Wenn fehlerhafte Gesetze den Bürger Geld kosten, muss der Staat ihn dafür nicht entschädigen, sagt der BGH. Ein Urteil zur Mietpreisbremse, das aber auch in anderen Bereichen relevant werden könnte.
Wenn jemand im Rechtsverkehr einen Fehler macht und einem anderen dadurch ein Schaden entsteht, kann dieser in aller Regel eine Entschädigung verlangen. Dieser relativ basale Rechtsgrundsatz gilt in Deutschland sogar für den, der die Regeln macht: den Staat. Aber haftet dieser auch dann, wenn er fehlerhafte Gesetze erlässt?
Vor dieser Frage stand am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) im Zusammenhang mit der Mietpreisbremse und einer fehlerhaft erlassenen Verordnung, die einige Mieter am Ende viel Geld gekostet hatte. Doch dafür müsse der Staat nicht einspringen, entschied der III. Zivilsenat (Urt. v. 28.01.2021, Az. III ZR 25/20). Der BGH knüpfte damit an seine langjährige Rechtsprechung an, wonach der Staat nicht für legislatives Unrecht haftet.
In dem Fall ging es um ein Ehepaar aus Frankfurt am Main, dessen erlaubte Miete für ihre 67-Quadratmeter-Wohnung um mehr als 200 Euro gesunken wäre, hätte die für ihr Stadtviertel erlassene Mietpreisbremsen-Verordnung denn Gültigkeit besessen.
Das Gesetz zur Mietpreisbremse, eingeführt 2015, erlaubt es den Ländern, für einzelne "Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten" per Verordnung für bis zu fünf Jahre festzulegen, dass die Mieten dort bei Abschluss des Mietvertrags nur noch maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen – Ausnahmen gelten für Neubauten und bei umfassenden Sanierungen. Mit diesem Instrument sollte den stetig steigenden Wohnungspreisen in besonders gefragten Ballungsgebieten begegnet werden. Um die Mietpreisbremse als solche gibt es seither Streit, doch das Bundesverfassungsgericht erhielt sie 2019 aufrecht.
BGH kippte 2019 hessische Verordnung
Die Verordnung der hessischen Landesregierung hingegen wurde im selben Jahr durch den BGH gekippt, weil dem Land ein gravierender handwerklicher Fehler unterlaufen war: es hatte die gesetzlich vorgeschriebene Begründung vergessen. Denn § 556d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) schreibt klar vor, dass die Mietpreisbremse die ultima ratio sein soll: Aus einer solchen Verordnung muss sich demnach ergeben, warum der Wohnungsmarkt in einem Gebiet als angespannt anzusehen ist und mit welchen Maßnahmen die Landesregierung dort Abhilfe zu schaffen gedenkt. Es handelt sich also nicht um eine bloße Formalität, sondern um eine gewichtige Voraussetzung für die Mietendeckelung, fand der BGH.
Die Entscheidung hatte zur Folge, dass die Begrenzung unwirksam war, die Vermieterin durfte die Miete wie bisher in voller Höhe fordern. Das Ehepaar hatte seine Ansprüche an den Rechtsdienstleister wenigermiete.de abgetreten, der zunächst die Rückzahlung der nach der Verordnung zu viel gezahlten Miete des Ehepaares forderte. Nachdem der BGH die Verordnung kassiert hatte und das Verfahren deshalb gescheitert war, forderte man im Wege eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB vom Land Hessen eine Entschädigung. Durch die fehlerhaft erlassene Verordnung habe das Land seine Amtspflicht gegenüber den Mietern verletzt.
Mit diesem Ansinnen war man bereits in den ersten Instanzen gescheitert, die eine Entschädigungspflicht grundsätzlich ablehnten. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellte darauf ab, dass dem Bürger aufgrund fehlerhafter Gesetzgebung keine Ansprüche zustünden, da der Staat mit seinem legislativen Handeln Gemeinwohlinteressen verfolge, nicht aber den Interessen Einzelner diene, womit auch keine konkrete Amtspflicht korrespondiere. So sei es auch bei der Mietpreisbremse, die allgemeine sozialpolitische Zwecke verfolge.
BGH will Staat nicht durch Rechtsfortbildung in Haftung nehmen
Diese Ansicht bestätigte nun auch der BGH: Es müsse eine "besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten 'Dritten' bestehen", heißt es in der Mitteilung zum Urteil. Gesetze und Verordnungen als generelle und abstrakte Regelungen bezögen sich dagegen nicht auf bestimmte Personen, womit in diesem Zusammenhang auch keine konkret personenbezogene Amtspflicht verletzt werden könne. Eine Ausnahme könne lediglich ein sogenanntes Maßnahme- oder Einzelfallgesetz bilden. Um ein solches Handele es sich bei der Mietpreisbremsen-Verordnung aber nicht. Ähnlich hatte der BGH bereits 1971 im Zusammenhang mit einem Gesetz zur Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum entschieden.
Auch eine möglicherweise verletzte Grundrechtsposition könne daran nichts ändern, hielt der Senat nun fest. Ob überhaupt eine solche betroffen war, ließ er offen, stellte aber klar: Nicht jede Grundrechtsbeeinträchtigung führt zur Staatshaftung. Die Grundlagen habe der Gesetzgeber eben in § 839 BGB geregelt, der hier nicht zur Anwendung komme.
Die Richter ließen dabei auch erkennen, dass man die Staatshaftung für legislatives Unrecht gewissermaßen als Büchse der Pandora erkannt hatte und sich bewusst zurückhalten wollte. Eine mit einem solchen Anspruch zwangsläufig verbundene "erhebliche Ausdehnung" der Staatshaftung für legislatives Unrecht, komme jedenfalls nicht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung in Betracht, fand man.
Kläger: "Wäre eine Dammbruchentscheidung gewesen"
Unterdessen hielt sich bei den Klägern die Enttäuschung über die höchstrichterliche Ablehnung in Grenzen: "Das war ja zu erwarten, wir hatten es im Grunde als Außenseiterchance gesehen", erklärte Dr. Daniel Halmer, Gründer und Geschäftsführer der Conny GmbH, zu der auch der Dienstleister wenigermiete.de gehört, im Gespräch mit LTO und verwies auf die politische Brisanz des Themas: "Das wäre eine Dammbruchentscheidung gewesen, denn es hätte alle Mieter in den acht Bundesländern betroffen, in denen eine Mietpreisbremsen-Verordnung gekippt wurde." Dabei gehe es in der Summe um einen Milliardenbetrag an denkbaren Entschädigungen.
Es sei daher nachzuvollziehen, dass der Senat sich nicht im Wege der Rechtsfortbildung aus dem Fenster habe lehnen wollen, so Halmer. Offen hält sich die Conny GmbH aber explizit eine Verfassungsbeschwerde: "Sobald die Urteilsgründe da sind, prüfen wir, ob das angezeigt ist", versprach Halmer.
Die politische Brisanz einer Entscheidung, die den Staat bei fehlerhaften legislativen Maßnahmen zu einer Entschädigung zwänge, ginge nach Meinung Halmers deutlich über die Mietpreisbremse hinaus: "Das würde möglicherweise auch viele Menschen im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen betreffen", prognostizierte er. Schließlich seien auch diesbezüglich bereits viele Verordnungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kassiert worden und würden vermutlich auch in der Hauptsache keinen Bestand haben.
BGH zur Amtshaftung für unwirksame Mietpreisbremse: . In: Legal Tribune Online, 28.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44122 (abgerufen am: 11.12.2024 )
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