird unter anderem eine regelmäßige qualifizierte Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfung und Kontrolle des privaten Waffen- und Munitionsbestandes einschließlich der Lagerung gefordert.
Dies ist längst umgesetzt. Nach § 36 Abs. 3 WaffG dürfen die Ordnungsbehörden unangemeldet Waffenbesitzer aufsuchen, um eine Kontrolle der Aufbewahrung der Waffen durchzuführen. Jeder Waffenbesitzer wird in regelmäßigen Abständen (drei Jahre) von den Ordnungsbehörden auf seine weiterbestehende Zuverlässigkeit überprüft.
Sportschützen, die beispielsweise aus ihrem Sportschützenverein austreten, werden von den Vereinen den Ordnungsbehörden gemeldet. Diese wiederum veranlassen eine Überprüfung dahingehend, ob noch der Schießsport ausgeübt wird und das entsprechende Bedürfnis, welches überhaupt Erlaubnisvoraussetzung für den Waffenbesitz ist, weiterbesteht. Sportschützen müssen außerdem der Erlaubnisbehörde gegenüber ihr regelmäßiges Training nachweisen. Das Gesetz versteht hierunter ein Schießsporttraining einmal monatlich oder 18 mal im Jahr. Durch das Führen von Schießbüchern für den Nachweis der schiesssportlichen Aktivitäten wird der Bedürfnisgrund des Sportschießens und des Besitzes von Sportwaffen somit regelmäßig überprüft.
3/3: WaffG eine der strengsten Regelungen in Europa
Das Deutsche WaffG ist bereits eines der strengsten Reglementierungen in Europa überhaupt. Immer wieder wird nach Gerichten über Amoktaten eine Verschärfung dieses Gesetzes gefordert, obwohl statistisch vielfältig widerlegt wurde, dass eine starke Beziehung zwischen Verfügbarkeit von Schusswaffen und deren Gebrauch bei kriminellen Vergehen nicht besteht und deshalb ein Verbot des Schusswaffenbesitzes auch keine Abhilfe schaffen kann.
Gerade die Entwicklung in nordamerikanischen Großstädten, welche die höchste Belastung an Schwerkriminalität zu beklagen haben und die den Schusswaffenzugang streng reglementieren, widerlegen die Faustformel "weniger Waffen im Volk = weniger Kriminalität". Alle Befürworter einer solchen Argumentation müssen sich auch dem Beispiel der Schweiz stellen. Die Schweiz hat die pro Kopf am stärksten bewaffnete Bevölkerung der Welt mit einer unleugbar tiefen Kriminalitätsrate. Auch das englische Waffenrecht mit einem Verbot fast des gesamten legalen Waffenbesitzes nach dem Dunblane-Attentat von 1996, bei dem ein Mann 16 Erstklässler und ihre Lehrerin mit einer legal erworbenen Waffe tötete, zeigt, dass die Anzahl der Delikte mit Schusswaffen wie Raub, Mord oder Körperverletzung nach dem Verbot des Schusswaffenbesitzes sprunghaft auf bis zu 70 Prozent angestiegen ist.
Aufbewahrungsregelungen waren bereits konkretisiert
Statistiken des FBI haben festgestellt, dass Gewaltverbrechen in den USA seit 1991 um 38 Prozent zurückgegangen sind und sich die Mordrate auf dem tiefsten Stand seit 40 Jahren befindet. Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Zahl der Gewaltverbrechen in dieser Weise gesunken ist, obwohl pro Jahr 4,5 Millionen Schusswaffen zusätzlich auf den US-amerikanischen Markt kamen.
Ausgehend von dem Attentat an einer Schule in Winnenden hat der Gesetzgeber in Deutschland nochmals die Aufbewahrungsregelung für Schusswaffen konkretisiert und damit auch die Waffenbesitzer an Ihre Verpflichtungen erinnert, leichtfertigen Umgang mit Waffen oder deren Verwendung durch Nichtberechtigte auszuschließen.
Die in diesem Zusammenhang zu erwartende EU-Feuerwaffenrichtlinie befindet sich der Zeit im Trilog zwischen Kommission, Rat und Parlament, ohne dass prognostiziert werden kann, wer sich dort durchsetzen wird. Es werden Forderungen gestellt nach neuen Verbotstatbeständen für bestimmte halbautomatische Schusswaffen und Magazine, nach einer besseren Kontrolle und strengeren Reglementierung des Internethandels durch zwingende Einbindung von Händlern. Zudem sollen Waffenbestände von Herstellern und Händlern in den nationalen Waffenregistern abgebildet werden, der Umbau von Schreckschusswaffen in scharfe Waffen verhindert und eine Anzeigepflicht für Schreckschuss- und deaktivierte Waffen eingeführt werden - um nur einige der wesentlichen Punkte zu nennen.
Dazu gehören auch die von dem Bundesministerium des Innern geplanten Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Deutschland durch eine personelle Verstärkung der Sicherheitsbehörden und Verstärkung der technischen Fähigkeiten der Cyberaufklärung in einer zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich, um etwa auf Bedrohungen aus dem "Darknet" sachgerecht zu reagieren. Eine weitere Debatte über das Waffengesetz ist bei all dem vor allem eines: überflüssig.
Der Autor Dr. jur. Hans Scholzen ist speziell im Bereich des Waffenrechts, Sprengstoffrechts und Jagdrechts seit über 30 Jahren anwaltlich tätig. Er ist Vorsitzender des Verbandes für Waffentechnik und -geschichte e. V. (VdW) und Präsident des Verbandes Deutscher Sportschützen e.V. (vds).
Dr. Hans Scholzen, Bundesratsentwurf: Mit Kanonen auf das WaffenG . In: Legal Tribune Online, 11.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21124/ (abgerufen am: 05.12.2023 )
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