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544

Karriere und Partnerschaft: "Los, mach mich glücklich!"

Gil Eilin Jung

18.05.2010

Glückliches Paar

© Robert Kneschke - Fotolia.com

Beziehungsarbeit hört sich anstrengend an, besonders wenn beide Partner einem Fulltimejob nachgehen. Über Fallen und Chance von Liebe & Karriere sprach LTO mit dem Leiter des Projektes "Theratalk" des Institutes für Psychologie der Universität Göttingen, Dr. Ragnar Beer.

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LTO: Herr Dr. Beer, wenn beide Partner Karriere machen, können Liebe und Sexualität schon mal auf der Stecke bleiben. Wie lässt sich das vermeiden?

Dr. Beer: Es ist wichtig, sich über seine eigenen Vorstellungen und Ansprüche im Klaren zu sein: Was möchte ich haben? Was macht mich zufrieden? Wo will ich hin? Was nimmt welchen Stellenwert in meinem Leben ein? Eine Paar-Beziehung lässt sich nicht planen wie eine Karriere und erfordert weit mehr Flexibilität im Denken und Handeln. Ein Partner, der einen vergleichbar anstrengenden 12-Stunden-Job ausfüllt wie man selbst, kann einen abends nicht mit unendlicher Muße auffangen. Aber man kann gemeinsame Lösungen finden. Dazu kann möglicherweise auch gehören, Abstriche beim Job zu machen, um mehr Elan für die Partnerschaft überhaupt aufbringen zu können.

LTO: Ist es falsch, an die Partnerschaft vergleichbar hohe Erwartungen zu stellen wie an die Karriere?

Dr. Beer: Häufig werden Aspekte, die wir im Beruf erlernt haben, auf die Partnerschaft übertragen, etwa Fragmente aus Kommunikationstrainings. Die sollte man tunlichst nicht 1:1 auf die Beziehung übertragen. Berufliche Kommunikation ist auf ein rein professionelles Umfeld ausgerichtet, wo sachliche Belange im Vordergrund stehen, während eine Partnerschaft vor allem emotional geprägt ist. Da können zielorientierte Marschrichtung-Bestrebungen leicht verstörend wirken. Gerade Männern ist dies oft nicht klar.

LTO: Bedeutet das, dass sogenannte Alphatiere ihre Ansprüche in Sachen Partnerschaft herunterfahren sollten?

Dr. Beer: Der Anspruch spielt eine große Rolle. Ohne hohe Ansprüche an sich selbst könnte man keine Karriere machen und diese Ansprüche überträgt man auch gerne auf den Partner. Wenn man parallel zum perfekten Job eine perfekte Partnerschaft inszenieren will, überfordert man sich selbst und seinen Gegenüber. Das sehe ich sehr kritisch. Es ist sinnvoller, etwas zurückzurudern, insbesondere, wenn in einem selbst eine gewisse Unzufriedenheit gärt und die Erwartungshaltung an den beruflich ebenbürtig beanspruchten Partner lautet: los, mach mich glücklich!

"Schwierig wird es, wenn beide den Boss herauskehren"

LTO: Hat die klassische Versorgungs-Beziehung mit klarer Aufteilungen von Job und Familienarbeit mehr Bestand, als das ‚Double Income no Kids’-Modell?

Dr. Beer: Ob einer das Geld verdient oder beide, ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist, wie man sich arrangiert und wie glücklich man damit ist. Da spielt es keine Rolle, ob einer den anderen beispielsweise dominiert. Da zählt nur, ob beide damit gut zurechtkommen. Schwierig wird das Dual-Career-Modell, wenn keiner der beiden bereit ist, zurückzustecken, beide den Boss herauskehren und von dem anderen die Erfüllung der eigenen Vorstellungen erzwingen wollen.

LTO: Für viele klingt es ausgesprochen mühsam, an ihrer Beziehung ‚arbeiten’ zu müssen. Warum ist das so wichtig?

Dr. Beer: Die Anforderungen an die Beziehungen ändern sich ständig. Fast möchte man sagen, dass das einzig Beständige der Wandel ist: Geburt der Kinder, Beförderung, Jobverlust, Tod der Eltern, etc. Das sind Ereignisse, bei denen man sich extrem auf einander einstellen muss. Aber es gibt auch kleine Ereignisse wie: Was essen wir heute Abend? Wohin fahren wir in Urlaub? Auch darüber muss geredet werden. Reden ist mit das Wichtigste!

LTO: Was sind deutliche Indikatoren für die Qualität einer Paar-Beziehung zwischen zwei Karriere-Menschen?

Dr. Beer: Da gilt wie in allen anderen Beziehungen auch, dass neben der Kommunikation die Zufriedenheit mit der eigenen Sexualität ein entscheidender Faktor ist. Sexuelle Unzufriedenheit ist der Hauptgrund für Seitensprünge – und sie ist gleichzeitig das Gebiet, auf dem Paaren die Kommunikation am schwersten fällt. Problematische Bereiche anzusprechen kriegen viele noch hin. Das ist man aus dem Job gewöhnt. Lösungsorientiert. Aber wenn es darum geht, eigene, konkrete, sexuelle Wünsche zu benennen - was für eine langfristige, zufriedene Sexualität sehr wichtig ist - kann das selbst für ganz taffe Strategen eine unüberwindbare Grenze entstehen.

"Das will ich nicht, das finde ich pervers, so was tut man doch nicht!"

LTO: Wir stellen beruflich so viel auf die Beine, aber es fällt uns schwer, unsere sexuellen Bedürfnisse zu artikulieren. Warum ist das so?

Dr. Beer: Das liegt an der Verletzlichkeit. Wenn Sie Ihre innerste Wünsche preisgeben, gerade in sexueller Hinsicht und gerade in einer Gesellschaft, wo unheimlich viel auch über Medien bewertet wird, ist immer die Gefahr da, dass der Partner ablehnend reagiert: Das will ich nicht, das finde ich pervers, so was tut man doch nicht! Das ist ein Heruntergemachtwerden auf pseudo-moralischem Niveau. Das ist schmerzlich und nichts, was man noch mal haben möchte. Also schweigt man in Zukunft lieber. Wir erleben täglich in Therapien, wie hoch die Barriere ist und wie schwer es den Paaren fällt, darüber zu sprechen.

LTO: Kann man von der Qualität der Sexualität auf den Erfolgs-Quotienten einer Beziehung schließen?

Dr. Beer: Sexualität ist eine sehr individuelle Sache. Wenn ein Paar in seinen Bedürfnissen übereinstimmt, kann es eine wunderbare Beziehung haben. Der höhere Gradmesser ist die Erfüllung der sexuellen Wünsche. Wenn beide extrem viel, ganz wenig oder gar keinen Sex haben wollen, ist das in Ordnung. Schlecht ist, wenn die Wunscherfüllung von einem auf Kosten des anderen geht. Da ist größtmögliche Aufrichtigkeit gefragt und darf nicht nach Leistungserbringungskriterien bemessen werden wie im Job. Wir haben genau dazu ein eigenes Therapie-System entwickelt namens „Ressourcen-Aktivierungs-System“, das man mit minimalem Aufwand auf unserer Website theratalk.de machen kann, ohne Therapeuten-Kontakt. Anhand eines umfangreichen Fragebogens kann man herausfinden, was es für ungenutzte Potentiale gibt und wie es um die Kompatibilität mit dem Partner steht. Manchmal passt der nicht zu einem und dann ist es wie im Job: Wenn die Karriere stagniert, kann ein Wechsel sinnvoll sein.

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Gil Eilin Jung, Karriere und Partnerschaft: . In: Legal Tribune Online, 18.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/544 (abgerufen am: 18.11.2025 )

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