Wer einen Islamisten einstellt, finanziert den internationalen Terrorismus – denkt sich die EU und führt daher Listen mit potenziellen Extremisten, die von wirtschaftlichen Ressourcen möglichst ferngehalten werden sollen. Unternehmen ist es unter Strafe verboten, solche Menschen einzustellen und ihnen eine Vergütung zu zahlen. Kaum einem Arbeitgeber ist dies bewusst, meinen Nils Neumann und Manfred Hack.
Spätestens seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York vor elf Jahren wirkt sich der internationale islamistische Terrorismus nahezu auf sämtliche Lebensbereiche der freien westlichen Ordnung aus. Zwar konnte sich Deutschland bisher vor schwerwiegenden Angriffen schützen, aber auch hierzulande gab es Gesetzesänderungen, die das tägliche Leben beeinflussen.
Erstaunlich wenig Beachtung gefunden hat dabei eine Regelung, die sich erheblich auf das Arbeitsleben auswirken kann: In deren Konsequenz ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, regelmäßig zu überprüfen, ob er einen potenziellen Terroristen beschäftigt. Macht er dies nicht, drohen dem Unternehmen Geldstrafen in Höhe von bis zu einer Million Euro. Unternehmensorgane sowie einzelne leitende Angestellte müssen sogar mit Haftstrafen rechnen.
Geregelt ist dies in Verordnungen der Europäischen Union, insbesondere in der allgemeinen Anti-Terrorismus- sowie der Al-Qaida-Verordnung. Beide zielen primär darauf ab, den finanziellen Handlungsspielraum einzelner Terroristen und ihrer Netzwerke zu beschränken. Ähnliche Zwecke verfolgen die Embargo-Regelungen gegen freiheitsunterdrückende Regime einzelner Staaten. So zum Beispiel die Syrien- und die Iran-Verordnung.
Terrorismus finanziell austrocknen
Die Verordnungen basieren auf der Annahme, dass selbst der Terrorismus vom globalen Finanz- und Wirtschaftssystem abhängig ist. Auch er benötigt Geld. Nur wer Geld hat, kann Sprengstoff kaufen, Ausbildungslager betreiben und effektiv Einfluss auf andere Menschen ausüben.
Es ist daher verboten, bestimmten natürlichen und juristischen Personen wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen, so beispielsweise geregelt in Art. 2 Abs. 2 der Al-Qaida-Verordnung. Auf wen sich dieses so genannte Bereitstellungsverbot bezieht, ergibt sich aus Namenslisten im Anhang der Verordnungen, die regelmäßig aktualisiert werden, oft im Abstand von wenigen Wochen.
Das Verbot richtet sich an jeden, und damit auch an die in Deutschland tätigen Unternehmen. Welche Maßnahmen im Einzelnen zu ergreifen sind, bleibt allerdings unklar. Die Sanktionen sind auf nationaler Ebene geregelt.
Auch Blumenhändler muss seinen Auszubildenden überprüfen
In Deutschland sanktioniert insbesondere § 34 Abs. 4, 7 Außenwirtschaftsgesetz sowohl vorsätzliche als auch fahrlässige Verstöße gegen die Bereitstellungsverbote. Anders als es der Name des Gesetzes vermuten lässt, richtet sich die Vorschrift keinesfalls nur an Außenwirtschaftsunternehmen.
Strafbar macht sich danach vor allem, wer vorsätzlich oder fahrlässig einen der namentlich aufgeführten potenziellen Terroristen beschäftigt und vergütet. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft. Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer sowie die Unternehmen können daneben mit Geldbußen in Höhe von bis zu einer Million Euro belegt werden, §§ 30, 130 Ordnungswidrigkeitengesetz. Auch eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit nach § 35 Gewerbeordnung kommt in Betracht.
Aber was können und müssen Unternehmen nun tun, um von Sanktionen verschont zu bleiben? Muss der Blumenhändler an der Ecke regelmäßig überprüfen, ob sein Azubi-Florist als potenzieller Terrorist geführt wird? Und was ist mit Wartungsassistenten im Trinkwasserwerk oder Piloten? Weder die europäischen Verordnungen noch die nationalen Gesetze differenzieren nach dem Gefährdungspotenzial einer Tätigkeit. Da es ausschließlich darum geht, Terroristen von wirtschaftlichen Ressourcen fernzuhalten, wäre das auch wenig sinnvoll. Ob ein Extremist sein Einkommen als Bäcker oder als Sicherheitsingenieur erzielt, ist irrelevant. Auch der Blumenhändler hat seinen Azubi deshalb grundsätzlich zu überprüfen.
Vergleich mit dem Verfahren für zugelassene Wirtschaftsbeteiligte ist verfehlt
In der juristischen Literatur wird zum Teil versucht, den Umfang der Pflichten durch einen Vergleich mit dem Verfahren zur Zertifizierung als so genannter Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter (AEO) zu begrenzen. Diese müssen lediglich Arbeitnehmer in bestimmten sicherheitsrelevanten Unternehmensbereichen überprüften. Das zeigt aber schon, dass die Zielrichtung eine andere ist.
Bei der AEO-Zertifizierung geht es vor allem um die Gewährleistung von Sicherheitsstandards. Für die allgemeine Mitarbeiterüberprüfung kommt es dagegen schlichtweg nicht darauf an, ob ein potenzieller Terrorist durch seine Position im Unternehmen eine konkrete Gefahr darstellt. Es geht vielmehr darum, ob er sich wirtschaftliche Ressourcen verschafft.
Zumutbarkeitskriterium als Grenze der Prüfpflicht
Zurzeit umfassen die Namenslisten mehrere hundert Personen und wurden bereits ähnlich häufig aktualisiert. Nach jeder Aktualisierung der Namenslisten alle Mitarbeiter zu überprüfen, bedeutet einen Aufwand, den schlicht nicht jedes Unternehmen erfüllen kann. Damit die Prüfpflichten nicht ausufern, sind sie deshalb auf ein zumutbares Maß zu beschränken.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Arbeitgeber im Einzelfall vollständig darauf verzichten können, zu kontrollieren, wen sie eingestellt haben. Gerichte werden sicherlich verlangen, dass Unternehmen zumindest bei der Einstellung und danach in regelmäßigen Abständen überprüfen, ob ihr Mitarbeiter auf einer der Terroristenlisten steht. In der Literatur wird teilweise ein jährlicher Rhythmus vorgeschlagen. Mit einer weiteren Verbreitung der dafür einsetzbaren Software ist es aber auch denkbar, dass Gerichte engere Überprüfungen verlangen – etwa begleitend zur monatlichen Lohnabrechnung. Letztlich müssen Arbeitgeber Aufwand und Kosten gegen die drohenden rechtlichen Risiken abwägen.
Grenzen des Rechtsstaates sind erreicht
Unternehmen müssen sich dieser Rechtswirklichkeit stellen und gewährleisten, dass sie keinen potenziellen Terroristen beschäftigen und vergüten. Dazu müssen sie die eigenen Mitarbeiter mit den Namenslisten abgleichen.
Allerdings darf man Sinn, Zweck und Nutzen dieses faktischen Screening-Zwanges hinterfragen. Dieser lähmt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und führt zu weiterem bürokratischen Aufwand für die ohnehin schon stark belasteten Unternehmen. Gerade das sind zentrale Anliegen der Terroristen. Der Staat muss darauf achten, sich nicht als Steigbügelhalter für diese Ziele zu betätigen.
Nils Neumann ist Rechtsanwalt und Manfred Hack, LL.M. ist Partner der internationalen Wirtschaftssozietät K&L Gates in Berlin. Beide beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit dem Arbeitsrecht.
Nils Neumann, Arbeitsrecht und Al-Qaida-Verordnung: Krieg gegen den Terror verpflichtet Unternehmen . In: Legal Tribune Online, 03.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6981/ (abgerufen am: 04.12.2023 )
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